Turnstunde

Aschermittwoch: Heinz-Christian Strache fehlt jegliches Charisma

Aschermittwoch der FPÖ. Unter Strache ist das Hochamt der Verhöhnung noch platter geworden

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Träge drehen sich blaue und weiße Luftballons hoch oben an der Decke. Alles ist verlangsamt, auch die Menschen im Saal auf unbequemen Heurigenbänken, die Arme auf sperrige Holztische gestützt, dicht aneinandergequetscht, Hintern an Hintern. Stoisch wie Kühe auf der Weide drehen sie den Kopf zur Bühne hin, wo eine kaum noch menschliche Stimme, vom maroden Verstärker vollkommen übersteuert, auf sie einbrüllt – leider nicht jene von Heinz-Christian Strache. Der wurde schon mehrmals angekündigt.

Angeblich verfügt die Jahnturnhalle über eine hervorragende Akustik. Eher hat sie einen hohen Geräuschpegel. Tausendfaches Gelächter und Gerede. Rauch zieht durch den Saal. Jeder hat ein Krügel Bier, eine „Hoibe“, vor sich stehen, ein Häufchen Heringsschmaus auf dem Teller und eine trocken gewordene Semmel. Viele tragen Karohemden und Lederhosen. Tattoos blitzen unter T-Shirts hervor. Männer in zu engen Jeans, Frauen in Leggings.

Auch der Saal ist lieblos dekoriert. Stoffbahnen hängen herab: „Damit Heimat Zukunft hat.“ Auf der Bühne welken bleiche Narzissen vor sich hin, zwischen Buchsbäumen in blauen Eimern.

„HaaZee“ marschiert ein wie ein Gladiator
Im Moment soll Andreas Mölzer in einem Frage-Antwort-Spiel für Stimmung sorgen. Doch er wirkt missmutig. Er muss bei den EU-Wahlen in einer Doppelspitze mit Strache-Intimus Harald Vilimsky antreten. So sagt er das Übliche gegen Europa: Staubsauger, Glühbirnen und so weiter. Immerhin hätten er und die Seinen erfolgreich den EU-Beitritt der Türkei verhindert und damit das Abendland gerettet. Und jetzt werde man mit den Patrioten anderer Länder zusammenarbeiten, all jenen, die für „freie Völker“ sind. Mölzer sagt das ganz ohne Ironie. Bierernster Applaus.

Die Saallichter gehen aus. Endlich kommt Strache! „HaaZee“ marschiert ein wie ein Gladiator. Doch sobald es wieder hell ist, hat sich auch dieser kleine Höhepunkt erledigt. Die Ehrengäste sitzen direkt auf der Bühne. Strache hat allen Ernstes eine kurze Lederhose an und kratzt sich andauernd am Knie.

Unter seinem Vorgänger Jörg Haider war das anders. Er hatte den Aschermittwoch in Ried im Jahr 1992 ins Leben gerufen, um sich gegen den guten Geschmack auszutoben, politische Gegner und Minderheiten zu verhöhnen und dem rechten Pöbel antisemitische und rassistische Kalauer hinzuwerfen. Er spielte mit einschlägigen Codes.

Das macht auch das Ambiente. Die Jahnturnhalle, benannt nach dem Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, einer Ikone der Deutschnationalen, atmet diesen speziellen Geist von Disziplin in Reih und Glied, der vom Großvater auf den Sohn und auf den Enkel übergeht. Turnerringe baumeln heute noch von der Decke des Festsaals.

