Verbund, Telekom, Post: Lasst uns über Privatisierungen reden!

Staatliche Investitionen kurbeln die Wirtschaft an. Doch die Republik ist pleite. Der Verkauf von Beteiligungen an Post oder Telekom wären eine Lösung.

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Verdichtet man die Probleme dieses Landes auf ein Thema, ist es das ausbleibende Wirtschaftswachstum, auch wenn Finanzminister Markus Marterbauer, SPÖ, diese Woche die frohe Botschaft verkündete, die Konjunktur sei „schon in der Zeit der Erholung“. Und launig anfügte: „Ich behaupte nicht, dass die Bundesregierung der entscheidende Faktor für diese konjunkturelle Erholung wäre, aber zumindest schaden wir ihr auch nicht.“

Marterbauers vorweihnachtliche Frohbotschaft ist derzeit noch als Wunsch ans Christkind zu werten. Er selbst hat nichts zu verschenken, um die konjunkturelle Erholung zu beschleunigen. Das marode Budget lässt ihm keinen Spielraum für staatliche Investitionen, um die nach wie vor stagnierenden Investitionen der Unternehmen auszugleichen.

Es muss Marterbauer überrascht haben, als Bundeskanzler Christian Stocker Wundersames ankündigte. Um Energie für Unternehmen und Private günstiger zu machen – was Investitions- und Konsumbereitschaft zweifellos stimuliert –, sollen 500 Millionen Euro eingesetzt werden, ohne das Budget zu belasten. Die halbe Milliarde soll aus den Erträgen der Staatsbeteiligungen kommen. Der Verbund reagierte flugs auf des Kanzlers Anregung und wird für 2025 eine Sonderdividende in Höhe von 400 Millionen Euro ausschütten. Davon gehen 200 Millionen an die Republik Österreich, die – über ihre Beteiligungsholding ÖBAG – 51 Prozent am Verbund hält. Weitere 200 Millionen Euro liefert die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und 100 Millionen Euro die ÖBAG direkt aus ihren Erträgen.

Um die Wirtschaft mit einem Kracher so richtig in Schwung zu bringen, wird mehr staatliches Geld notwendig sein – nicht Millionen, sondern Milliarden. Großprojekte mit konjunktureller Wirkung wie etwa der weitere Bahnausbau sind teuer, ebenso nachhaltige Investitionen in die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, um Österreich zu jenem Innovationsstandort zu machen, von dem die Politik gern redet. Zur Finanzierung wird es nicht reichen, auf Sonderdividenden zurückzugreifen, sondern auf die Substanz: die staatlichen Anteile an den ÖBAG-Unternehmen.

Fraglich ist, ob die Regierung bereit ist, über das Thema auch nur zu reden. Die SPÖ lehnt Privatisierungen („Verschleuderung von Volksvermögen“, „Angriff auf Daseinsvorsorge“) ab. Die ÖVP ist ebenfalls staatsgläubig und will insbesondere ihre Macht im Energiesektor nicht verlieren. 

Schweigegebot

Wann hat es eigentlich zuletzt ein Spitzenpolitiker gewagt, von „Privatisierung“ zu sprechen? Zumal in der Wirtschaftspartei ÖVP?

Möglichkeiten für Privatisierungen gibt es zuhauf. Die Republik hält via ÖBAG 33 Prozent an den Casinos Austria, die (per 31. Dezember 2024) 649 Millionen Euro wert sind. Ein Staat sollte keinen Kasino- und Lotteriekonzern besitzen, sondern an Glücksspielsteuern verdienen.

Der 53-Prozent-Anteil der Republik an der Post ist eine Milliarde Euro wert. Wenn der Staat in Zukunft bloß 25 Prozent hält, wäre immer noch genug Einfluss in einem ohnehin stark regulierten Bereich garantiert.

Die Telekom Austria gehört mehrheitlich der mexikanischen América Móvil. Der Verkauf des ÖBAG-Anteils von 28,4 Prozent brächte 1,5 Milliarden Euro, wobei die Republik die technische Infrastruktur, also das Netz, behalten könnte.

Die BIG verwaltet Schulgebäude und Universitäten, hat über ihre Tochter ARE (Austrian Real Estate) aber auch Büro- und Wohnimmobilien im Portfolio. Der Verkehrswert der ARE-Immobilien macht 4,9 Milliarden Euro aus. Warum nicht einen Teil der 590 Liegenschaften der ARE verkaufen, zumal es nicht zu den staatlichen Aufgaben zählt, privaten Immobilien-Entwicklern Konkurrenz zu machen?

Der Wert des ÖBAG-Aktienpakets am Verbund beträgt 12,4 Milliarden Euro. Für einen Verkauf von Anteilen müssten Verfassungsgesetze geändert werden. Um den staatlichen Durchgriff in einem strategisch wichtigen Infrastruktur-Unternehmen bräuchte man sich nicht zu sorgen, da neben der Republik auch EVN, Wiener Stadtwerke und Tiwag am Verbund beteiligt sind und wie bei der Telekom die Netze im Staatsbesitz bleiben könnten. Dennoch wäre eine weitere Privatisierung bei Schlüsselbetrieben wie dem Verbund und der OMV, an der die ÖBAG 31,5 Prozent hält, politisch heikel.

Fraglich ist, ob die Regierung bereit ist, über das Thema auch nur zu reden. Die SPÖ lehnt Privatisierungen („Verschleuderung von Volksvermögen“, „Angriff auf Daseinsvorsorge“) prinzipiell ab. Die derzeitige ÖVP ist ebenfalls eine staatsgläubige Partei und will insbesondere ihre Macht im Energiesektor nicht verlieren. Bleiben die Neos, die als kleinster Koalitionspartner kaum wirtschaftsliberale Reformen durchsetzen können – und nicht immer den Eindruck erwecken, es überhaupt zu wollen.

Somit wird der Konjunktur nichts anderes übrig bleiben, als sich ohne staatliche Investitionen zu erholen. Und die Regierung muss sich damit begnügen, ihr dabei nicht zu schaden.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.