Karl Öllinger und Andreas Mölzer

Akademikerball: Karl Öllinger und Andreas Mölzer im Streitgespräch

Der freiheitliche Akademikerball polarisiert seit Jahren. Der Demonstrant und Grün-Politiker Karl Öllinger und der Ballgast und FPÖ-Politiker Andreas Mölzer im Streitgespräch über Antisemiten, Randalierer und Strippenzieher.

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INTERVIEW: JAKOB WINTER

profil: Das linksradikale Antiball-Bündnis "NOWKR“ hat sich vergangenes Jahr aufgelöst. Warum demonstrieren Sie trotzdem noch, Herr Öllinger? Öllinger: Auf dem Ball in der Hofburg treffen sich Rechtsextreme - nicht nur, aber auch - aus allen europäischen Ländern. Und das an einem der repräsentativsten Orte der Republik. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Außerdem spielt die enge Verbindung der Strache-FPÖ mit den Burschenschaftern, die Hauptveranstalter des Balles sind, eine wichtige Rolle. Aus den Korporationen rekrutiert die FPÖ einen großen Teil ihrer Funktionsträger. Mölzer: Mehr als in der Haider-FPÖ, das stimmt. Und ich finde das gut.

profil: Herr Öllinger, was macht die Burschenschaften aus Ihrer Sicht zum Problem? Öllinger: Die Burschenschaften waren in Österreich immer, mit ganz wenigen Ausnahmen, mit dem Rechtsextremismus verbandelt. In den 1990er-Jahren hat sich die VAPO aus Burschenschaftern rekrutiert, der Gottfried Küssel ... Mölzer: Also der Küssel und diese Leute haben mit uns wirklich nichts zu tun. Öllinger: Freilich! Mölzer: Es kann sein, dass die auf irgendwelchen Verbindungshäusern einmal ein Bier getrunken haben. Aber diese Leute waren uns zu proletarisch, lieber Herr Öllinger. Öllinger: Aus dem Jahr 2006 gibt’s schöne Bilder aus Braunau am Inn, wo Burschenschafter posieren, darunter auch blaue Nationalratsabgeordnete, und mittendrin der Küssel. Mölzer: Nachdem Sie sehr kundig in der Szene sind, wissen Sie, dass die Burschenschaften fast schon spießbürgerlich bieder sind. Und die werden aufgeblasen zu einem großen rechtsextremistischen Zombie. Mir kommt vor, die Linken sind froh, dass sie noch irgendwo Randale und Revolution spielen können. Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass diese Demo längst Folklore ist? Öllinger: Ich bin jederzeit dazu bereit, das zu überprüfen. Aber: Von 120 Burschenschaften, die den Verband deutscher Burschenschaften bilden, sind in den vergangenen drei Jahren 40 ausgetreten, weil der Dachverband eine rechtsextreme Partie ist. Die österreichischen Burschenschaften spielen darin eine absolut problematische Rolle, weil sie am äußersten rechten Rand stehen. Die waren immer deutscher als die Deutschen. Mölzer: Das kann schon sein. Öllinger: Ich hätte es ja selbst nicht für möglich gehalten, aber da gibt es Leute, die erzählen von Burschenschaftsbuden, wo "Heil Hitler“ aus dem Fenster gerufen wird. Mölzer: Herr Öllinger, wenn das so wäre, dann müssen Sie das auch anzeigen. Lassen Sie den Rechtsstaat arbeiten! Öllinger: Ich war ja nicht dabei, das erzählen mir ausgetretene Mitglieder und Anrainer. Mölzer: Sie sind da schon ein bisschen obsessiv. Öllinger: Diese Obsession behalte ich mir gerne.

profil: Udo Guggenbichler, FPÖ-Gemeinderat in Wien und nunmehr Organisator des Balles, distanzierte sich 2015 in einer Presseaussendung namens der schlagenden Burschenschaften vom Antisemitismus. Beruhigt Sie das nicht, Herr Öllinger? Öllinger: Nein, das beruhigt mich nicht, weil das der Herr Guggenbichler alleine gemacht hat.

