Kasse auf Kur: Die geheime Kürzungsliste der ÖGK

Die Gesundheitskasse hat eine erste Liste an Einsparungen veröffentlicht. In internen Protokollen werden aber noch zahlreiche weitere Ideen gewälzt, was alles gestrichen werden könnte: Vom Krankengeld bis zum Fensterputzer.

Drucken

Schriftgröße

Österreich war in den vergangenen Jahren im Gesundheitsbereich äußerst spendabel: Ärztinnen und Ärzte ordneten dreimal so viele Magnetresonanztomografien (MRT) an wie in den einwohnermäßig doppelt so großen Niederlanden. Lange hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) dabei zugeschaut, doch angesichts von akutem Spardruck werden nun im Hauptquartier alle Ausgabenposten zur Disposition gestellt. 

Was die MRTs angeht, schickte die Kasse bereits im Jänner einen Bittbrief an alle Vertragsärzte. Sie mögen bitte nicht mehr so viele teure Untersuchungen verschreiben, andernfalls werde die Kasse von sich hören lassen. Der Schrieb endet mit dem Satz: „Danke für Ihre Mithilfe.“

Strengere Regeln, mehr Selbstbehalte

Dabei wird es die Kasse nicht belassen. Für MRTs wird eine Bewilligungspflicht kommen. Bekannt sind außerdem folgende Einschnitte: Für Krankentransporte und orthopädische Maßschuhe kommen Selbstbehalte, nicht notwendige Vitamin-D-Bluttests werden kostenpflichtig. 

Und auch bei Physiotherapien erhöht die ÖGK den Druck auf die Vertragsärzte. In einem Schrieb wird von den Medizinern eine „ökonomische Behandlungsweise“ eingemahnt. Was die Kasse damit meint und was das für Patienten heißt, können Sie im neuen profil lesen – es erscheint heute um 12 Uhr als E-Paper.

Das alles soll helfen, das für heuer prognostizierte Budgetloch von 900 Millionen Euro zumindest zum Teil zu verkleinern. 

Geheime Sparpläne

Doch was, wenn die Wirtschaftsflaute anhält und die Beitragszahlungen geringer ausfallen, als erwartet? Innerhalb der ÖGK kursiert ein File mit dutzenden Einsparungsvorschlägen. Teile davon dürften umgesetzt werden, zu anderen gibt es zwischen schwarzen Arbeitgebern und roten Arbeitnehmern keinen Konsens.

Eine Kürzungsidee, die vorerst nicht kommen dürfte, betrifft das Krankengeld. Der Plan lautet, die Höchstdauer von 78 auf 52 Wochen zu senken und damit zwei Millionen Euro zu sparen.

Pilotprojekte vor dem Aus?

Offenbar wäre Kassenführung auch bereit, sich mit den Landeshauptleuten anzulegen: Die „Nichtumsetzung der Pilotprojekte in Wien und NÖ zur Überbrückung nicht besetzbarer Kassenstellen“ könnte etwas über zwei Millionen Euro bringen. 

Im ÖGK-Zentrum Mariahilf sollte an sich die virtuelle Krankenbehandlung in einem Pilotversuch getestet werden. Das Projekt steht auf der Kürzungsliste, die Einsparungen würden 300.000 Euro betragen. 

Bei den Verhandlungen mit Ärzten und anderen Vertragspartnern verfolgt die Kasse heuer das Ziel, die Valorisierung möglichst auszusetzen. Von Nachverhandlungen mit Wiener Laboren erwartet sich die Kasse satte elf Millionen Euro. Jede Zeile des Files schreit: Die Leute sollen weniger Leistungen in Anspruch nehmen. Im ÖGK-Sprech heißt das: „Frequenzdämpfende Maßnahmen“. 

Die Ärztinnen und Ärzte sollen verstärkt Generika, also günstigere Nachahmer-Medikamente, verschreiben. Dafür will die Kasse ihre Rezeptsoftware so anpassen, dass den Medizinern beim Verschreiben eines Wirkstoffes das günstigste Medikament als Pop-Up am Bildschirm erscheint. Von der Pharmaindustrie erwartet sich die Kasse einen ordentlichen Solidarbeitrag.

Was wurde aus Sparen im System“?

Andere Einsparungsideen betreffen wiederum die Verwaltung – und zeigen, dass die Kasse nicht immer ganz sparsam mit den Geldern der Versicherten umgegangen ist: Für ÖGK-Angestellte mit vielen Dienstreisen sollen Klimatickets angeschafft werden. Einsparungspotenzial: 300.000 Euro. Der einfache Beitragszahler fragt sich, warum die Kasse erst jetzt auf diese Königsidee kommt.

Für die Strategieberatung durch einen externen Dienstleister berappt die Kasse heuer 600.000 Euro. 50.000 Euro davon ließen sich einsparen, ist dem Kürzungs-File zu entnehmen.

In dem Dokument werden mehrere Fragen aufgeworfen, zum Beispiel: „Wie viele Klausuren sind tatsächlich notwendig & in welcher Konstellation? Was kann durch Microsoft Teams abgelöst werden?“ Sparvolumen: 500.000 Euro. 

Angedacht sind auch Kürzungen bei Überstunden, beim Leasingpersonal und: „Strengere Vergabekriterien zur Inanspruchnahme von externen Moderationen für Teambegleitungen.“ 300.000 Euro wären hier zu holen.

Knapp drei Millionen Euro könnte die Kasse durch den Verkauf von fünf leerstehenden Grundstücken und Objekten erzielen – allerdings nur einmal.

Der Ernst der Lage lässt sich daran erkennen, dass die Kasse andenkt, „durch die Verschiebung nicht notwendiger Facilitiy-Maßnahmen wie der jährlichen Fensterreinigung“ in Summe 250.000 Euro einzusparen. Das wäre den Patienten im Zweifel sicher lieber, als weitere Leistungskürzungen.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.