Satire

Rainer Nikowitz: Covidioten

Endlich tut die FPÖ wieder, was man von ihr erwarten darf: Sie ordnet sich lautstark und klug irgendwo zwischen Trump und Bolsonaro ein.

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Dr. Marius Radtke ist Zahnarzt in Berlin und Funktionär der AfD. Das ist an sich schon erstaunlich, für ein Medizinstudium sollte man fraglos zumindest ein gewisses Mindestmaß an Intelligenz nicht unterschreiten. Allerdings ist die Studienzeit von Herrn Radtke doch schon gute 40 Jahre her, vielleicht hat sich ja in der Zwischenzeit bei ihm etwas geändert, sei es durch Chemtrails oder durch 5G-Masten, man weiß ja längst, was der tiefe Staat da so alles an schändlichen Nummern abzieht. Ob dies allerdings als Erklärung für jenes Facebook-Posting ausreicht, das Radtke vergangene Woche absetzte? Er warf darin eine sehr interessante Frage auf: "Schützt AfD-Wählen vor Corona? Marzahn-Hellersdorf ist einer der am wenigsten betroffenen Bezirke. Grade hier ist die AfD besonders stark. Ein Zufall?"

Es handelt sich klarerweise um eine rhetorische Frage, denn die Antwort liegt ja auf der Hand: Natürlich ist das kein Zufall! Auch wenn die Datenbasis noch etwas schmal ist, können nach ersten -wie immer bei den Rechtsextremen extrem wissenschaftlichen - Untersuchungen die möglichen Gründe hiefür zumindest schon auf einige wenige eingegrenzt werden.

1. Nicht einmal ein Virus möchte bei der AfD anstreifen.

2. Social Distancing funktioniert beim durchschnittlichen AfD-Wähler besonders gut, weil er ja auch schon vor Corona den ganzen Tag im verbeulten Jogger vorm Fernseher gelegen ist.

3. Die AfD-Wähler haben sich den wie immer stabil genialen Ratschlag ihres amerikanischen Freundes, also des Oberhauptes der soziopathischen Internationale, zu Herzen genommen und sich massenweise Desinfektionsmittel in die Venen gejagt -sind also schlicht abgebankelt, bevor sie Corona bekommen konnten.

Letzteres ist möglicherweise gar nicht so abwegig, verzeichneten doch Vergiftungszentralen in den USA nach Trumps jüngstem Geistesblitz durchaus stärkeren Betrieb. Vermutlich hat er nur deshalb nachträglich versucht, diesen galoppierenden Wahnsinn in Sarkasmus umzudeuten, weil ihm einer seiner Berater mittels eines Kindergarten-Piktogramms klargemacht hat, dass er gerade darangeht, seine eigene Unterstützerbasis deutlich zu reduzieren.

Der FPÖ-Zugang lautet mittlerweile: 'Welches Virus?'

Dass niemand in Österreich Trumps Idee aufgegriffen hat, mag mancher vielleicht bedauern, aber es liegt sicherlich nicht zuletzt daran, dass Harald Vilimsky in der FPÖ leider nicht mehr so viel zu reden hat wie in der guten alten Zeit. Und angesichts des ganz offensichtlichen Fehlens von UV-Infusions-Expertise wird jetzt erst klar, wie schmerzlich groß die Lücke ist, die Stefan Petzner hinterlassen hat. Aber abgesehen davon muss man der FPÖ zugestehen, dass sie langsam wieder zu sich selbst findet. Weniger Norbert Hofer, der hat ja nichts Besseres zu tun, als die Partei in schweren Zeiten wie diesen mutwillig noch weiter zu verkleinern, indem er anständige Bürger aus der FPÖ schmeißt, nur weil sie zu Hitlers Geburtstag Fotos von Eiernockerln gepostet haben. Aber zum Glück gibt es ja noch Schattenobmann Herbert Kickl, der in gewohnter Konstruktivität seinen Beitrag zur Seuchenbekämpfung leistet - und die Website "coronawahnsinn.at" ins Leben gerufen hat. Und nein, damit meint er nicht sich selbst. Die Kurzfassung der Website lautet: Welches Virus?

In der Langfassung will die FPÖ einen "Schulterschluss mit dem Hausverstand" (weiß der das schon?). Dieser besteht im Wesentlichen darin, dass sämtliche Beschränkungen sofort aufgehoben werden müssen und es für alle Österreicher Geld regnen soll. Es könne nicht sein, assistierte Michael Schnedlitz seinem Herrn, dass "Leidtragende der Corona-Maßnahmen schlimmer behandelt werden als jeder Schwerverbrecher in diesem Land. Viele Bürger sind empört, dass gegen sie teilweise härter vorgegangen wird als gegen Drogendealer und Ähnliches an Bahnhöfen, die meistens nur auf freiem Fuß angezeigt werden." Man muss konzedieren: So viel Schwachsinn in einem einzigen Satz unterzubringen, ist selbst für einen FPÖ-Generalsekretär eine reife Leistung.

Die empörten Bürger versammeln sich ja auch schon. Am Wiener Albertinaplatz konnte man sie jüngst in freier Wildbahn studieren. Menschen, die genau wissen, dass es gar keine Viren gibt. Menschen, die genau wissen, dass man von jedweder Schutzimpfung zu einem völlig willenlosen Untertanen und nebenbei auch noch impotent wird. Menschen, die genau wissen, dass wahlweise der Chinese, der Amerikaner, der Jude oder Bill Gates das Virus hergestellt haben. Und: Martin Sellner, der charismatische Führer der "Identitären". Mit einem Wort: die Crème de la Crème der Mündigkeit. Für die will Mediensprecher Christian Hafenecker "die Meinungsfreiheit wiederherstellen". Und die Pressefreiheit im Übrigen auch. Unter anderem wahrscheinlich für mich. Danke, Herr Hafenecker. Wenn ich Bedarf habe, komme ich vorbei und läute Sie aus Ihrem Alu- Iglu raus.

Nein, die Begriffe "kritischer Bürger" und "Vollidiot" sind an sich keine Synonyme.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort