Überförderung: Wer nicht pendelt, ist selber schuld
Machen Sie sich einen Kamillentee, tropfen Sie sich Baldrian rein und atmen Sie ein paar Mal tief durch. Die folgenden Beispiele könnten Sie in Wallung bringen.
Während die Bundesregierung alle Gruppen auf ihren Sparkurs einschwört, die Inflationsanpassung von Familienleistungen aussetzt, die Sozialversicherungsbeiträge für Pensionisten erhöht, auch Engergiekonzernen, Banken und Glücksspielkonzernen einen Beitrag abringt, gibt es eine Gruppe, die verschont bleibt: die Pendler.
Wer sich in die Details der Pendler-Überförderung stürzt, versteht besser, wie dieses Land am fiskalischen Pannenstreifen landen konnte. Jetzt werden die Beträge auch noch deutlich erhöht. Da wäre zunächst einmal die sinnvolle Idee des Jobtickets. Ein Arbeitgeber zahlt seinen Angestellten eine Öffi-Jahreskarte und kann sich dafür einen steuermindernden Vorteil holen.
Doch das Jobticket schließt die Begünstigten nicht vom Pendlerpauschalen und dem Pendlereuro aus. Die Wirtschaftskammer rechnet es auf ihrer Webseite sogar ganz ungeniert vor: Wer vom Arbeitgeber ein Klimaticket bekommt und damit 60 Kilometer aufwärts pro Tag pendelt – also etwa von Amstetten nach Linz oder von St. Pölten nach Wien – der kann zusätzlich noch 921 Euro an Pauschale steuerlich geltend machen.
Wer noch eine Wohnung am Dienstort sucht, hat den Förderzirkus nicht verstanden.
Dazu kommt noch der Pendlereuro, bei einer Strecke von 60 Kilometern sind das 120 Euro jährlich – in Zukunft wird dieser Betrag verdreifacht, macht 360 Euro. Der Angestellte steigt mit einem Plus aus dem Zug, ohne noch eine Minute gearbeitet zu haben.
Und es wird noch besser: Beamte, die Anspruch auf das Pendlerpauschale haben, kriegen on top einen Fahrtkostenzuschuss vom Bund. Wenn ihnen die Öffis zumutbar sind, sie also folglich das kleine Pauschale beziehen, können sie bis zu 900 Euro im Jahr extra bekommen. Wer auf das Auto angewiesen ist, sogar über 1600 Euro. Noch einmal: zusätzlich zur Pauschale und zum Pendlereuro.
Ein einfaches Rechenbeispiel gefällig? Pendelnder Bundesbeamter, 60 Kilometer einfache Strecke, Öffis zumutbar ergibt: 2100 Euro Pauschale + 360 Euro (dreifacher Pendlereuro) + 900 Euro Zuschuss. Geht man von einem mittleren Beamtenverdienst aus, bringt das Pauschale eine Steuerersparnis von 840 Euro. In Summe wird der Zugpendler mit 2100 Euro unterstützt.
Nicht für die Arbeit. Für den Weg zur Arbeit.
Wer da noch eine Wohnung am Dienstort sucht, hat den Förderzirkus nicht verstanden. Die Devise lautet: Je weiter weg, desto besser. Dass das die Zersiedelung befördert, ökonomisch und ökologisch irrsinnig ist, versteht sich eigentlich von selbst.
Glück für die Beamten: Der Fahrtkostenzuschuss wird – anders als die Kinderbeihilfe – ganz automatisch valorisiert.
Die Pendlerzuschüsse sind voller Skurrilitäten: Wer in großen Städten wie Wien 30 bis 40 Minuten öffentlich in die Arbeit pendelt, geht leer aus, am Land gibt es bereits für lächerlich kurze Distanzen Zuschüsse. Das große Pendlerpauschale – das nur dann zusteht, wenn öffentliche Verkehrsmittel unzumutbar sind – gibt es bereits ab Wegstrecken von zwei Kilometern. Zwei! Eine Strecke, die wohl auch mit Fahrrad, Scooter oder zu Fuß zumutbar wäre.
Der IHS-Ökonom Benjamin Bittschi sagt über die Pendlerförderung völlig zurecht: „Vereinfacht und überspitzt gesagt bezahlt eine im städtischen Arbeiterviertel wohnende Putzfrau die Fahrt von Ärzten und Rechtsanwälten aus der Villa im Speckgürtel in die innerstädtische Arbeit, ohne für die erhöhten Wohnkosten im urbanen Raum entschädigt zu werden.“
Weil das Pauschale ein Steuerfreibetrag ist, werden Besserverdienende stärker entlastet.
Die Kosten: über eine halbe Milliarde Euro pro Jahr machen alleine Pendlerpauschale und -euro aus. In Zukunft wird es durch die Verdreifachung des Pendlereuros deutlich mehr sein. Die Fahrtkostenzuschüsse für die Beamten sind da noch gar nicht dabei.
Österreich fördert das Pendeln nicht. Es belohnt es geradezu exzessiv. Und trotz Sparbedarf wird diese Subventionsmaschinerie nicht nur nicht angetastet – sie wird ausgebaut.
Pendelnder Beamter müsste man sein. Dann wäre das Sparpaket ein Klacks.