Noa Kirel trat 2023 für Israel beim Song Contest an
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Streit um ESC-Lied: Soll Israel am Song Contest teilnehmen?

Israels Teilnahme am Eurovision Song Contest ist umstritten. Während viele zu einem Boykott des ESC aufrufen, erwägt Israel selbst, seine Teilnahme zurückzuziehen.

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Jedes Jahr im Frühling, wenn die Teilnahme-Länder nach und nach ihre Kandidat:innen vorstellen, wird wieder eine Diskussion laut: Wie politisch darf, wie unpolitisch muss der Eurovision Song Contest sein? Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der Gewalteskalation zwischen Israel und Gaza ist es ungleich schwierig geworden, das Großgesangsevent in einem erzwungenen unpolitischen Vakuum stattfinden zu lassen. 

Mehr als tausend schwedische Künstler:innen haben einen offenen Brief unterschrieben, der den Ausschluss Israels vom Wettbewerb fordert; der britische Song-Contest-Kandidat Olly Alexander hat ein Solidaritätsstatement für Palästinenser:innen unterzeichnet, auch in Island haben sich Künstler:innen zusammengefunden und vom isländischen Rundfunk gefordert, nicht teilzunehmen, solange Israel nicht vom Bewerb ausgeschlossen werde. Beim isländischen Vorentscheid unterbrachen Boykottbefürworter:innen, die T-Shirts mit der Aufschrift „Boykott Israel” trugen, die Fernsehübertragung, und in den sozialen Medien finden sich zahlreiche, vielfach geteilte Boykottaufrufe. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) hat einen Ausschluss Israels indes bereits abgelehnt: „Die EBU setzt sich dafür ein, dass der Eurovision Song Contest eine unpolitische Veranstaltung bleibt, die das Publikum weltweit durch die Musik vereint“, heißt es in einem Statement der Organisator:innen. 

Boykottbefürworter:innen meinen nun, dass die EBU mit zweierlei Maß misst: Russland ist seit dem Angriff auf die Ukraine ebenso suspendiert wie Belarus, das 2021 einen Beitrag einreichte, der sich gegen die regimekritischen Demonstrant:innen richtete. Die EBU wiederum wehrt sich gegen diesen Vergleich: Eine Teilnahme Russlands würde den Wettbewerb angesichts der beispiellosen Krise in der Ukraine in Verruf bringen. 

Die EBU könnte den israelischen Beitrag allerdings aus formalen Gründen dennoch disqualifizieren. Der Grund: Der Text sei zu politisch, und politische Botschaften sind in ESC-Songs grundsätzlich nicht erlaubt. „No lyrics, speeches, gestures of a political or similar nature shall be permitted during the Eurovision Song Contest“, heißt es dazu in den Regeln. 

Freilich wurde das in der Vergangenheit immer wieder elegant umgangen oder nur lasch exerziert: Man denke an Nicoles „Ein bisschen Frieden“ oder den Sieg der ukrainischen Band „Kalush Orchestra“ vor zwei Jahren, die ihren Song „Stefania“ zur „Hymne des Sieges“ erklärte. 

Der diesjährige israelische Beitrag (Titel: „October Rain“) behandelt ganz offensichtlich den Angriff der Hamas auf israelische Siedlungen am 7. Oktober. Darin singt Eden Golan: „Those that write history / Stand with me“ und „Someone stole the moon tonight / Took my light“. Die EBU prüft nun, ob diese Zeilen und vor allem der Titel zu explizit politisch sind – auch weil der Begriff „flowers“ vorkommt, mit dem Israel gefallene Soldaten bezeichnet. Wenn der Song disqualifiziert wird, dann wolle man die Teilnahme am Song Contest absagen und auch keinen Ersatz-Titel nominieren, so der israelische Fernsehsender „Kan“ noch vergangene Woche. Am Sonntag hieß es dann, der Text des Liedes werde überarbeitet. 

Kaleen tritt für Österreich beim ESC in Malmö an

Ganz sicher nicht politisch ist der österreichische Beitrag. Ein Gutteil des Dance-Pop-Songs „We Will Rave“, den man seit vergangenen Freitag anhören kann, besteht aus der Zeile „We ram-di-dam-dam-dam“, vorgetragen von der 29-jährigen Sängerin Kaleen. ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz teaserte eine „extreme Tanzperformance“ an: „Das kann außer Kaleen nur Helene Fischer“. 

Sollte Israel am Songcontest teilnehmen, dann ist es jedenfalls eine scharfe Kurve von einer „extremen“ Helene-Fischer-Tanzshow zu „October Rain“, die der Eurovision Song Contest nehmen muss.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.