Gesundheitsreform

Was 2024 für Verbesserungen in der psychischen Gesundheit bringt

Die Regierung hat eine Gesundheitsreform beschlossen, die auch die psychische Versorgung verbessern soll. Trotz offener Fragen: 2024 kommt so einiges in Bewegung.

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Atemnot in der U-Bahn, ein Gefühl innerer Leere, der tägliche Kampf, aus dem Bett zu kommen. Viele Betroffene ignorieren die Warnsignale einer psychischen Erkrankung und schlittern immer weiter hinein – professionelle Hilfe kann aber auch teuer werden: Im Durchschnitt kostet eine Stunde beim privaten Therapeuten hundert Euro.

In Österreich kennen rund 23 Prozent der Bevölkerung psychische Probleme. Nur ein Bruchteil ist auch im Versorgungssystem registriert, davon erhalten wiederum nur wenige einen Zuschuss von den Sozialversicherungen für die Behandlung. Die wenigen kassenfinanzierten Plätze können den Bedarf nicht decken.

Dass sich das nicht alle leisten können, ist selbst der Regierung klar. Vergangene Woche hat sie eine Gesundheitsreform beschlossen. Vorsorge und Prävention erhalten einen neuen Stellenwert – so auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Mit einer Aufstockung der Kassenstellen sollen vom „Neusiedlersee bis zum Bodensee” die gleichen Leistungen angeboten werden. Ab dem kommenden Jahr bis Ende 2028 sollen insgesamt 14 Milliarden Euro in die Bereiche Gesundheit und Pflege fließen.

Das ist auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine gute Nachricht. Folgendes wird 2024 besser:

1. Klinische Psychologie wird Kassenleistung

Psychisch Erkrankte sollten ab Jänner mehr Anlaufstellen für ihre Probleme vorfinden als bisher. Denn ab 2024 werden auch klinisch-psychologische Behandlungen von der Krankenkasse gedeckt. Bisher wurde nur die Diagnostik für Versicherte übernommen.

Allerdings: Nur weil das Gesetz bereits ab Jänner 2024 gilt, heißt es nicht, dass die Versicherten direkt versorgt werden. Noch sind viele Fragen offen. Die Krankenkassen haben viel Spielraum in der Umsetzung: Wie viele Behandlungsstunden sie übernehmen und an welche Bedingungen sie die Zusicherung der Leistungen knüpfen, ist ungewiss.

„Es wird eine Form von Kontingentierung geben müssen“, sagt Günter Klug, Vorstand des „pro mente“-Dachverbands psychosozialer Dienste. „Nicht nur die Höhe der Gelder ist wichtig, sondern auch wie wirksam sie eingesetzt werden”, sagt er. Mit dem Gießkannenprinzip, welches nur begrenzte Therapieeinheiten pro Patienten zulassen würde, sei Schwerkranken nicht geholfen.

Im ersten Jahr sind 50 Millionen Euro für die klinisch-psychologische Behandlung vorgesehen, im zweiten 25 Millionen Euro. „Das Geld reicht auf keinen Fall für eine Gesamtversorgung“, sagt Klug. Eine langfristige Finanzierung wird noch verhandelt.

Dass es nicht genug Kassenplätze bei Psychotherapeut:innen gibt, ist ein lang bekanntes Problem. Nachdem im Sommer die klinische Psychologie zur Psychotherapie gleichgestellt wurde, sollen Patient:innen nun auch einen leichteren Zugang zur Behandlung bekommen. Die Berufsgruppen unterscheiden sich vor allem in der Ausbildung. Eine weitere offene Baustelle: Auch an Lehrgängen sind die Plätze knapp.

2. Abschaffung Arbeitsunfähigkeit bis 25 Jahren

Für Jugendliche unter 25 Jahren kann es schwere Folgen haben, wenn sie als arbeitsunfähig beurteilt werden: Sie verlieren ihre Ansprüche auf AMS-Leistungen, können nicht mehr an Schulungen teilnehmen und erhalten später keine Pension. 

Derzeit können Menschen mit Behinderung und psychisch schwer Erkrankte schon ab dem Jugendalter als arbeitsunfähig beurteilt werden.

Das wird sich sich ändern. Ab 1. Jänner 2024 wird die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für alle unter 25 Jahren abgeschafft. Das führt dazu, dass Betroffene vom Arbeitsmarktservice (AMS) betreut werden und Schulungen in Anspruch nehmen dürfen. Somit gelangen sie künftig leichter an Jobs. „Dadurch erhalten auch sie die Chance, sich zu stabilisieren und im System zu bleiben“, sagt Günter Klug.

3. Kassenplätze für Psychotherapie besser vergütet

Das Ziel: Mehr Psychotherapeut:innen sollen Kassenplätze anbieten. Der Weg: Ein höheres Honorar. Bis 2030 will die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) die Stundensätze für Psychotherapie stufenweise auf 105 Euro pro Einheit aufstocken. Das kündigte ÖGK-Chef Andreas Huss Mitte Oktober an. In einem nächsten Schritt soll auch das Kontingent aufgestockt werden. „Ich möchte viertausend Psychotherapeut:innen in Österreich, die ausschließlich Kassentherapie anbieten“, sagt Huss. Nächstes Jahr starten die Vertragsverhandlungen mit den Versorgungsvereinen für Psychotherapie. 

Der Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) begrüßt zwar die geplante Aufstockung, fordert jedoch 112 Euro pro Therapiestunde. Präsidentin Barbara Haid gibt auch die Inflation zu bedenken: „Die 105 Euro kommen 2030 zu spät. Das wäre ein heutiger Wert von maximal 80 Euro.“ Viel zu wenig, um eine Praxis aufrechterhalten zu können, so Haid.

Ein Psychotherapeut in Wien bekommt von der Krankenkasse derzeit 62 Euro pro Einheit – in Tirol sind es 80 Euro.

4. Gesund aus der Krise erneut verlängert

Das Pandemie-Projekt „Gesund aus der Krise“ wird zum dritten Mal verlängert – nun läuft es bis Juni 2025. Dabei können junge Menschen bis 21 Jahren kostenlos bis zu 15 Therapieeinheiten in Anspruch nehmen. 

Ab Juni nächsten Jahres stellt das Gesundheitsministerium wieder 19 Millionen Euro zur Verfügung. Das entspricht etwa 10.000 Plätzen. Mit der Umsetzung beauftragt sind der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) und der Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP).

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.