profil: Das Corps Vandalia, dem Sie, Herr Mölzer, angehören, würde diese Distanzierung unterschreiben? Mölzer: Doch, doch. Öllinger: Das Corps Vandalia vielleicht schon - aber die Burschenschaften sind das Wesentliche. Die Burschenschaft Teutonia verteilte vor ein paar Jahren ein antisemitisches Flugblatt gegen Ariel Muzikant (ehemaliger Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Anm.) mit aber so was von eindeutigen antisemitischen Anspielungen. Antisemitismus ist in Burschenschaften nach wie vor verankert. Mölzer: Im 19. Jahrhundert gab es starke antisemitische Bewegungen, quer über alle Parteigrenzen hinweg, sogar in der Sozialdemokratie - von den Christlichsozialen rede ich gar nicht - und auch im deutschnational-freiheitlichen Lager. Es gibt diese Traditionen. Aber sie sind formal bei den Wiedergründungen der Burschenschaften nach 1945 abgelegt worden. Öllinger: Es gibt keine formalen Beschlüsse dazu. Mölzer: Die Leute sind längst gestorben, die in den 1930er-Jahren politisch geprägt worden sind. Jetzt gibt es das nicht mehr. Und die Presseaussendung, von der Sie gesprochen haben: Die war nicht nur von Udo Guggenbichler.

profil: Warum hat dann sonst niemand unterschrieben? Mölzer: Mein Sohn hat unterschrieben und eine Reihe von anderen Korporierten auch. Nur hat die Unterschriften halt nicht das profil. Ich finde es bedenklich, dass man das überhaupt betonen muss. Die SPÖ muss ja auch nicht verkünden: "Wir sind nicht antisemitisch.“ Öllinger: Diese Erklärung von Guggenbichler, die ich damals auch mit Verblüffung gesehen habe, wurde von keiner einzigen Burschenschaft auf ihrer Homepage auch nur irgendwie positiv erwähnt oder wiedergegeben. Das war so, als ob es das überhaupt nicht gegeben hätte. Ich vermute, denen war das ultrapeinlich.

profil: Herr Öllinger meinte einst, Sie, Herr Mölzer, seien kein "einfacher Ballgast“, sondern "einer der großen Strippenzieher bei der internationalen Vernetzung der rechten Recken“. Mölzer: Mich freut natürlich diese unglaubliche Bedeutung, die Sie mir da zumessen. Ich habe auf jeden Fall für diesen Abend den gemütlicheren Teil gewählt. Ich werde ungefähr vier, fünf Achterl Wein trinken und mit meiner Frau einen Walzer tanzen - eher einen langsamen, weil ich kein großer Tänzer mehr bin.

Ich frage mich, warum ihr nicht ein bisschen tolerant seid? Bitteschön, lasst die Leute doch leben und einen Ball veranstalten. (Andreas Mölzer)

profil: Strippenzieher sind Sie keiner? Mölzer: Im heurigen Jahr kann ich mit dieser Funktion leider nicht dienen.

profil: Bisher schon? Mölzer: Na ja, früher, als ich im europäischen Parlament war, habe ich natürlich mehr Kontakte gepflogen, das ist schon richtig. Unsere internationalen Gäste, egal wie Sie die jetzt ideologisch einordnen, sind sehr beeindruckt, etwa die Franzosen und die Dänen. Denn so einen Ball gibt es nur in Wien. Da geht es zuallerletzt um politische Vernetzung, sondern das war und ist ein schönes Stück Österreich, das wir unseren Freunden halt zeigen. Öllinger: Jetzt beschönigen Sie aber. Mölzer: Ich versuche nur einen Aspekt einzubringen. Öllinger: Es waren Leute da, gestandene Rechtsextreme, die bei der Burschenschaft Olympia davor geklimpert haben, wie etwa der Liedermacher Jörg Hähnel. Mölzer: Der sagt mir gar nichts, wer ist das? Öllinger: Na, ein Neonazi. Einer, der nach eigenen Aussagen am Burschenschafterball war. Mölzer: Da wissen Sie mehr als ich.

