Uni-Absolventen können zukünftig kein eigenes Restaurant mehr eröffnen.
Morgenpost

Gewerbeordnung: Aus für Gastro-Akademiker

Für das Gastgewerbe reicht zukünftig der Studienabschluss nicht mehr als Befähigungsnachweis - das ist nur eine von vielen kuriosen Regelungen der Gewerbeordnung.

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Eines Vorweg: Falls Sie mit Ihrem Uni-Abschluss bereits Ihr eigenes Lokal eröffnet haben, müssen Sie nicht um Ihren Gewerbeschein bangen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kippte Ende Februar die bisherige Praxis, akademische Abschlüsse als generellen Befähigungsnachweis für die Gastronomie anzuerkennen: „Für ein derartiges undifferenziertes Abstellen auf jegliche Art von Universitätsabschluss (...) sieht der VfGH keine sachliche Rechtfertigung.” Wer einen Studienabschluss (Fachrichtung egal) vorweisen konnte, galt bei der Gewerbebehörde als fachlich befähigt, ein Gastgewerbe zu eröffnen. Bis jetzt. 

Wer sich den Traum erfüllen möchte, eine eigene Gaststätte zu eröffnen, muss eine Befähigung durch eine entsprechende Ausbildung nachweisen. Dazu zählen: der Abschluss einer der unzähligen Tourismusschulen (vormals umgangssprachlich: Knödelakademie), mehrjährige Berufspraxis oder, wie noch vor kurzem, ein beliebiger Studienabschluss. „Der Befähigungsnachweis dient dazu, einen gewissen Standard der Leistungen des Gewerbes sicherzustellen und zielt daher auf die Qualitätssicherung und einen gewissen Ausbildungsstandard der Gewerbetreibenden ab”, heißt es im Erkenntnis des VfGHs. 

Paragraphendschungel: Gewerbeordnung 

Neben dem Gastgewerbe zählt die Gewerbeordnung weitere 74 reglementierte Berufe wie Drucker, Uhrmacher, Unternehmensberater oder Reisebüros, umfasst ist ein Sammelsurium von Auflagen, das über Jahrzehnte angewachsen ist. Was für welches Gewerbe warum gilt, ist für viele heute nicht mehr nachvollziehbar. Beispielsweise sind Ofenbauer und Fliesenleger zwei gesondert reglementierte Berufe. Möchte ein Betrieb beide Leistungen erbringen, benötigt er zweierlei Gewerbeberechtigungen. Aber: Hat ein Ofenbauer eine Zusatzausbildung, darf er im Rahmen des Ofenbaus auch Fliesen verlegen. 

Orgel- und Geigenbauer müssen eine facheinschlägige Ausbildung vorweisen, wenn sie ihren eigenen Betrieb gründen möchten. Aber warum käme jemand auf die Idee, einen Orgelbaubetrieb ohne Orgelbaukenntnisse zu gründen? Für so manche Selbstständige klingt das Regelwerk nach einem Schildbürgerstreich, Ökonominnen und Ökonomen verorten verfehlte Wettbewerbspolitik.

Seit Jahren fordern Wirtschaftstreibende und Opposition eine Komplettreform der Gewerbeordnung. „Natürlich müssen die Arbeits- und Gesundheitsstandards eingehalten werden, dafür braucht es aber keinen Befähigungsnachweis. Österreich muss sich endlich eine moderne Gewerbeordnung geben”, sagt Wirtschaftssprecher Gerald Loacker (Neos). Die Regierung hätte durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs den Anlass Reformschritte einzuleiten.

Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut empfiehlt in ihrem Plan für Österreich 2025: „Die Zugangsregulierung der Gewerbeordnung sollte weiter liberalisiert werden. Alle nicht der notwendigen Qualitätssicherung dienenden Bestimmungen wären zu streichen.” Vor allem die Sektoren Gewerbe und Handwerk seien im europäischen Vergleich überreguliert. Letztlich behindere die Gewerbeordnung Unternehmensgründung. 

Vor allem das traditionelle Handwerk spricht sich hingegen für eine Beibehaltung der strengen gewerberechtlichen Vorschriften aus. Bundesinnungsmeister der Hafner (Kachelofenbauer) in der Wirtschaftskammer, Andreas Höller, verteidigt hingegen im profil-Gespräch die strengen Richtlinien: „Das Lehrling- und Meister-System hat sich bewährt.” Es gehe darum, Qualität und Mindeststandards für Konsumentinnen und Konsumenten sicherzustellen. Höller verweist auf Deutschland, wo im Zuge der Gewerbeöffnungen, auch der Fliesenleger-Beruf liberalisiert  wurde. In Folge, wären die Zahl der Lehrlingsausbildungen eingebrochen und die Massen an Baupfuschen würden noch immer Gerichte beschäftigen. 

Bewirten ohne Befähigungsnachweis

Das Büro des Wirtschaftsministers Martin Kocher (ÖVP) nimmt die Entscheidung des VfGH zur Kenntnis. Entsprechende Gesetzesänderungen werden vorbereitet. Ob es Bestrebungen gibt, die Gewerbeordnung völlig zu reformieren, lässt das Ministerium auf profil-Anfrage offen: „Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft wird im Austausch mit der gesetzlichen Interessensvertretung treten und die Konsequenzen des Erkenntnisses diskutieren.”

Zwar werden Akademikerinnen und Akademiker mit ihren Studienabschlüssen zukünftig keine Restaurants mehr eröffnen dürfen, aber gibt es noch ein Schlupfloch: Verkaufen Sie weniger als acht Schnitzel gleichzeitig, fallen Sie unter die „freien Gastgewerbe mit weniger als acht Verabreichungsplätzen”. Dafür benötigen Sie keinen Befähigungsnachweis - selbst mit oder ohne Studienabschluss. 

Kevin Yang

schreibt im Rahmen des 360° JournalistInnen-Traineeship für profil.