Gebühr für Staatsbürgerschaft: Abzocke zur Begrüßung

Die Republik vertreibt angehende Staatsbürger mittels Wucherpreisen. Das widerspricht den Prinzipien von ÖVP, SPÖ und Neos, nicht wahr?

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Keine Angst, in diesem Kommentar geht es nicht um die leidige Frage, wie man Ausländer am besten integriert; nicht darum, in welche Deutsch- und Wertekurse man sie stecken soll, welche Prüfungen sie danach erfolgreich ablegen müssen oder wie allfällige Fehlstunden zu ahnden sind. Nein, hier geht es um Ausländer, die über ein ausreichendes Einkommen verfügen, unbescholten sind, keinerlei anhängige Strafverfahren aufweisen, nicht einmal häufige Verwaltungsübertretungen, wohl aber eine bejahende Einstellung zur Republik Österreich; die keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen, die über Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung, der Geschichte Österreichs und auch ihres jeweiligen Bundeslandes verfügen und die keinerlei Nähe zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung zeigen.

Es geht also um Ausländer, die jede einzelne der vom Gesetzgeber verlangten Voraussetzungen erfüllen, um nach entsprechender Frist (zehn Jahre, aber auch diese Dauer zu hinterfragen verkneife ich mir hier) Staatsbürger unserer schönen Republik zu werden. Die österreichische Gesellschaft, Sie und ich und besonders auch die politisch Verantwortlichen, haben allen Grund, sich über diese neuen Mitglieder unseres Staates zu freuen.

Oder etwa nicht?

Begleiten wir einen fiktiven Ausländer, der sich entschlossen hat, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen, auf seinem allerletzten Schritt, dem Gang zur Staatsbürgerschaftsabteilung seiner Landesregierung. Dort erfährt er, dass er nach Beibringung aller Unterlagen bloß noch eine Gebühr zu entrichten hat. Deren Höhe nach der jüngsten Anhebung: 1448 Euro, dazu kommen noch Kosten für Antrag, Zusicherungsbescheid und allfällige Ausgaben für die Übersetzung und Beglaubigung von Dokumenten.

1448 Euro wofür?

Eine Gebühr ist laut Definition eine „Zahlung für spezifische Dienstleistungen von öffentlichen Einrichtungen“. Welche Dienstleistung erbringt die Behörde bei der Verleihung einer Staatsbürgerschaft – nachdem alle bürokratischen Schritte davor bereits bezahlt wurden?

Die österreichische Bürokratie verlangt von angehenden Staatsbürgern mehr als das 25-Fache dessen, was zum Beispiel die französische Bürokratie berechnet. 

Zum Vergleich: In Deutschland kostet derselbe Vorgang 255 Euro, in Frankreich sind es gar bloß 55 Euro. Anders ausgedrückt: Die österreichische Bürokratie verlangt von angehenden Staatsbürgern mehr als das 25-Fache dessen, was die französische Bürokratie berechnet. Auch im Vergleich mit anderen Dienstleistungen österreichischer Behörden ist die Gebühr für die Verleihung der Staatsbürgerschaft unerklärlich hoch. Wer am Standesamt heiratet, zahlt dafür weniger als ein Achtel der 1448 Euro, nämlich 170 Euro. Wer hat sich die Tarife ausgedacht? Ein Heiratsschwindler?

Die Republik sollte sich gut überlegen, mit welcher Botschaft sie Neuzugänge an ihrem Eingang empfängt. Derzeit lautet sie: „Sie können gern bleiben, wo Sie sind.“ Dabei ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Politik, Integration zu belohnen und gut integrierte Ausländer zu Staatsbürgern zu machen. Diese dienen weniger gut integrierten Ausländern im besten Fall als Vorbild, denn sie zeigen, wie weit man es als Zuwanderer in Österreich bringen kann.

Die derzeitige Regierung hat (mindestens) drei gute Gründe, den Wucher mit der Staatsbürgerschaft abzustellen.

Die ÖVP formuliert es in ihrem Parteiprogramm so: „Wir anerkennen den Beitrag von bereits zugewanderten Menschen für Österreich. Es geht nicht darum, woher jemand kommt, sondern darum, was jemand in und für Österreich zu leisten bereit ist.“ Die integrierten Zuwanderer nützen ganz Österreich, und als Staatsbürger sollen sie Mitverantwortung für unser Land tragen, richtig, ÖVP?

Die SPÖ braucht wohl nicht lange nachzudenken, um in ihrem Wertekanon auf den Grundsatz zu stoßen, dass die Zuerkennung eines so grundlegenden Rechts wie dem auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht auf so krasse Weise vom Vermögen einer Person abhängig sein darf, nicht wahr, SPÖ?

Die Neos wiederum müssen als Vertreter des Leistungsprinzips zum selben Ergebnis gelangen. Zudem kann es Liberalen nicht egal sein, wenn der Staat sein Monopol auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft zur Abzocke seiner Bürger missbraucht, stimmt’s, Neos?

Robert Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur