Wiener Gemeindebau: Klimaanlage nur auf Rezept
Haben Sie eigentlich eine Klimaanlage? Gut, die heißesten Sommertage sind hoffentlich vorbei. Aber wenn Sie in einer größeren Stadt in einem Wohnhaus ohne viel Grün vor der Tür wohnen, womöglich auch noch im Dachgeschoß, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in den vergangenen Jahren eine Klimaanlage gekauft haben, recht hoch. Oder dass Sie sich zumindest einmal informiert haben.
Der Verkauf von Klimaanlagen ist regelrecht explodiert. Kühlgeräte waren immer wieder vergriffen und die Wartezeit für Montage und Lieferung dauerte mancherorts wochenlang. Laut Statistik Austria hat sich die Zahl der Klimaanlagen in Österreich seit 2020 verdoppelt. Wurden vor fünf Jahren noch 210.000 Geräte verkauft, waren es im Vorjahr 415.000. Kein Wunder. Wegen des Klimawandels werden die Hitzetage und Tropennächte mehr. Das Kühlhalten von Räumen ist vor allem in der Stadt eine Herausforderung.
Wo sehr wenig Kühlgeräte montiert wurden, ist im Wiener Gemeindebau. Dort wurde nur eine von sieben beantragten Klimaanlagen genehmigt. Konkret gab es in den vergangenen fünf Jahren 700 Anfragen für die Genehmigung einer Klimaanlage. Erlaubt hat Wiener Wohnen aber lediglich die Montage von 100 Klimaanlagen. Wiener Wohnen ist für die Verwaltung und Vermietung der 220.000 Gemeindewohnungen in den 1.800 Gemeindebauten der Sadt Wien zuständig.
In der Praxis bekommen nur Mieter und Mieterinnen eine Klimaanlage, die körperlich massiv eingeschränkt sind oder einen hohen Pflegebedarf haben. Kühlung nur auf Rezept also. „Wiener Wohnen prüft, ob der Einbau aus gesundheitlichen Gründen besonders erforderlich ist“, antwortet eine Sprecherin von Wiener Wohnen auf profil-Nachfrage. „Dann ist eine Installation möglich, davon abgesehen wird in der flächendeckenden Installation von Klimaanlagen aber kein nachhaltiger Umgang mit sommerlicher Überhitzung gesehen.“
Umgekehrt heißt das aber auch, dass Mieterinnen und Mieter, die gesundheitlich oder altersbedingt nicht massiv eingeschränkt sind, keine Chance auf eine Klimaanlage haben. Um die Gebäude an heißen Sommertagen nachhaltig kühler zu halten, setzte man auf thermische Sanierungen, Beschattung und andere Kühlmaßnahmen, beteuert Wiener Wohnen. So sollen bei laufenden Gemeindebausanierungs-Projekten insgesamt 100.000 Außenjalousien verbaut werden. Auch Begrünungsprojekte in der ganzen Stadt sollen für kühlere Tage und Nächte sorgen.
Klimaanlagen verbrauchen viel Energie, die gerade wieder teurer wird. Sie sind klimaschädlich und tatsächlich nicht die nachhaltigste Lösung gegen die Erderwärmung. Aber der Kühlbedarf in Österreichs Städten steigt. Ein Forscherteam der Universität für Bodenkultur (BOKU) hat im Auftrag des Energieministeriums vorgerechnet, dass die Anzahl der Tage, an denen Kühlbedarf besteht, bis 2050 um 40 Prozent steigen werden. Und weiter: Der Kühlbedarf wird in Wien und Umgebung, dem Burgenland und entlang des Donautales in den kommenden Jahren am stärksten steigen, schreiben die Forscherinnen und Forscher in ihrem Bericht.
Ob da Außenjalousien reichen? Mal sehen.
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