Warum die Umsetzung der EU-Energiewende-Richtlinie stockt
„Die RED III soll raschestmöglich und vollständig umgesetzt werden.“ So steht es im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos. Auf den ersten Blick liest sich das recht technisch. Letztlich bedeutet diese EU-Richtlinie aber nichts anderes als einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energie. In Österreich – und in ganz Europa. Bei der gesamteuropäischen Anstrengung gibt es aber ein Problem: bis 21. Mai 2025 hätten die allermeisten Maßnahmen, die diese Richtlinie vorgibt, in nationales Recht gegossen werden müssen. Vollumfänglich umgesetzt hat sie aber kein einziges EU-Mitgliedsland, schreibt ein Kommissionsbeamter auf profil-Nachfrage. Woran hapert es hier?
Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat und die EU mit Sanktionen antwortete, wurde schnell klar: im Energiesektor sind wir – Österreich aufgrund seiner historischen Russlandnähe ganz besonders, aber auch die Europäische Union insgesamt – von anderen Ländern und Weltregionen abhängig. Unabhängiger zu werden und selbst mehr Energie aus Erneuerbaren zu erzeugen, ist das wesentliche Ziel der Richtlinie.
In fünf Jahren soll der Anteil von erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch mindestens 42,5 Prozent ausmachen. 2023, als die Richtlinie beschlossen wurde, waren es bloß 24,5 Prozent. Österreich liegt zwar weit über dem EU-Schnitt, nämlich bei knapp 41 Prozent im Jahr 2023. Ausbauen muss Österreich für das gesamteuropäische Ziel dennoch, laut EU-Vorgabe soll Österreich seinen Anteil bis 2030 auf 57 Prozent steigern.
Schnellere Verfahren
Gelingen soll die beinahe Verdoppelung europaweit vor allem durch kürzere Genehmigungsverfahren großer Wind- oder Photovoltaikanlagen. Daneben umfasst die Richtlinie auch noch einzelne Sektorziele im Verkehr, für Gebäude und in der Industrie sowie Erleichterungen für Kundinnen und Kunden beim Abschließen von Energieverträgen. „Das ist ein bunter Strauß an verschiedenen Regelungen, die an Österreich und die Bundesländer adressiert sind“, sagt Florian Stangl, Experte für Energie- und Europarecht bei der Wiener Kanzlei Niederhuber und Partner Rechtsanwälte. Aber welchen Teil der Richtlinie hat Österreich nicht umgesetzt?
Eine zentrale Behörde würde Bürokratie abbauen und mehrere Schleifen für dasselbe Projekt reduzieren.
Die Umsetzung liegt vor allem in der Verantwortung der Bundesländer. Zum einen sollen sie dafür sorgen, dass Energievorhaben von einer zentralen Stelle abgewickelt werden. „Als Projektwerber brauche ich für die Baugenehmigung die Gemeinde, für den Naturschutz die Bezirkshauptmannschaft, für Elektrizitätswirtschaft die Landesregierung und bei jedem grundsätzlich einen eigenen Bescheid“, sagt Stangl. Eine zentrale Behörde pro Bundesland – angesiedelt beispielsweise beim Landeshauptmann – „würde Bürokratie abbauen und mehrere Schleifen für dasselbe Projekt reduzieren“, so der Experte. Diese „One-Stop-Shop“-Methode gibt es in Österreich übrigens schon. Zum Beispiel im Abfallwirtschaftsrecht. Wer einen Recyclingbetrieb errichten möchte, kann sich für das gesamte Verfahren bereits heute an nur eine Behörde richten.
Kein Beschleunigungsgebiet ausgewiesen
Säumig sind die Länder auch noch bei einem zweiten zentralen Punkt der Richtlinie: Sie sollen „besonders geeignete Gebiete“ für den Bau von Wind- oder Photovoltaikanlagen definieren und ausweisen. Und für diese Gebiete soll bereits vorab geprüft werden, welche Auswirkungen Anlagen auf die Natur und die Bevölkerung haben. Die vorgelagerte strategische Umweltprüfung für dieses definierte Gebiet – ein Modus, wie es ihn etwa auch im Straßenbau gibt – soll lange Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) bereits im Vorhinein verhindern. Ein Windpark könnte in solchen Vorrangzonen sehr viel schneller gebaut werden.
Es gibt aber Bundesländer, die mit Windrädern keine Freude haben. Zum Beispiel Kärnten. Dort wollte die FPÖ mithilfe einer Volksbefragung rechtfertigen, dass im gesamten Bundesland kein weiteres Windrad gebaut werden sollte. Ähnlich auch Oberösterreich: weitere oder leistungsstärkere Windräder soll es laut der Strategie des Landes nur dort geben, wo bereits welche stehen. Den Auftrag der RED-III-Richtlinie, Beschleunigungsgebiete auszuweisen, verstand man in Oberösterreich ganz anders: Das Land definierte großzügige Verbotszonen, Beschleunigungsgebiete sollen im ersten Halbjahr 2026 folgen. Für die Ausweisung dieser Gebiete haben die Mitgliedsstaaten aber allerspätestens bis 21. Februar 2026 Zeit. Oberösterreich wird das – wie bereits selbst angekündigt – zeitlich nicht schaffen. Und das ÖVP-FPÖ-geführte Bundesland ist damit in bester Gesellschaft, laut dem Erneuerbaren-Dachverband hat bislang kein einziges Bundesland Zonen ausgewiesen.
Was aber verspricht sich die EU von dieser Richtlinie? Um wie viel schneller kann es mit dem Ausbau gehen?
Ein Blick nach Salzburg. Dort hat die Genehmigungsphase für die Hochspannungsleitung „380-kV-Salzburgleitung“ exakt sechs Jahre und fünf Monate lang gedauert. Hinzukommen fünf Jahre Bauzeit. Kommende Woche soll sie dann im Rahmen eines Festaktes eröffnet werden. Fast zwei Jahrzehnte nach der ersten Planung, rund zehn Jahre nach dem ersten positiven UVP-Bescheid. „Die APG (der österreichische Übertragungsnetzbetreiber; Anm.) hat grob errechnet, dass – wenn es Beschleunigungsgebiete für Netze gegeben hätte – das Vorhaben drei Jahre schneller gegangen wäre“, sagt Stangl.
Weniger Bürokratie, günstigerer Strom und eine bessere Versorgungssicherheit sind nur einige Versprechen, die mit der Umsetzung der RED-III-Richtlinie einhergehen. Im ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium sieht man vor allem die Bundesländer in der Pflicht und rühmt sich mit Maßnahmen der türkis-grünen Vorgängerregierung: „Die Erfassung von Gebietspotentialen hat Österreich einerseits im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) umgesetzt und andererseits bereits mit dem Integrierten Netzinfrastrukturentwicklungsplan (‚ÖNIP') vorgenommen“, schreibt eine Sprecherin des Ministeriums. Wann die RED-III-Richtlinie vollständig umgesetzt wird, blieb unbeantwortet. Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), das zentrale Maßnahmen der EU-Richtlinie beinhalten soll, „befindet sich aktuell in Ausarbeitung, wir gehen davon aus, die regierungsinterne Koordinierung demnächst einleiten zu können.“