profil: Jedes Jahr demonstrieren mehrere Tausend Menschen gegen den Ball, etwa 2000 Polizisten marschieren auf, die halbe Innenstadt ist abgeriegelt. Angesichts des Widerstands: Warum lässt die FPÖ die Tanzveranstaltung nicht einfach bleiben? Mölzer: Da geht es schon ums Prinzip. Die Mentalität gibt es bei meinen Freunden auch, ein Zeichen zu setzen und erst recht hinzugehen, obwohl wir gar keine Lust auf einen Ball haben. Wenn die Grünen irgendwo ein Parteitreffen machen, ist mir das schnurzegal. Doch ich würde nie auf die Idee kommen, denen vor die Türe zu pinkeln. Öllinger: Das würde ich auch nicht. Mölzer: Ich frage mich, warum ihr nicht ein bisschen tolerant seid? Bitteschön, lasst die Leute doch leben und einen Ball veranstalten. Ich sage ja nichts, wenn das ein militanter Aufmarsch wäre. Aber: Das ist ein Ball, das ist doch hirnrissig!

profil: Herr Öllinger, wie müsste denn der Ball ausgerichtet sein, dass Sie nicht mehr dagegen demonstrieren? Mölzer: Das würde mich auch interessieren. Öllinger: Ich habe überhaupt kein Problem damit, Burschenschafter irgendwo tanzen zu lassen. Irgendwo! Mir ist das lieber, als die zersäbeln sich das Gesicht oder huldigen irgendwelchen verdächtigen Riten. Aber: Der Ball gehört aus der Hofburg weg! Mölzer: Ja, und dann ist Frieden? Dann würden Sie ins Ehrenkomitee gehen? Öllinger: Nein, das sicher nicht. Das wäre ein bisschen viel verlangt. Mölzer: Allein der Ort wäre für Sie ein Kompromiss? Öllinger: Ich war immer der Meinung, dass die Hofburg der Hauptkritikpunkt ist. Mölzer: Ich kann mir durchaus vorstellen, den Ball auch woanders zu machen, wenn Sie glauben, dass die Hofburg historisch so bedeutsam ist.

Mit uns sind Frauen in einem Abendkleid unterwegs. Und dann müssen wir rennen, haben einen Adrenalinausstoß und die Demonstranten werfen Farbbeutel - das ist unwürdig. (Andreas Mölzer)

profil: Sind das erste Verhandlungen über eine Verlegung? Mölzer: Nein, nein, ich habe da ja nichts zu reden, lieber Freund. Aber dann müssten die Demonstrationen auch woanders stattfinden, zum Beispiel am Schwarzenbergplatz, wo die Ballgäste nicht belästigt werden.

profil: Vor zwei Jahren mussten Sie vor der Albertina von einem Polizeikommando durch eine Menge von Demonstrierenden eskortiert werden. Haben Sie eigentlich ein mulmiges Gefühl, wenn Sie sich auf den Weg zum Ball machen? Mölzer: Mit uns sind Frauen in einem Abendkleid unterwegs. Und dann müssen wir rennen, haben einen Adrenalinausstoß und die Demonstranten werfen Farbbeutel - das ist unwürdig, das müssen wir in einer entwickelten Demokratie nicht haben.

profil: Im Jahr 2014 drehte sich die Diskussion nach dem Ball mehr um zu Bruch gegangene Fensterscheiben als um die Gästeliste des Balles. Sorgen die Ausschreitungen nicht dafür, dass Ihr Anliegen untergeht, Herr Öllinger? Öllinger: Ja, ich finde schon. Ich lehne persönliche Attacken ab und habe damit auch nichts zu tun. Das Anspucken von Leuten ist sinnlos, das macht man nicht. Mölzer: Das war nicht nur spucken. Die Demonstrationen waren wirklich gewalttätig und haben eine Spur der Verwüstung durch die Innenstadt gezogen. Wie weit Sie sich mit diesen Leuten gemein machen wollen, müssen Sie beantworten. Ich erwarte mir in einem freien Land eine Diskurskultur, die sich auch bei Demonstrationen gewaltfrei äußert. Öllinger: Herr Mölzer, kommen Sie mir nicht mit Diskurskultur! Mölzer: Es ist doch lustig, mit Ihnen zu diskutieren. Also ich mache das gern. Öllinger: Ihr Blatt "Zur Zeit“ ist nicht unbedingt für eine Diskurskultur bekannt. Mölzer: Das ist Geschmackssache.