Die ganze Region hat eine eigene Tradition. Die Nationalen waren hier immer tonangebend. Es sei „die Brut-Hecke Hitlers“ meinte einst der Dichter Carl Zuckmayer. Schon 1920 gab es in Ried die erste NSDAP-Versammlung. Es folgten Saalschlachten und Sprengstoffanschläge. In der Jahnturnhalle wurde dafür nicht nur der „deutsche“ Körper gestählt (der Turnverein hatte schon früh einen Arierparagrafen), sondern auch das Denken getrimmt. Im Keller trafen sich die illegalen Nazis, bis die Turnhalle gesperrt wurde. Erst 1938 war es wieder erlaubt, „frei zu turnen“, wie in einer Jubiläumsfestschrift aus dem Vorjahr zu lesen ist. 1938 wurden die Mitglieder des Turnvereins auch gefragt, ob sie zur SA oder zu SS gehen wollten. Die SS-Ried war so stark, dass sie eine eigene Einheit bildete. Und selbst als Ende April 1945 alles zu Ende und der „Führer“ tot war, wehrten sich 14-jährige HJ-Buben gegen die kampflose Übergabe der Stadt an die US-Truppen und verweigerten einer Delegation mit weißer Fahne den Durchgang.

Natürlich war 1945 nicht alles vorbei. Den Gefallenen wird bis heute in einer Ehrentafel am Eingang der Halle für ihre „höchste Pflichterfüllung“ gedankt. Der nationale Nachwuchs fand sich in der FPÖ, im Turnerbund und in der Jahnturnhalle wieder. In keinem anderen Bezirk Österreichs sind so viele jugendliche Neonazis aktiv, mit Nazi-Postings auf Facebook, rassistischen Sprüchen, Schmierereien und den dazugehörigen Gerichtsverfahren.

„Wir sind die blaue Bastion!“
Strache hatte 2006 seine Premiere in der Jahnturnhalle, im Jahr nach der Spaltung der Freiheitlichen. Damals war es schon eine müde Sache.
Die Hinterbänkler reißen es schon gar nicht. Der oberösterreichische FP-Landesrat Manfred Haimbuchner kräht angestrengt: „Wir sind die blaue Bastion!“ Elmar Podgorschek, ein stramm rechter FPÖ-Abgeordneter, fordert die „Befreiung vom Gender-und Homowahn“. Eine Gruppe junger Mädchen smst und kichert aufgeregt. Genderwahn? Was das wohl ist? Und „Homowahn“ wäre unter Haider ein No-Go gewesen.

Strache selbst hat angekündigt, dass es „resch“ hergehen werde. Doch man kennt seine Schmähungen schon bis zum Überdruss – und seine Botschaften: Wer nicht arbeitet, soll nicht essen. Gegen Türken und andere Ausländer die Härte des Gesetzes walten lassen. Null Zuwanderung. Der Spindelegger: „eine Wiedergeburt von Karl Marx“. Die Glawischnig: eine „Beißzange“. Der Fayman: „klein geblieben, um nichts arbeiten zu müssen“. Die Regierung: eine Partie von „Schwitzern“. Und der Karas „trägt sogar Unterhosen in den Farben der europäischen Fahne – so geil ist der auf Europa“. Großes Bruhaha.

Der milliardenschweren Hypo-Hinterlassenschaft der FPÖ entledigt sich Strache mit Chuzpe: „Haider war ein schlauer Fuchs.“ Das eigentliche Finanzverbrechen habe Josef Pröll begangen.

Auf einer Bank am Rande des Saals sitzt ein Opa mit einem lieben Gesicht, Josef Pfeffer. „Schon in der Hitler-Zeit war ich aktiv“, erzählt er. Von der Hitler-Jugend ging es schnurstracks zum VDU und dann zur FPÖ. Der 84-Jährige kannte noch den Haider-Vater und die ganze Familie. Und wenn der Haider irgendwo auftrat, war er schon dort. Unter Haider sei das Aschermittwochstreffen wunderbar gewesen, schwärmt er. Der Strache könne ihm halt nicht das Wasser reichen – dem Haider komme niemand nach. Die Gegner sagten, der Strache sei ein Nazi! „Pah!“
Auch von besseren Zeiten spricht Strache. In den nächsten neun Jahren werde es die FPÖ auf 50 Prozent bringen. Dafür werde er sich gesund halten.

Es war die einzige Erkenntnis dieses Abends: dass es völlig egal ist, wer an der Spitze der FPÖ steht. Sie wird, wenn es so weitergeht, zulegen.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling