Klaus Werner-Lobo

Aktivist Werner-Lobo: "Als Politiker giltst du schnell als Verräter“

Der Aktivist Klaus Werner-Lobo über grüne Machiavellisten, rote Parteisoldaten und seine eigene Eitelkeit.

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INTERVIEW: JAKOB WINTER

profil: Wann waren Sie das letzte Mal zivil ungehorsam, so wie Sie es in Ihrem neuen Buch einfordern? Werner-Lobo: Im vergangenen September. Ich habe mir ein Auto gemietet und Flüchtlinge aus Ungarn über die grüne Grenze nach Österreich gebracht. Das fällt eigentlich unter Schlepperei. Man riskiert da was, deshalb sollte man gut informiert sein.

profil: Wenn Sebastian Kurz die Abriegelung der Balkan-Route paktiert, ist die Zivilgesellschaft vor vollendete Tatsachen gestellt. Werner-Lobo: Das wäre ein schöner Anlass für legitime Sachbeschädigung: Bolzenschneider kaufen und, wie damals Alois Mock an der Grenze zum Ostblock, den Grenzzaun durchschneiden.

profil: Das ist nicht besonders realistisch. Werner-Lobo: Wenn das genug Menschen machen, dann scheitern Kurz, Mikl-Leitner und ihre Freunde beim Versuch, die Menschenrechte abzuschaffen.

profil: Sie geben in Ihrem Buch Anleitungen für politisches Engagement - vom Freundeskreis bis hin zu Gewerkschaften. Nur den Beitritt zu einer Partei empfehlen Sie nicht. Warum? Werner-Lobo: Davon rate ich sogar ab. Nehmen wir die "Sektion 8“ in der Wiener SPÖ: Das sind zum großen Teil sehr gescheite und talentierte Leute, die sich an einem Machtapparat abarbeiten, den sie aber gleichzeitig legitimieren.

Ich habe mir nie eingebildet, die Grünen von innen zu verändern.

profil: Beim Verbot des kleinen Glücksspiels war die "Sektion 8“ doch erfolgreich. Werner-Lobo: Ja, da hat sich das Engagement ausgezahlt. Aber die SPÖ nach links zu rücken, ist ein völlig absurder Gedanke. Vorher werden sie selbst Parteisoldaten.

profil: Sprechen Sie aus eigener Erfahrung? Von 2010 bis 2015 saßen Sie für die Grünen im Wiener Gemeinderat. Werner-Lobo: Ich habe mir nie eingebildet, die Grünen von innen zu verändern.

profil: Warum waren Sie dann dabei? Werner-Lobo: Ganz banal: aus Eitelkeit, aus Neugier und weil ich das trojanische Pferd der Zivilgesellschaft im Rathaus sein wollte. Ich habe dazu beigetragen, ein paar Millionen Euro umzuverteilen, von parteinahen Kulturevents zu gesellschaftskritischen Projekten, bei denen selbst viele Grüne nicht anstreifen wollen.

profil: Wann kam es zum Bruch? Werner-Lobo: Als mich die Parteiführung nötigte, der Subventionserhöhung für die Vereinigten Bühnen Wien zuzustimmen, wo vor allem Elitenkultur gezeigt wird. Das war eine Umverteilung von unten nach oben, das Gegenteil von linker Politik. Die Parteispitze wollte von mir, dass ich die Hand im Kulturausschuss hebe, und ich habe sie gehoben. Es wäre zwar nur ein symbolischer Akt gewesen, dagegen zu stimmen, es tut mir trotzdem sehr leid, dass ich es nicht getan habe.

profil: Sie hatten doch ein freies Mandat. Werner-Lobo: Das war zur Halbzeit der letzten Periode. Ich hätte sonst einfach inhaltlich nichts mehr weitergebracht.

profil: Ziemlich pragmatisch. Werner-Lobo: Ja, ich bin dort zum Pragmatiker geworden. Ich bereue die fünf Jahre im Gemeinderat trotzdem nicht. Ich habe ungemein viel über dieses Machtspiel gelernt und warum es meist nicht dem Gemeinwohl dient.

profil: Sie schreiben über "machiavellistische Methoden des Machterhalts“, "Intrigen“ und "Seilschaften“ bei den Grünen. Werner-Lobo: Diese ganze Basisdemokratie ist eine Farce, die gibt es nur als Beschäftigungsprogramm. Das grüne Partei-Establishment besteht aus Leuten, deren Bücherschränke voll sind mit Ratgebern, wie sie an der Macht bleiben und andere bescheißen. Ideale werden dabei verraten.

profil: Haben Sie dafür ein Beispiel? Werner-Lobo: Im Vorfeld der Nationalratswahl 2013 war ich tagelang in der Votivkirche, um die dort protestierenden Flüchtlinge zu unterstützen. Die grüne Bundesgeschäftsführung forderte mich auf, den Protest aufzugeben, weil das der Partei im Wahlkampf schade. Maria Vassilakou kam dann zumindest in die Votivkirche - aber heimlich, ohne Medien.

Vor meiner parteipolitischen Tätigkeit wurde ich von Feinden gehasst und von Freunden geliebt. Als Politiker giltst du auch im eigenen Millieu schnell als Verräter.

profil: Vergangenes Jahr wurden Sie nicht mehr auf die grüne Wahlliste gewählt. Wie geht es Ihnen heute damit? Werner-Lobo: Mittlerweile würde ich gerne jedem Einzelnen dieser 600 Basisleute eine Blume schenken, als Dank dafür, dass sich mein Leben seither so verbessert hat.

profil: Ist es bequemer, den politischen Akteuren von der Seitenlinie zuzurufen, als selbst in die Manege zu steigen? Werner-Lobo: Für mich ist es bequemer und effektiver. Vor meiner parteipolitischen Tätigkeit wurde ich von Feinden gehasst und von Freunden geliebt. Als Politiker giltst du auch im eigenen Millieu schnell als Verräter. Aber ich bin ja nach wie vor politisch aktiv, jetzt eben als Teil der Zivilgesellschaft.

profil: Sie personifizieren das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Sind die Parteien offen für Initiativen von außen? Werner-Lobo: Viel zu wenig. Die Grünen waren es früher. Je näher die Leute an der Macht sind, desto weniger wollen sie davon abgeben.

Klaus Werner-Lobo, 48 Der globalisierungskritische Aktivist und Autor saß von 2010 bis 2015 für die Grünen im Wiener Gemeinderat. Mit seinem neuen Buch ("Nach der Empörung - was tun, wenn wählen nicht mehr reicht“), das dieser Tage erscheint, will er zu zivilgesellschaftlichem Engagement motivieren - abseits von etablierten Parteien.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.