profil: In Ihrer Zeitschrift "Zur Zeit“ wurden die Proteste gegen den Akademikerball in einem Comic mit der Reichskristallnacht im Jahr 1938 verglichen. Mölzer: Das war eine Karikatur, die ich im Nachhinein zur Kenntnis genommen habe. Dass das natürlich kein historisch zulässiger Vergleich ist, ist eh klar.

profil: Der Antisemitismusvorwurf an die Burschenschaften hat dazu geführt, dass die Betreibergesellschaft der Hofburg den Ball des Wiener Korporationsringes ausladen wollte. Deshalb veranstaltet nun die FPÖ den Ball unter neuem Namen. Ist das nicht ein Kniefall vor der "linkslinken Jagdgesellschaft“, wie Sie die Demonstranten einmal genannt haben? Mölzer: Was heißt Kniefall? Das ist eine taktische Maßnahme, die rechtlich unangreifbar ist, weil den Ball nun eine demokratisch legitimierte Partei veranstaltet. Und die darf in den großen Repräsentationsräumen der Republik Veranstaltungen machen. So können wir das als Partei nun den gleichen Gästen zur Verfügung stellen.

profil: Also am Charakter des Balls hat sich nichts verändert? Mölzer: Ich habe nicht das Gefühl.

profil: Herr Mölzer, Sie bezeichneten Demonstranten in der Vergangenheit als "Linksfaschisten“. Fällt Herr Öllinger für Sie in diese Kategorie? Mölzer: Nein, das würde ich nicht sagen. Das ist ein netter älterer Herr - so wie ich.

profil: Ist Herr Mölzer für Sie ein Rechtsextremer, Herr Öllinger? Öllinger: Ja, ich glaube schon.

Mölzer: Kommt darauf an, wie Sie das definieren. Ich bin da nicht wehleidig. Für mich ist ein Extremist jemand, der gewalttätig ist, und das werden Sie mir schwer nachsagen können. Öllinger: Nein, das kann ich nicht. Aber verbal waren Sie der Wegbereiter für rechte Positionierungen der FPÖ. Mölzer: Zu viel der Ehre! Öllinger: Und auch im internationalen Bereich waren Sie ein Strippenzieher. Vielleicht genieren Sie sich heute für manche Kontakte von damals. Mölzer: Der eine oder andere hat sich bei näherer Analyse als nicht kooperationsfähig erwiesen, das stimmt schon. Aber für die meisten … Öllinger: Die bulgarische Ataka? Mölzer: Die Ataka ist sicher eine fragwürdige Geschichte. Da ist leider in Osteuropa, in den postkommunistischen Staaten, vieles nicht … Öllinger: Die italienischen Faschisten? Mölzer: Ja, Alessandra Mussolini war in der Gruppe, die wir da formiert haben. Öllinger: Die Mussolini ist ja nicht ohne. Mölzer: Durchaus hübsch. Öllinger: Na ja, hübsch ist kein Kriterium. Sie waren einer der Betreiber dieser Vernetzung, Sie können sich nicht exkulpieren. Mölzer: Für mich ist das nichts Schlechtes! Wir haben versucht, mit anderen europäischen, patriotischen - meinetwegen auch rechtspopulistischen - Parteien Kontakte zu pflegen. Dafür geniere ich mich nicht, dazu stehe ich gerne.

Karl Öllinger, 64

Das grüne Urgestein betreibt die Website "stopptdierechten.at“, auf der er rechtsextreme Umtriebe dokumentiert. Von 1994 bis 2013 war er Nationalrat für die Grünen. Im März dieses Jahres kehrt er als Abgeordneter ins Parlament zurück, weil die grüne Sozialsprecherin Daniela Musiol ihr Mandat zurücklegt.

Andreas Mölzer, 63

Der gebürtige Steirer war von 2004 bis 2014 Europaparlamentarier für die FPÖ. Er fungierte lange Zeit als blauer Ideologe und Verbindungsmann zu anderen europäischen Rechtsparteien. Mölzer gibt die deutschnationale Wochenpostille "Zur Zeit“ heraus. Sein Sohn Wendelin sitzt seit 2013 für die FPÖ im Nationalrat.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.