Kommentar

Schellhorns Audi A8: Sollen sie doch VW Polo fahren!

Die Debatte um den neuen Dienstwagen des Neos-Staatssekretärs ist scheinheilig. Sie lenkt von echtem Machtmissbrauch ab. Dennoch wird sich Schellhorn schon bald rechtfertigen müssen.

Drucken

Schriftgröße

Josef „Sepp“ Schellhorn hätte es ahnen können: Ausgerechnet der Staatssekretär für Deregulierung, der den aus seiner Sicht aufgeblähten Staatsapparat einst mit der Kettensäge zurechtstutzen wollte, gönnt sich einen Audi A8 in der Langversion als Dienstwagen.

Und schon hatte er, kaum 50 Tage im Amt, eine Debatte über Politiker-Privilegien am Hals. „Wie kann er nur?“, schrien Boulevardmedien, die Grünen und die FPÖ im Gleichklang. Der Plot war einfach zu gut: Während die Regierung die Bevölkerung auf ein Sparpaket vorbereitet, ordert ein Politiker einen Luxuswagen, der jede Bodenhaftung vermissen lässt. 

Doch man muss schon sehr in den Neidreflex verliebt sein, um darin einen echten Skandal zu sehen.

Dass sich die Parteien nach jedem Regierungswechsel jene Privilegien vorwerfen, die sie zuvor selbst in Anspruch genommen haben, zeigt nur, wie unreif die politische Debatte in diesem Land bisweilen ist.

Die Grünen, bis vor wenigen Monaten noch selbst Teil der Regierung, müssten es eigentlich besser wissen: Ein Dienstwagen ist für Ministerinnen und Staatssekretäre nicht bloß ein Statussymbol. Vor allem ist er ein Arbeitsplatz. Politiker dieses Rangs verbringen Stunden in ihren Autos: zwischen Terminen, am Telefon, mit Akten, oft gemeinsam mit Mitarbeitern – da wird der Wagen zum fahrenden Besprechungszimmer. 

Mag sein, dass das auch mit weniger Beinfreiheit möglich ist, nur: Wer will, dass Politikerinnen und Politiker ihre Arbeit ordentlich erledigen, muss ihnen ein gewisses Maß an Komfort zubilligen. Ein Dienstwagen gehört dazu.

Schließlich haben auch grüne Regierungsmitglieder nicht auf diesen angeblichen Luxus der Marken BMW und Audi verzichtet – und blaue schon gar nicht. Mit Ausnahme von Leonore Gewessler, die allerdings auf die Flotte des früheren Verkehrsministeriums zurückgreifen konnte. Dass sich die Parteien nach jedem Regierungswechsel jene Privilegien vorwerfen, die sie zuvor selbst in Anspruch genommen haben, zeigt nur, wie unreif die politische Debatte in diesem Land bisweilen ist. 

Unreif war auch die Reaktion der Neos, die zur Gegenwehr trotzig Videos von blauen Dienstwägen posteten – und die Leasingrate für den A8 damit rechtfertigten, dass sie billiger sei als für jenen A6, den Schellhorn zuvor aus dem Pool der Außenministeriums-Flotte in Verwendung hatte. Denn ja: Ministerien leisten sich meist mehrere Wägen für Dienstfahrten hochrangiger Beamter, teilweise auch für Aktentransfers. Was die Pinken lieber verschwiegen: Der Leasingvertrag für den A6 läuft weiter, trotz der Neuanschaffung des A8. Es wird also nicht billiger, sondern in Summe teurer. 

Was wäre so schlimm daran gewesen, einfach zum neuen Wagen zu stehen: Ein zusätzlicher Staatssekretär braucht ein zusätzliches Auto. So what?

Und ja, das darf auch etwas kosten. Was ist schon eine Leasingrate von 870 Euro im Vergleich zu den Abermilliarden, die in Förderungen mit fragwürdiger Treffsicherheit fließen?

Nun mag man einwenden, dass in Zeiten von Sparpaketen auch Politiker mit gutem Vorbild vorangehen sollten. Klar wäre es aus einer reinen Inszenierungslogik smarter von Schellhorn gewesen, er hätte einen VW Polo bestellt. Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt jedoch, dass die meisten Asketen unter den Spitzenpolitikern vor allem eines sind: populistische Blender.

Ex-Kanzler Werner Faymann ließ sich im Boulevard dafür feiern, dass er als Kanzler einen Billigschreibtisch um 600 Euro anschaffte – noch sparsamer wäre es gewesen, er hätte die Möbel seines Vorgängers verwendet, das hätte sich aber weniger gut verkaufen lassen. Sebastian Kurz war so auf sein Sparefroh-Image bedacht, dass er nur in äußersten Notfällen von der Economy- in die Business-Klasse upgradete. Einzelne Flüge in der Business-Klasse ließ er sich sogar von der ÖVP bezahlen, und nicht vom Kanzleramt, wohl damit die Premium-Sitzplätze nicht in parlamentarischen Anfragen aufschienen.

Auch wenn Kurz und Faymann – dem Anschein nach – bei sich selbst sparten, waren weder Faymann noch Kurz sparsame Kanzler. Stichwort: Inseraten-Millionen. 

Die Energie, die in die Empörung über Dienstwägen fließt, wäre anderswo besser aufgehoben: Dort, wo tatsächlich Macht missbraucht wird. Wo Steuergeld in Inserate fließt, um Berichterstattung zu beeinflussen. Wo öffentliche Aufträge Parteifreunden zugeschanzt werden. Wo mit Posten geschachert wird.

Josef Schellhorn muss sich früh genug rechtfertigen: Er muss zeigen, ob es sein Amt wirklich braucht, ob er im Stande ist, sinnvolle Einsparungsmöglichkeiten aufzuspüren. Für diesen Versuch sind ihm Büro und Auto zu gönnen.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.