Die türkisen Ministerinnen stehen unter massiver Kritik

Nie zuvor hatte eine Regierung so viele weibliche Mitglieder wie das Kabinett Kurz 2. Doch die Performance der ÖVP-Ministerinnen erweist dem Feminismus keinen guten Dienst, findet Rosemarie Schwaiger.

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Es gibt derzeit nur Corona? Falsch, es gibt auch noch ein paar andere Agenden, mit denen sich die Politik beschäftigt. "Gemeinsam gegen Hass im Netz" lautete das Thema einer Pressekonferenz, zu der am Donnerstag der Vorwoche gleich drei Ministerinnen und eine Parlamentarierin eingeladen hatten. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, Justizministerin Alma Zadić, Frauenministerin Susanne Raab und die grüne Klubobfrau Sigi Maurer referierten im Bundeskanzleramt über eine demnächst geplante Gesetzesvorlage, die unter anderem das sogenannte "Upskirting" (also das unerwünschte Filmen oder Fotografieren unter den Rock oder in den Ausschnitt) unter Strafe stellen soll. Außerdem soll der Tatbestand der Verhetzung verschärft und Cybermobbing schon bei einmaligem Hochladen von beleidigendem Bildmaterial strafbar werden.

Die meisten Punkte fanden sich so oder ähnlich schon im Regierungsprogramm; Details gibt es noch immer nicht. Der Überraschungsfaktor hielt sich also in Grenzen. Immerhin ist es lobenswert, dass Türkis-Grün derzeit auch noch für einen Randbereich der gemeinsamen Planung Zeit findet. Das Vorgehen sei wichtig und dringend, erklärte Karoline Edtstadler: "Da draußen sind Tausende Frauen, die nicht so eine dicke Haut haben wie wir."

Die angesprochene dicke Haut brauchten Edtstadler und Kolleginnen im ersten Halbjahr ihrer Regierungstätigkeit recht oft. Vor allem die Ministerinnen der ÖVP wurden immer wieder heftig kritisiert, im Internet ebenso wie in den traditionellen Medien. Offenbar hat auch die Bevölkerung den Eindruck, dass die Damen ihre Jobs nicht optimal erledigen. Laut einem aktuellen Beliebtheitsranking, durchgeführt vom Umfrageinstitut Unique Research, liegt die populärste ÖVP-Ministerin derzeit auf Platz 10. Es handelt sich um Elisabeth Köstinger, zuständig für Landwirtschaft und Tourismus. Die rote Laterne trägt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Auf den Plätzen direkt vor ihr finden sich mit Susanne Raab, Christine Aschbacher und Karoline Edtstadler drei weitere ÖVP-Frauen.

Politikerinnen würden viel strenger beurteilt als Politiker, heißt es oft. Bei Frauen in Machtpositionen ließen die Bürger und Journalisten keine Gnade walten, während sie bei Männern über vieles hinwegsehen. Vielleicht stimmt das in manchen Fällen. Aber wenn die ÖVP-Ministerinnen in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit so schlecht wegkommen, liegt das nicht am Machismo der Österreicher. Daran sind die Damen schon selbst schuld.

Chaos im Verteidigungsministerium

Am auffälligsten war zuletzt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Die ÖVP-intern als Stimmungskanone bekannte Niederösterreicherin hat in ihrem Ressort ein so heilloses Chaos angerichtet, dass aktuell nicht einmal der Generalstab genau weiß, was Sache ist. Erst hieß es, das Heer werde sich von der militärischen Landesverteidigung verabschieden und sich nur mehr der Cyber-Abwehr und dem Katastrophenschutz widmen. Leider stellte sich heraus, dass dieser Plan verfassungswidrig wäre, weshalb Tanner zurückruderte. Danach ging es um die Frage, wie das Bundesheer die Luftraumüberwachung sicherstellen soll, wenn die uralten Saab-Maschinen demnächst außer Dienst gestellt werden. Auch für dieses Problem lieferte die Ministerin schon diverse Lösungsvorschläge. Dazwischen lag ein Fernsehauftritt, wie man ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt: Blendend gelaunt, aber inhaltlich völlig blank saß Tanner im Studio der "ZIB 2" und produzierte Blindtext. "Schauen Sie, zunächst einmal freut es mich wirklich, dass über das österreichische Bundesheer so viel gesprochen und kommuniziert wird wie noch nie", erklärte sie frohgemut. Das stimmte sogar - wenn man wütende Postings und fassungslose Stellungnahmen hoher Militärs als "Kommunikation" bezeichnen will.

