Otmar Lahodynsky: Transatlantische Bruchlinien

Unter Donald Trump werden die Beziehungen zwischen den USA und der EU neu geordnet werden. Die EU muss handlungsfähiger werden, aber das verhindern die europäischen Populisten und ängstliche Regierungen.

Drucken

Schriftgröße

Der Wahlsieg von Donald Trump stellt die von Brexit und Solidaritätsverlust krisengebeutelte EU vor ein weiteres, schweres Problem. Die transatlantischen Beziehungen werden unter dem neuen US-Präsidenten einer grundlegenden Neuordnung unterworfen sein: Trump ist die EU weit weniger wichtig als Barack Obama. Aber auch Obama waren die Beziehungen zu Asien ein wichtigeres Anliegen.

Trump hat schon im Wahlkampf mehrfach gegen die EU polemisiert. Der Freihandel gehört zu seinen Feinbildern, da er in Trumps Auffassung US-amerikanische Interessen schädigt und Jobs kostet. Das in der EU zunehmend umstrittene Freihandelsabkommen TTIP dürfte unter der neuen US-Regierung keine Priorität mehr darstellen. TTIP wird wohl bald begraben werden.

Die Rivalitäten zwischen der EU und den USA werden zunehmen

Sicher ist: Die Rivalitäten zwischen der EU und den USA werden zunehmen, in der Politik und in der Wirtschaft. Trump will die europäischen Partner in der Sicherheitspolitik mehr zur Kasse bitten. Sie sollen für ihre Sicherheit mehr Eigenleistungen erbringen und den USA für militärische Assistenz mehr Geld bezahlen. Auch das Verhältnis der USA zu Russland wird möglicherweise auf eine neue Basis gestellt werden. Trump bringt für Vladimir Putin mehr Sympathie auf und hat sogar Verständnis für die Besetzung der Krim durch Russland geäußert. Auch Russlands Vorgehen in der Ukraine hat bei Trump bislang keinen großen Widerstand ausgelöst. Es ist möglich, dass er Putin eine größere Einflusszone in Russlands Nachbarschaft zubilligt als seine Amtsvorgänger.

All das hat zur Folge, dass sich die EU mehr um ihre eigene Sicherheitspolitik wird kümmern müssen. Zwar bleibt die Nato als transatlantische Verteidigungsorganisation weiter aufrecht, aber Putin könnte versucht sein, ihre Ernsthaftigkeit zu testen.

Auch das Verhältnis zur Türkei wird für die Außenpolitik der EU zum Testfall werden. Wenn es zum endgültigen Bruch mit Präsident Erdogan kommen sollte, wird wohl auch das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei ein früheres Ablaufdatum haben. Sollte Erdogan die Schleusen für Flüchtlinge in Richtung EU wieder öffnen, werden die Bruchlinien in der EU noch stärker aufklaffen. Konflikte innerhalb der EU und der Trend zur Renationalisierung werden die Folge sein.

Die Politik muss sich wieder stärker den Anliegen der Bürger zuwenden

Weitere Wahlsiege von Populisten in EU-Ländern könnten den Verfall der EU noch beschleunigen. Daher muss die EU jetzt handeln: Es ist hoch an der Zeit, Prioritäten neu festzulegen. Die Politik muss sich wieder stärker den Anliegen der Bürger zuwenden. Sie muss handlungsfähiger werden und das Vertrauen zurückgewinnen. Dazu wird eine gewaltige Kraftanstrengung notwendig sein. EU-Bürger müssen den Mehrwert der Europäischen Union erkennen. Erst wenn sie die simplen Parolen der Populisten durchschauen, kann die EU wieder Tritt fassen. Bürger müssen verstehen, dass die EU-Länder große Probleme – vom Klimawandel über Terrorismus und die Herausforderungen der Globalisierung - gemeinsam besser lösen können als alleine.

Veranstaltungstipp: "Das verunsicherte Europa" – Mit Ivan Krastev und den EU-Parlamentariern Othmar Karas und Evelyn Regner. Moderation: Otmar Lahodynsky. 11.11. ab 18 Uhr im Haus der EU, Wipplingerstraße 35, Wien. Ein Seminar des Katholischen AkademikerInnen-Verbands. Info: www.vielfalthatzukunft.net