DSN

Geheimdienst-Kommission: Wer überwacht die Wächter?

Die Zahl der antisemitischen Straftaten steigt stark an. Der Verfassungsschutz ist gefordert, überwacht wird er dabei bisher kaum. Das ändert sich nun – mit zweijähriger Verspätung.

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Es war ein Nationalfeiertag unter besonders schwierigen Bedingungen: Seit dem Angriff der Hamas auf Israel häufen sich auch in Österreich antisemitische Vorfälle. Die Terrorwarnstufe wurde auf die zweithöchste Stufe erhöht. Auch mit Blick auf den Terroranschlag von Wien, der sich am 2. November zum dritten Mal jährt.

Eine mittlere zweistellige Personenzahl im Land wäre prinzipiell bereit, einen Anschlag umzusetzen, sagt Österreichs oberster Verfassungsschützer, Omar Haijawi-Pirchner im profil-Interview und befürchtet eine „Triggerwirkung“ bei möglichen Einzeltätern. Diese Gefährder:innen zu kontrollieren, ist seit Dezember 2021 Aufgabe der von ihm geleiteten Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Die Behörde käme diesem Auftrag nach, sagt Haijawi-Pirchner.

Überprüfbar ist diese Aussage nicht. Aus Sicherheitsgründen verrät die DSN nicht einmal die Zahl ihrer besetzten Stellen, geschweige denn, wie eine Gefährder-Überwachung konkret abläuft. Eine unabhängige Kontrollkommission sollte daher laut Gesetz den Staatsschutz überwachen. Bloß: Die fünf Expert:innen sind auch fast zwei Jahre nach der Inkraftsetzung der DSN immer noch nicht im Amt. Wie profil erfuhr, ändert sich das aber am 21. November.

Polit-Posse um Posten

Ausgerechnet im sensibelsten aller Bereiche hatte sich Österreich in den vergangenen Jahren eine peinliche Polit-Posse erlaubt: Die DSN-Kontrollkommission sollte zunächst drei Mitglieder beinhalten und, um dem Anschein der politischen Färbung entgegenzuwirken, mit einer Zweidrittelmehrheit bestellt werden. Die fünf im Nationalrat vertretenen Parteien konnten sich jedoch monatelang nicht auf drei Namen einigen. Hinter vorgehaltener Hand wurden über die verschiedenen Kandidaten diverse Vorwürfe von Parteinähe bis zu inhaltlicher Unfähigkeit geäußert. Die gewünschte Unabhängigkeit der Kommission führte zum Stillstand der Verhandlungen. Der laufende ÖVP-U-Ausschuss verstärkte das Misstrauen zwischen ÖVP und Opposition im Sicherheitsbereich zusätzlich.

Unfassbar peinlich

Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper

war über den Kompromiss wenig erfreut.

Erst eineinhalb Jahre zu spät, am 7. Juli 2023, fand der Nationalrat eine Einigung: Aus drei Kommissions-Mitgliedern wurden fünf. Nicht zufällig deckt sich diese Zahl mit jener der im Parlament vertretenen Parteien. An der Eignung der Jurist:innen Reinhard Klaushofer, Monika Stempkowski, Theo Thanner, Christof Tschohl und Ingeborg Zerbes zweifelt dennoch kaum jemand. Nur für die FPÖ hat die Kommission einen „Misstrauensvorschuss“: Einen blauen Kandidaten hatten die anderen Parteien nach Rechtsextremismus-Vorwürfen verhindert.

Mit dem entsprechenden Beschluss des Nationalrats, der Anfang Juli gefasst wird, wird diese Kommission ihre wichtige Arbeit endlich aufnehmen können.

Grünen-Mandatar Georg Bürstmayr

hatte sich Ende Juni etwas zu früh gefreut.

Stillstand über dem Staatsschutz

Zum Arbeiten begonnen hat die Kommission dennoch nicht. Alle fünf Kandidat:innen wurden wochenlang einer genauen Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Immerhin werden die Jurist:innen in den nächsten zehn Jahren detaillierte Einblicke in den österreichischen Staatsschutz erhalten. Kurz nach Abschluss der Überprüfungen zog sich Christof Tschohl aus persönlichen Gründen zurück. Am 20. September fand der Nationalrat mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, Harald Perl, zwar einen Ersatz. Die geplante Angelobung in der zweiten Oktoberwoche musste aber dennoch verschoben werden – und die DSN blieb weiter ohne Kontrollkommission.

In einem Monat ändert sich das endlich. Am 21. November werden Klaushofer, Stempkowski, Thanner, Perl und Zerbes vom Bundespräsidenten angelobt, wie die Hofburg profil bestätigte. Für die nächsten zehn Jahre wachen sie dann über die Verfassungswächter.

Einen gut gesicherten Zwickeltag wünscht

Max Miller

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.