profil-Morgenpost

Doch eine Impfpflicht?

In manchen Bundesländern ließen sich nur 50 Prozent der Kindergärtnerinnen impfen.

Drucken

Schriftgröße

Guten Morgen!

Sechs Tage ist es nun her, dass Rudolf Anschober zurückgetreten ist. Was bleibt vom Gesundheitsminister? Unter anderem das klare Nein zu einer Impfpflicht. Nicht zwingen, sondern überzeugen, war sein Credo. Im Kindergarten ist das bisher nicht so recht gelungen. In der Steiermark ließen sich in der ersten Runde nur 50 Prozent des Personals impfen. In Vorarlberg waren es unter 50 Prozent. In Wien 70 Prozent, erfragte ihr Morgenpostler bei den Behörden.

Sehnsucht nach sicherer Umarmung

Im Kindergarten tragen Pädagoginnen keine Maske und halten keinen Abstand zu den Kleinkindern. Gott sei Dank. Eine Umarmung kann Wunder wirken, wenn das Kind sich bei der Übergabe am Türstock festkrallt. Doch auch daheim wird ohne Maske gekuschelt. Das aggressivere britische Virus hat so leichtes Spiel, über den Kindergarten in die Familien getragen zu werden. „Meine Tochter fängt nächste Woche in einem Kindergarten an. Vier Gruppen. Niemand geimpft“, schreibt mir eine Frau auf Twitter. Eine Mutter aus Wien Liesing schreibt mir, wie schwer es sie, ihren kleinen Sohn und ihren Partner erwischt hat – mit Nachwirkungen bis heute. Die Ansteckung führt sie eindeutig auf den Kindergarten zurück. „Noch immer verweigert angeblich die Hälfte der Belegschaft eine Impfung.“
 

Wenn weiterhin so viele Pädagoginnen die Möglichkeit ausschlagen, die Infektionsketten durch eine Gratisimpfung zu durchbrechen, kann die Gesellschaft das akzeptieren? Sie haben in ihrem Job eine besondere Verantwortung. Der Dienstgeber könnte diese durch eine Impfpflicht einfordern.

Immerhin: In der Steiermark geht man davon aus, dass sich in einer zweiten Runde deutlich mehr Kindergärtnerinnen und Kindergärtner impfen lassen. Im Pflegebereich sei eine Abnahme der Impfskepsis zu beobachten gewesen. Und es ist wohl geboten, gerade jungen Frauen Biontech/Pfizer anzubieten, weil sie sich verstärkt vor Astra fürchten.

Wie gut verträglich ist Kurz?

Beim strikten Njet zur Impfpflicht waren Anschober und Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Linie. Doch die „Unverträglichkeiten“, so der Titel unserer Cover-Story, überwogen. Nicht nur zwischen Kurz und Anschober, sondern bereits zuvor zwischen Kurz und seinem früheren FPÖ-Vizekanzler Norbert Hofer; Kurz und SPÖ-Kanzler Christian Kern; Kurz und seinem früheren ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner; Kurz und Neos-Gründer Matthias Strolz, mit dem er eine Allianz überlegte. Killt ein kühler Kurz all seine Partner? Oder waren sie einfach nur zu schwach für das harte Politikgeschäft? Das lesen Sie in unserer Titel-Geschichte.

Live von der Intensivstation

Ein Wort noch zu Anschober an dieser Stelle: Ich habe nie verstanden, warum er uns mit einem infantilen Babyelefanten behelligt hat und nicht mit anonymisierten Live-Bildern von den Intensivstationen – in TV-Spots vor der „Zeit im Bild 1“. Die Impfskeptikerinnen im Kindergarten hätte das sicher mehr beeindruckt. Oder mit Zeitungs-Bildern von den Notaufnahmen. Der Fotograf und Krankenpfleger Günter Valda gibt im aktuellen profil eine Kostprobe.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.