Italien. Sommerloch trotz Neuwahlen.
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Österreich – lässig oder unzuverlässig?

Warum Sebastian Kurz bei der Bundespräsidenten-Wahl kandidieren könnte und wie Herbert Kickl das Sommerloch füllt.

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Erklärt Ihr Morgenpostler Fremden das österreichische Wesen, tut er das mit Hinweis auf die geografische Lage unseres Heimatlandes. So wie Österreich zwischen Deutschland und Italien liegt, seien auch die Österreicherinnen und Österreicher charakterlich zwischen Deutschen und Italienern einzuordnen. Im positiven Sinn bedeutet das: verlässlich wie die Deutschen, lässig wie die Italiener. Im negativen: verkrampft wie die Deutschen, unzuverlässig wie die Italiener. Wobei es auch lässige Deutsche (Helge Schneider) und weniger lässige Italiener (Al Bano) gibt.

Während die ersten deutschen Touristen ihren Urlaub wieder beenden, haben die Ferien in Italien mit Mariä Himmelfahrt erst so richtig begonnen. Dort nennen sie es „Ferragosto“. Alles steht, nichts bewegt sich. Das ganze Land fällt in ein gesamtstaatlich erwünschtes Sommerloch, trotz Krisen, Waldbränden und Neuwahlen am 25. September. Diesbezüglich sind wir Österreicher eher deutsch. Für ein Sommerloch ist bei uns kein Platz. Es verschwindet angesichts landes- und weltweiter Krisen. profil-Kollege Sebastian Hofer findet dies bedauerlich und analysiert in seinem Artikel „Lob des Sommerlochs“, wie „aus der Saure-Gurken-Zeit die Waldbrandsaison wurde“. Die Bedeutung von Löchern wird ohnehin grob unterschätzt. Dass an einem Sieb Löcher sogar die Hauptsache sind, wusste beispielsweise schon Joachim Ringelnatz.

Niente-dolce-far-niente

Zerstörer des heurigen Sommerlochs aus Journalistensicht ist einerseits Bundeskanzler Karl Nehammer, der krisenbedingt und sehr deutsch seinen Urlaub absagte. Zum anderen störten die Freiheitlichen das Dolce-far-niente in den Redaktionsstuben. Ruchbar wurde, dass ein FPÖ-Mann seine Wiener Parteifreunde anonym angezeigt hatte, die wiederum spekulierten, wer in der FPÖ noch davon wusste. Das klingt dann doch sehr italienisch – profil kennt die Hintergründe.

Berechtigten Tatendrang trotz Sommerzeit verspüren die Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswahl am 9. Oktober, denn seit einer Woche können die notwendigen Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Auf dem Stimmzettel werden sich nur Männer finden. An der von Männern geschriebenen Bundesverfassung liegt das nicht. Frauen können durchaus Staatsoberhaupt werden – sofern sie über 35 Jahre alt sind. Diese Schranke gilt allerdings auch für Männer. Unsere Verfassungsväter hielten ein gewisses Maß an Lebenserfahrung offenbar für geboten, um Staatsoberhaupt zu werden. Heutzutage wirkt dies überholt. Man bedenke: Sebastian Kurz wird am 27. August 35 Jahre alt und damit formal bundespräsidentschaftstauglich. Bundeskanzler wurde er bereits mit 31. Dass Kurz überraschend seine Bewerbung für das höchste Amt im Staat verkündet, ist aber auszuschließen. Das Sommerloch hätte er mit einem solchen Stunt endgültig zugeschüttet.

Was weibliche Staatsoberhäupter betrifft, liegt Österreich im Übrigen nicht zwischen Deutschland und Italien, sondern gleichauf. Weder in Rom noch Berlin und Bonn gab es bisher eine Präsidentin.

Löchern Sie mich nicht!

Gernot Bauer

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.