Morgenpost

Wenn der Sieger zum Verlierer wird

Was die Kärnten-Wahl für das Land bedeutet. Profil forscht nach.

Drucken

Schriftgröße

Liebe Leserinnen und Leser,

ich möchte mich höflichst bei Ihnen vorstellen: Mein Name ist Anna Thalhammer, und ich habe die Ehre, als erste Frau die Profil-Chefredaktion zu leiten. Die erste Ausgabe unter meiner Ägide erscheint passenderweise in jener Woche, in der auch der internationale Frauentag am 8. März zelebriert wird. Ich muss zugeben, es erfüllt mich mit Stolz, Demut – und auch Hoffnung, dass es bald genauso viele Frauen wie Männer auf Führungsebene in bisher eher männerdominierten Branchen geben wird.

Ich brenne für den Journalismus, genauso wie alle meine Kolleginnen und Kollegen hier bei profil. Dieser Redaktion ist es mehr als nur ein Anliegen, Sie auf dem Laufenden zu halten: qualitativ hochwertig und aktuell. Darum hat sich die profil-Redaktion gestern, Sonntag, versammelt, um für Sie die Landtagswahl in Kärnten in gewohnter Kompetenz einzuordnen. Iris Bonavida setzte sich in den Zug, um die Stimmung vor Ort einzufangen. Bei der Analyse der Ereignisse half Meinungsforscher Peter Hajek, der zu Philip Dulle in den Podcast kam.

Ja zugegeben, Kärnten ist nicht das größte aller Bundesländer: 430.000 Wahlberechtigte sind nicht die Welt, aber für Österreich in der gesamtpolitischen Betrachtung durchaus bedeutend. Am Sonntag gab es einige Überraschungen, mit denen die Meinungsforschung so im Vorfeld nicht gerechnet hatte.

Die SPÖ gewann zwar wie erwartet die Wahl, war aber trotzdem der große Verlierer – alle anderen Parteien konnten zulegen. Knapp 10 Prozentpunkte büßte die Sozialdemokratie ein und bleibt damit unter 40 Prozent. Das ist für den Landeshauptmann Peter Kaiser gefährlich, weil das Raum für Koalitionen gegen ihn aufmacht. Und auch für die SPÖ-Bundeschefin Pamela Rendi-Wagner wird es weiterhin enger – die Führungsdebatte wird sich nach diesem Ergebnis wohl noch deutlich zuspitzen. Zu viele Wählerinnen und Wähler nannten die Bundespolitik als Wahlmotiv, um es ignorieren zu können. Außerdem wird Rendi-Wagners Konkurrenz größer: Hans Peter Doskozil drängt in den Bund. Ein Interview mit ihm lesen Sie im neuen profil. 

Die FPÖ-Kärnten verteidigt solide Platz zwei – kann aber dennoch nicht ganz zufrieden sein. Die Geschichte zeigt: für rechte Politik gibt es in Kärnten prinzipiell einen fruchtbaren Boden. Man hat sich in diesem Wahlkampf wieder einmal auf die Slowenen-Frage gestürzt. Die Zeit dafür ist aber schon lange vorbei, das Thema emotionalisiert kaum noch wie Edith Meinhart im Interview mit dem Volksgruppenvertreter Marjan Sturm diskutiert. Dazu kommt: Gerhard Köfer zog mit seinem Team Kärnten viele potenzielle FPÖ-Stimmen an sich. Er fungierte als eine Art „Schwamm der Unzufriedenen“.

Eva Linsinger reflektiert die Konsequenzen für SPÖ und FPÖ auf Bundesebene.

Kaisers kleiner Koalitionspartner ÖVP konnte dafür nach einer Serie an Niederlagen einen überraschenden Mini-Erfolg einfahren. Die Schwarzen legten etwas zu, was laut Wahlmotivforschung vor allem dem Spitzenkandidaten Martin Gruber zuzuordnen ist. Das hilft auch dem angeschlagenen ÖVP-Bundeschef Karl Nehammer. Seit der niederschmetternden Niederösterreichwahl wird parteiintern massiv an seiner Kompetenz gezweifelt – nicht wenige weinen Ex-Kanzler Sebastian Kurz nun doch wieder viele Tränen hinterher. Nehammer hat diese Woche übrigens auch einen großen Tag vor sich: Am Freitag hält er seine Grundsatzrede, um seiner Partei und Wählerschaft zu erläutern, wofür er ideologisch steht. Damit hielt er bisher eher hinterm Berg.

Gernot Bauer widmet sich dem Freud und Leid der Bundesregierung nach dieser Wahl. Lena Leibetseder analysiert das Debakel für Neos und Grüne – der Einzug in den Landtag gelang wieder nicht.

Ihnen wünsche ich allerdings gutes Gelingen, einen schönen Wochenstart – und bleiben Sie uns als kritische Leserinnen und Leser erhalten.

Ihre

Anna Thalhammer

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.