SOS-Kinderdorf Moosburg: Wer blieb untätig?
2020 wurde der Dorfleiter des SOS-Kinderdorf Moosburgs in Kärnten angezeigt, daraufhin wurde die neue Geschäftsleitung Heidi Fuchs tätig. „Es gab dann Meldungen und Anzeigen”, erzählt „Falter”-Journalist Jürgen Klatzer im Podcast „Thema des Tages” der Tageszeitung „Der Standard”. Fuchs gab die Studie in Auftrag, die nun öffentlich wurde. Soweit die Chronologie. Sie spricht gegenüber profil davon, „alles in meiner Macht stehende getan” zu haben, um entsprechende Stellen zu informieren und aktiv zu werden.
Die Studie legt heftige Verfehlungen im SOS-Kinderdorf Moosburg in Kärnten offen. Laut der „Falter”-Recherche wurde sie 2021 intern präsentiert „und verschwand dann”.
Laut Sara Schaar, der Kärntner Referentin der Kinder- und Jugendschutzabteilung des Landes, seien die Vorwürfe 2020 umfassend geprüft worden. Gegenüber dem ORF Kärnten sprach sie davon, dass es eine Kommission gab und die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden. Dem sollen Maßnahmen und Veränderung gefolgt sein.
SOS-Kinderdorf sprach in einer Aussendung zur Berichterstattung davon, sich von den erwähnten Führungskräften in Moosburg getrennt zu haben und die Vorwürfe mit externer Hilfe umfassend aufgearbeitet zu haben. Einige Betroffene hätten bei SOS-Kinderdorf ein Opferschutz-Verfahren durchlaufen und Entschädigungszahlungen sowie Therapie-Finanzierung zuerkannt bekommen. Man könne das Vergangene nicht ungeschehen machen, versuche aber zumindest eine Geste der Wiedergutmachung zu setzen.
Warum ist die Studie nicht öffentlich?
Für Hedwig Wölfl, fachliche Leitung der Kinderschutzstelle Möwe ist nachvollziehbar, warum diese Studie nicht medial publiziert wurde: „Es geht um den Schutz der Opfer und ihrer Persönlichkeitsrechte”. Gleichzeitig fordert sie Transparenz von SOS-Kinderdorf: „An sich wäre es gut, eine Folgestudie dazu zu haben, welche Maßnahmen ergriffen wurden, und wie sie umgesetzt wurden.“ Laut Schaar werden die Maßnahmen von der Jugendhilfeanwältin Astrid Liebhauser überprüft.
Die rechtliche Lage
Kinderrechte sind klar geregelt: Liegt ein „begründeter Verdacht” auf Misshandlung und Vernachlässigung oder Missbrauch vor, müssen Gerichte, Betreuungseinrichtungen und private Träger die Kinder- und Jugendhilfe informieren.
In Moosburg ist das nicht rechtzeitig passiert. Wer dafür die Verantwortung trägt, gilt es zu klären: Bei SOS-Kinderdorf gibt es die Möglichkeit, das Geschehene aufzuarbeiten – geschwiegen wurde bis jetzt zur Ausarbeitung von seitens des Land Kärntens.
Politische Verantwortung
Die Grünen sehen in einer Aussendung auch die Kärntner Landesregierung in der Pflicht. Es brauche umfassende Aufklärung und Aufarbeitung der Vorwürfe und auch die „Versäumnisse der Kärntner Behörden”. Auch die FPÖ sieht das Land Kärnten in der Verantwortung, spätestens ab 2020 soll die Kärntner Kinder- und Jugendhilfe in die Aufarbeitung eingebunden gewesen sein. Von SPÖ, ÖVP und Neos gab es bisher keine Stellungnahmen.
Ein Teil der damaligen Belegschaft dürfte in staatlichen Kindergärten arbeiten. Somit sollte sich auch das Land Kärnten um eine Aufarbeitung bemühen.
Gegenüber profil betont SOS-Kinderdorf-Sprecher Thomas Humm, dass SOS-Kinderdorf selbstverständlich von der gesetzlichen Meldepflicht umfasst sei. „Wir sehen, dass wir in der Vergangenheit transparenter mit den zentralen Erkenntnissen hätten umgehen müssen, ohne die gesamte Studie zu veröffentlichen.” Zukünftig wolle man das ändern und gleichzeitig den Schutz der Betroffenen gewährleisten.
Dass sich SOS-Kinderdorf öffentlich entschuldigt hat, begrüßt Wölfl. Sie warnt aber davor, das Leid der Betroffenen zu einer „sensationsgeilen Vorführung“ zu machen. Institutionelle Gewalt und ihr Entstehen aufzuzeigen, begrüßt sie, diese entsteht dort, wo geschlossene Systeme und falsche Autoritätsausübung bestehen: „Dann sind es die Bedingungen, die Gewalt ermöglichen.“ Die aktuelle, personenbezogene Berichterstattung verunsichere und setze zudem die Jugendlichen in Moosburg unter Druck, deren Wohnort nun gefilmt und fotografiert werde.
Allerdings sagt Wölfl auch: „Was bei Aufarbeitung im Kinderschutz nicht sein soll, das ist Vergeheimnisung. Und es ist aber ein Unterschied, etwas in den Medien zu veröffentlichen, oder mit Verantwortlichen und Versorgern transparent zu sprechen – und alle Maßnahmen zu setzen, um institutionelle Gewalt zu verhindern“, so Wölfl. SOS-Kinderdorf habe zu spät reagiert, aber sei dann selbst aktiv geworden.
Was nützen Kinderschutzgesetze, wenn ein Zuwiderhandeln von der Staatsanwaltschaft nicht engagiert verfolgt wird? Der Fall soll auf Anordnung der OStA Graz nochmal aufgerollt werden - diesmal ist die StA Klagenfurt allerdings berichtspflichtig.