Auch Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher musste feststellen, dass der neue Job seine Tücken hat. Die Steirerin galt von Anfang an nicht als erste Wahl für das Amt. Aber zum Zeitpunkt ihrer Bestellung wirkte das Ressort durchaus anfängertauglich. Die Wirtschaft brummte, die Zahl der Beschäftigten war auf Rekordniveau. Dann kam Corona. Wochenlang konnte Aschbacher nur rasant steigende Arbeitslosen- und Kurzarbeitszahlen bekannt geben. Zuletzt gingen beide leicht zurück, aber zum strahlenden Dauerlächeln der Ministerin passt die Lage noch immer nicht so ganz. Vielleicht deshalb kam Aschbacher vor ein paar Wochen auf die Idee, einmal etwas fürs Herz bieten zu wollen: Vor der Kamera des Regierungsfotografen überreichte sie einem Baby einen Hunderteuroschein. "Seht her, Familien wird schnell und unbürokratisch geholfen ", sollte das wohl bedeuten. Als sie für die seltsame Aktion kritisiert wurde, machte sie das Kleinkind als Täter namhaft: "Grundsätzlich war es so, dass die Eltern das Geld übernommen haben und das Baby kurz zu dem Geld greifen wollte."

Sebastian Kurz zahle jetzt den Preis für seine Personalauswahl, sagte jüngst der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Es sei dem Kanzler hauptsächlich um persönliche Loyalität gegangen. "Das sind dann auch Personen, die bereit sind, sich der Kommunikationskontrolle des Kanzlerbüros zu unterwerfen, die aber auch wie die Verteidigungsministerin auf Bundesebene politisch noch keine Erfahrung hatten", analysierte Filzmaier höflich. Loyal bis ins Mark sind natürlich auch die Männer im Kurz-Team. Aber sie schaffen es immerhin, nicht wie Angestellte zu wirken, die ihren Chef anhimmeln. Bei den Ministerinnen ist mitunter etwas zu viel Huldigung im Spiel: "Danke, Sebastian Kurz, was du für unser Land und die Menschen in dieser schwierigen Zeit leistest", flötete etwa Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger Ende März auf Facebook.

Es geht mittlerweile schon als Leistung durch, im türkisen Frauenteam nicht aufzufallen, also auch nicht negativ. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gelingt das nun schon in ihrer zweiten Regierungsperiode recht passabel. Ob sie gelegentlich von eigenen Ideen heimgesucht wird, blieb dem Publikum bisher allerdings verborgen. Auch Integrationsministerin Susanne Raab scheint in erster Linie abarbeiten zu müssen, was das Beratergremium des Bundeskanzlers als tauglichen Spin identifiziert hat. Derzeit gilt es, das Wiener Rathaus sturmreif zu schießen. "Wien darf nicht Paris werden", erklärte Raab nach den Demo-Ausschreitungen in Favoriten in der Tageszeitung "Die Presse". Zuletzt gab es Verwirrung um ein geplantes Gespräch mit Vertretern von türkischen und kurdischen Vereinen, das erst anberaumt und dann ohne nähere Begründung wieder abgesagt wurde. Susanne Raab hätte den Runden Tisch aber ohnehin nicht allein leiten dürfen: Innenminister Karl Nehammer wäre als Aufpasser dabei gewesen.

Wie Raab ist auch Karoline Edtstadler Kanzleramtsministerin, was die politische Freiheit von Haus aus einschränkt. Dass die EU zu Edtstadlers Zuständigkeiten gehört, macht es ebenfalls nicht einfacher, ein eigenes Profil zu entwickeln. Wann immer in Brüssel richtig etwas los ist, übernimmt der Kanzler das Ruder. Für Edtstadler bleibt oft nicht mehr übrig, als zu wiederholen, was Sebastian Kurz schon gesagt hat. Der Ministerin fehlt es nicht an Selbstbewusstsein, aber unter diesen Bedingungen wäre es wohl für jeden schwer, Akzente zu setzen.

Progressives Statement oder Marketing?

Die ÖVP wollte über Feminismus nie viel reden und stemmte sich stets gegen Quotenregelungen. Dennoch waren die Konservativen historisch oft Vorreiter, wenn es darum ging, die gläserne Decke zu sprengen: Grete Rehor war die erste Ministerin der Zweiten Republik, Waltraud Klasnic die erste Landeshauptfrau, Maria Schaumayer die erste (und bisher einzige) Nationalbankpräsidentin, Maria Fekter die erste (und ebenfalls einzige) Finanzministerin.

Dass Sebastian Kurz mehr Frauen als Männer in sein Regierungsteam holte, konnte man deshalb leicht als progressives Statement missverstehen. Aber der Kanzler hatte offenbar, wie so oft, in erster Linie das Marketing im Sinn. Einen Haufen Ministerinnen um sich zu scharen, wirkt modern und aufgeklärt. Dass die Frauen nichts zu melden haben (und das in der aktuellen Besetzung auch gar nicht anstreben), ist auf den hübschen Gruppenfotos ja nicht erkennbar.

Wie die Arbeitsteilung in dieser Regierung läuft, war am Donnerstag vergangener Woche zu besichtigen: Nach der Frauen-PK über Hass im Netz gab es am späten Nachmittag noch einen reinen Männertermin: Sebastian Kurz, Werner Kogler, Rudi Anschober und Karl Nehammer informierten über weitere Schritte in der Corona-Krise. Heißt in der Tagesbilanz: Die Frauen kümmern sich um Mobbing im Internet, die Männer müssen das Land retten.

Wenigstens hat sich Elisabeth Köstinger diesmal nicht extra dafür bedankt.

Rosemarie Schwaiger