Sparpaket: Doch, dieses Budget ist gerecht!
In seinem viel zitierten Vortrag „Politik als Beruf“ definiert Max Weber „zwei Arten von Todsünden auf dem Gebiet der Politik“: „Unsachlichkeit“ und „Verantwortungslosigkeit“. Beides kann man der aktuellen Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos nicht vorwerfen. Die nun präsentierte Budgetsanierung ist sachlich, weil die Maßnahmen nachvollziehbar und ausgewogen sind; und schon allein deswegen verantwortungsvoll, weil die Reparatur der Staatsfinanzen endlich angegangen wird. Dagegen kann man der ÖVP den Vorwurf nicht ersparen, in den vergangenen Jahren eine „unsachliche“ und „verantwortungslose“ Budgetpolitik betrieben zu haben.
Zweifellos könnte das Sparprogramm ambitionierter sein und mehr Reformen beinhalten, zumal sich eine Möglichkeit wie derzeit nur alle Jahrzehnte ergibt: Die nächsten Wahlen (zu den Landtagen in Tirol und Oberösterreich) finden erst in zwei Jahren statt, die Politik kann relativ unbeschwert werken. Dazu befindet sich die Regierung erst am Anfang der Legislaturperiode und damit in einer Phase, in der Reformen leichter fallen. Ein bisserl mehr wäre also gegangen. Aber: Bleibt Finanzminister Markus Marterbauer im Budgetvollzug so hart wie versprochen, kann die Sanierung gelingen. Das ist nicht nichts.
Der größte Widersacher der Regierung ist in dieser Situation nicht die FPÖ. Die Freiheitlichen nehmen sich mit ihrer immer derberen Aggro-Opposition auf Bundesebene selbst aus dem Spiel. Unter den freiheitlichen Abgeordneten gibt es anerkannte Budgetexperten wie den früheren Staatssekretär Hubert Fuchs und den Ex-ÖBB-Manager Arnold Schiefer. Deren konstruktive Kritik an Marterbauers Budget ging während der Debatte im Nationalrat in der Polemik von Klubobmann Herbert Kickl unter.
Staatsskeptiker
Am meisten Druck droht der Regierung von den Bürgern. Schon in normalen Zeiten ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik gering, vor allem im unteren Einkommensdrittel, wie der „Demokratiemonitor“ des Umfrageinstituts Foresight im Dezember 2024 zeigte. Diejenigen, die aufgrund ihrer materiellen Schlechterstellung am meisten vom Staat und dessen Sozialsystem abhängig sind, glauben am wenigsten, dass dieser Staat funktioniert.
Sie irren sich: Das jetzige Sparpaket ändert nichts daran, dass Österreich sich weiterhin eines der großzügigsten Sozialsysteme überhaupt leistet. Bis zur Regierungsbeteiligung bemühte sich allerdings gerade die SPÖ nach Kräften, Österreich als ein Land darzustellen, in dem Massenarmut herrscht. Nun sind es die Freiheitlichen, die dieses Zerrbild zeichnen.
Österreich gibt im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel Geld für Familienleistungen aus. Seit zwei Jahren werden diese Sozialtransfers sogar mit der Inflation erhöht. Die Valorisierung wird nun von der Regierung für die Jahre 2026 und 2027 ausgesetzt. Blaue und Boulevard machen daraus die Schlagzeile: „Familien sind Budget-Verlierer“. Wer solches lang genug von Politikern hört oder in Zeitungen und sozialen Medien liest, wird es glauben. Die Umfragedaten für die FPÖ dürften weiter steigen.
Verständnis für das Sparpaket werden die Bürger – vor allem jene der Mittelschicht – dann zeigen, wenn sie die Überzeugung gewinnen, dass die Lasten gerecht und nach Leistungsfähigkeit verteilt sind. Das ist der Fall: Pensionisten müssen höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Das letzte, flexible Drittel der kalten Progression, das bisher den untersten Einkommen zugutekam, wird nicht mehr ausgeschüttet. Selbst Sozialhilfeempfänger müssen einen kleinen Beitrag leisten. Für die Reichsten wird der befristete Spitzensteuersatz von 55 Prozent weiter verlängert, Privatstiftungen und bisher lukrative Immo-Deals werden teurer. Und die Mittelschicht? Ist ohnehin von der Mehrzahl der Maßnahmen betroffen.
Gerechtigkeit ist „eine mögliche, aber nicht notwendige Eigenschaft einer gesellschaftlichen Ordnung“, schrieb Hans Kelsen 1953. Hat der Staat genug Geld zum Verteilen, wird es weniger Gerechtigkeitsbedürfnis geben. Nun, in Zeiten knapper Kassen wird Gerechtigkeit zu einem Gefühl, das nicht verletzt werden sollte.
Zu befürchten ist, dass die Regierung angesichts des Widerstands etwas zögerlich wird. Dabei beginnt ihr Werk erst. Spar- und Reformmaßnahmen sind nicht nur in den kommenden zwei Jahren notwendig, sondern bis zum Ende der Legislaturperiode. Sie sind den Bürgerinnen und Bürgern zumutbar.