Bargeld und Co.

Das Jahr der wirtschaftspolitischen Scheindebatten

Die Inflation ist hoch – genauso die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Dieser Mix befördert offenbar populistische Forderungen wie jene nach einem Bankomaten pro Gemeinde. Aus diesem und anderen Projekten wurde nichts.

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Teure Energiepreise, eine schwächelnde Konjunktur, Kriege und Krisenherde - das Jahr 2023 war für Gabriel Felbermayr „ein Jahr zum Vergessen“. Im Herbst resümierte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), dass es in vielen Wirtschaftsbereichen seit 2022 bergab ging. Österreich befindet sich in einer Rezession. Davon geht auch das Institut für Höhere Studien (IHS) aus.

Die multiplen Krisen befeuern die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den Regierenden. Einfache Antworten darauf gibt es eher keine, trotzdem versuchten es im ablaufenden Jahr gleich mehrere Politiker genau damit: Mit vermeintlich einfachen Lösungsansätzen. Ein Überblick zu den wirtschaftspolitischen Vorschlägen, die bei Fachleuten für Kopfschütteln sorgten.

Bargeld in die Verfassung

Bar oder mit Karte? Das ist eine Glaubensfrage in Österreich. Insbesondere unter der älteren Bevölkerung grasiert die Angst vor der Abschaffung des Bargelds. Zusätzlich befeuert wird sie dadurch, dass heuer die Einführung des digitalen Euro als zusätzliches Zahlungsmittel von der EU-Kommission beschlossen wurde. Diese Stimmung wollten die Parteien – allen voran Bundeskanzer Karl Nehammer (ÖVP) – für sich nutzen. Er forderte im Sommer, das Bargeld in der Verfassung abzusichern. Und erntete dafür jede Menge Kritik.

Weder in Österreich noch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, Bargeld abzuschaffen. Worüber EU-Gremien noch beraten, ist lediglich die Einführung einer Zahlungsobergrenze mit Cash. Das soll Geldwäsche verhindern. Die Österreichische Nationalbank (OeNB) rechnet mit einem Limit zwischen 7000 und 10.000 Euro. Dagegen könnte eine Verfassungsregelung aus Österreich nicht viel ausrichten. Denn: EU-Recht steht über dem österreichischen Verfassungsrecht. Dazu kommt: Der Euro ist ohnehin als gesetzliches Zahlungsmittel verankert und muss im gesamten Euroraum angenommen werden. Darauf verwiesen auch Fachleute während der Debatte. Warum also etwas schützen, dessen Abschaffung gar nicht geplant ist?

Finanzminister Magnus Brunner ließ im Sommer eine eigene Taskforce einrichten, um die verfassungsrechtliche Absicherung des Bargelds zu prüfen. Vergangenen Monat ruderte das Finanzministerium jedoch zurück: Man verfolge die Entwicklung auf EU-Ebene und entscheide dann, ob „weitere nationale Schritte“ erforderlich seien. 

Man könnte das auch als Eingeständnis dafür werten, dass die ursprüngliche Forderung überflüssig war.

Ein Bankomat pro Gemeinde

Am Land, wo Kartenzahlungen üblicherweise am wenigsten verbreitet sind, fürchtete die SPÖ im Sommer, dass das Bargeld auszugehen drohe. Deshalb schlug der sozialdemokratische Kommunalsprecher und Abgeordnete Andreas Kollross mindestens einen Bankomaten pro Gemeinde vor.

Das Problem laut Kollross: Bankfilialen schließen, Bankomaten gebe es in kleineren Gemeinden immer weniger. In vielen Kommunen gebe es keine Möglichkeit mehr, Geld abzuheben. Banken würden ihrem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen, kritisierte er. Kollross forderte daher ein eigenes „Bargeldversorgungsgesetz“, um die flächendeckende Versorgung von Bargeld zu sichern.

In rund 300 Gemeinden gibt es keinen Bankomaten im Ort. Dennoch: Die OeNB hat 2022 erhoben, dass zwei Drittel der Österreicher nur einen Kilometer von ihrem Zuhause entfernt einen Bankomaten auffinden können, und 97 Prozent innerhalb von fünf Kilometern. Österreich zählt zu den europäischen Ländern mit den meisten Geldautomaten pro Kopf. In Österreich sind wir mit Bankomaten also vergleichsweise gut versorgt.

Und jenen Gemeinden, wo der Weg zu lang ist, wollen die Banken entgegenkommen. Seit Ende Oktober bieten sie über das gemeinsame Unternehmen Payment Service Austria (PSA) Bankomaten „zum Selbstkostenpreis von unter 17.000 Euro jährlich“ an. Das Interesse dafür dürfte sich in Grenzen halten.

Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer, verweist weiters auf die „Cash-back-Möglichkeiten, also dass in Geschäften Geld behoben werden kann“ und wies die Kritik der SPÖ „an angeblich mangelnder Versorgung im ländlichen Raum“ zurück.

Inflation staatlich deckeln

Im Herbst sorgte die SPÖ mit einer weiteren Forderung für Kritik. Auf dem roten Bundesparteitag in Graz warf sie der Regierung mangelndes Engagement vor und schlug einen „Masterplan gegen die Teuerung” vor.

Dazu gehörte unter anderem, dass „leistbares Leben” in der Verfassung verankert werden solle. Konkret umfasste der Vorschlag eine maximale Preissteigerung von zwei Prozent pro Jahr für Grundnahrungsmittel, Mieten, Strom oder Wärme. Denn bei Überschreitung der Inflation in den genannten Sektoren müsste die Regierung nach der Vorstellung der SPÖ dann ohne Verzug Maßnahmen wie Preisobergrenzen oder Preisregulierungen setzen.

Wirtschaftsforscher konnten dem Vorschlag nichts abgewinnen. Harsche Kritik setzte es auch an SPÖ-Chef Andreas Babler – selbst von seinen eigenen Parteifreunden: „Was kommt als Nächstes? Schreiben wir dann auch den monatlichen Nachweis von Schnitzelessen in die Verfassung?”, sagte der Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger.

Mit Blick auf die vielen Krisen bleibt zu hoffen, dass die wirtschaftspolitischen Vorstöße im kommenden Jahr sinnvoller ausfallen.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.