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Holzmafia in Rumänien: Der morgendliche Weckruf

Seit Jahrzehnten sind Waldrodung und illegale Holzgeschäfte inmitten großer Krisen eine Konstante in Rumänien. Nun fanden großangelegte Razzien statt.

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Es sind verwackelte Aufnahmen vom Morgengrauen des 28. September 2022. Rumänische Polizisten, die über einen Zaun klettern, mit Baumstämmen gepackte LKW-Anhänger, Bauholz, höher als der Lagerzaun gestapelt. Die Frage, der die Ermittler nach gehen: Wie viel von dem Holz ist illegal geschlägert?

Razzien im ganzen Land

Einem der größten mutmaßlichen Kriminalfälle im Zusammenhang mit illegal geschlagenem Holz wird derzeit von neun staatlichen Behörden in Rumänien nachgegangen. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchen landesweit 146 Firmensitze, Arbeitsplätze und Privatadressen. Fast das halbe Land ist betroffen. Der Verdacht: Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Veruntreuung – und illegales Abholzen von Bäumen aus dem Nationalen Waldfonds.

Besucht wurde auch ein Werk des österreichischen Egger-Konzerns. Die Behörden interessieren sich dem Unternehmen zufolge jedoch für Unterlagen zu Lieferanten. In Bezug auf die aktuellen Ermittlungen betont Egger auf Anfrage, dass es seitens der rumänischen Justiz weder Vorwürfe gegen das Tochterunternehmen Egger Romania S.R.L, noch gegen dessen Mitarbeiter gebe.

Das Social-Media-Team des rumänischen Innenministeriums informiert auf Facebook über die großangelegte Aktion: „Einige wurden von uns geweckt, andere, fleißiger, waren sogar schon bei der Arbeit.“ Der Post um 7:15 Uhr klingt wie aus einer Krimi-Komödie: „Nachdem wir die kriminelle Aktivität dokumentiert hatten, sind wir direkt eingestiegen, durch Türen, Tore, die offen waren oder die wir selbst geöffnet haben.“ Und zum Schluss: „Der Wetterbericht sagt, dass es heute klar sein wird. Genießen Sie den Sonnenschein! Manche Leute können es für eine Weile nicht mehr!“

Lesen Sie selbst: Die gemeinsame Recherche von profil, ORF und „Der Spiegel“.

Waldsterben – auf Rumänisch

In den vergangenen 30 Jahren, ungeachtet der Regierungs- und Wirtschaftskrisen Rumäniens, gab es eine Konstante: Der Holzdiebstahl.

Wälder werden nicht nur vom Klimawandel bedroht, sondern auch von Doppelgeschäften und vernichtenden Kettensägen. Die Rumänen müssen mit bloßem Auge zusehen, wie ihr Staatswald mit jedem Tag systematisch dezimiert wird.

"Alles für die Wälder"

... steht auf dem Plakat einer Frau bei einem der vielen Proteste gegen illegale Abholzung in den rumänischen Wäldern 2019.

Zwischen 2001 und 2021 hat Rumänien laut „Global Forest Watch“ 391 Kilohektar an Wälder verloren, was einem Verlust von 4,9 Prozent des Baumbestands seit 2000 entspricht. Die Region Suceava hatte mit 59,2kha den größten Verlust an Baumbestand zu verzeichnen. 

Rumänien verfügt über einige der ältesten Urwälder Europas. Auch dort, wo diese unter Naturschutz stehen, wird seit Jahren abgeholzt. Dies ist durchaus auch über die Landesgrenzen hinaus ein Problem. Gegen österreichische Holzunternehmen gab es bereits in der Vergangenheit schwere Vorwürfe.

Es würde nicht mehr wie früher, nahe der Grenze zu Ukraine, ganze Waldflächen gerodet, sondern „punktuell, ein bisschen hier, ein bisschen da", sagt Gabriel Păun von „Agent Green“ in einem TV-Beitrag.

Hoffnung auf Rettung des Urwalds

Es ist nicht das erste Mal, dass in Rumänien wegen illegaler Abholzung ermittelt wird, die Behörden schienen aber noch nie so gut organisiert zu sein wie jetzt. Bei den Durchsuchungen am Mittwoch beschlagnahmten die Staatsanwälte Buchhaltungsunterlagen, hohe Geldbeträge in Lei und Euro und illegal besessene Waffen und Munition. Noch ist das ganze Ausmaß des Schadens unbekannt. Als nächstes wollen die Ermittler die Wälder in der Region aufsuchen, um jeden illegal gefällten Baum zu zählen.

Laut Wetterberichten bleibt die Sonne am Wochenende aus. Genießen Sie es dennoch!

Elena Crisan

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.