Landeskrankenhaus Feldkirch von Außen
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Expertinnen zu Spitalskürzungen: Richtiger Ansatz, aber mangelhafte Umsetzung

Fachleute sind sich einig: Österreich leistet sich zu viele Spitäler. Sie fordern: Das Geld sollte zielgerichteter eingesetzt werden, etwa im niedergelassenen Bereich. Doch egal wo die Politik bei den Krankenhäusern kürzt, folgt scharfer Protest.

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Sie waren laut und vehement, doch weder der Widerstand der Stadt, der Ärzte noch der Zivilbevölkerung half: In Vorarlberg soll die Geburtenstation in Dornbirn zusperren. Künftig sollen Patientinnen in Bregenz aufgenommen werden. Das gleiche Schicksal ist für Bludenz geplant. In Niederösterreich versucht momentan noch eine Bürgerinitiative das Landeskrankenhaus in Gmünd zu retten, doch auch hier sieht es nicht gut aus. In der Steiermark kämpfen derweil die Bad Ausseer um „ihr“ Spital, ebenfalls vergebens. Das Landesklinikum soll im Umfang drastisch reduziert werden. Das alles sind nur einige Beispiele für größere Umstrukturierungsmaßnahmen im Gesundheitsbereich in den drei Ländern. In Niederösterreich sollen vier von 27 Kliniken gesperrt werden, in Vorarlberg und der Steiermark kommt es zu einigen Zusammenlegungen. Alles gegen großen Widerstand. Und alles laut Fachleuten bitter nötig. 

Österreich leistet sich als kleines Land 257 Krankenanstalten, 110 davon als Fondskrankenanstalten aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die anderen sind private Kliniken, Reha-Einrichtungen und andere spezialisierte Einrichtungen, die nicht über das Fondssystem laufen. Krankenanstalt ist der Überbegriff und umfasst Krankenhäuser, Sanatorien, sogenannte Pflegeanstalten für chronisch Kranke und Rehabilitationseinrichtungen. 

Außerdem liegt Österreich mit 7,4 Betten pro 1000 Einwohnern deutlich über dem OECD-Schnitt von 5,1. Zwischen 2014 bis 2023 sind die Gesamtausgaben im Klinikbereich um 25 Prozent gestiegen. Es gibt also ein Kostenproblem. Und es steht fest: Die Zahl der Kliniken wird in den kommenden Jahren sinken. Das schließt sich auch dem Trend der vergangenen Jahre an: 2015 gab es noch 95 Allgemeine Krankenanstalten, 2024 nur mehr 88. Immer mehr Bundesländer müssen diesen Schritt aufgrund ihrer Budgetprobleme setzen. Die offene Frage ist, ob der versprochene Ausbau des niedergelassenen Bereichs – Stichwort Primärversorgungszentren – die Kürzungen im Spitalsbereich auffangen kann. Oder ob in ein paar Jahren die Versorgungslandschaft ausgedünnt wird.

Zu viele Betten, demographischer und technischer Wandel

Es war eines der größten Wahlversprechen von FPÖ-Mann Mario Kunasek: In der Steiermark werden keine Spitäler geschlossen. Seine Vorgänger aus ÖVP und SPÖ hatten noch geplant, ein Leitspital in Liezen zu errichten und kleinere Standorte aufzugeben. Der Widerstand dagegen bescherte der FPÖ ein Rekordergebnis in den betroffenen Gemeinden. Nun wird das Leitspital nicht gebaut und stattdessen der bestehende Standort in Rottenmann ausgebaut. Die anderen Spitäler bleiben erhalten, aber mit reduziertem Umfang. In Bad Radkersburg wird etwa die Orthopädie geschlossen. Die Bevölkerung fühlt sich von der FPÖ verraten, SPÖ und KPÖ laufen Sturm. 

Wie in der Steiermark sind die Umstrukturierungen in Vorarlberg Teil des Strukturplans 2030, den die Länder nach Vorgaben des Bunds erstellen müssen. An Änderungen führe kein Weg vorbei, sagt Landeshauptmann Markus Wallner. Schließlich werden 2050 bereits 27 Prozent der Vorarlberger Bevölkerung älter als 65 Jahre sein und viermal mehr Gesundheitsleistungen benötigen als Jüngere.

Denn der nötige Wandel im Gesundheitsbereich liegt nicht nur an der hohen Spitalsdichte und den vielen Betten. Auch der demographische Wandel trägt zu den Problemen bei. Und das gleich dreifach: Denn künftig gibt es einerseits mehr Personen, die aufgrund ihres Alters medizinische Betreuung brauchen, gleichzeitig weniger Personal in den Gesundheitsberufen und weniger Beitragszahlende.

Zusammenlegungen von Kliniken seien auch wegen neueren, besseren und teureren Geräten sinnvoll, sagt Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ. Denn kaum etwas ist ineffizienter als ein teures Untersuchungsgerät, das den halben Tag nicht in Verwendung ist. Wer sich Infrastruktur teilt, spart. Zusätzlich kann mit weniger Standorten Kompetenz besser gebündelt und spezialisierte Teams geschaffen werden. Denn ein Mehr an Standorten, Untersuchungen und Behandlungen geht nicht zwingend mit einer besseren Versorgung einher, wie Studien zeigen. Die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker fasst es zusammen: „Wir haben Überversorgung, Fehlversorgung und Unterversorgung gleichzeitig.“ Soll heißen: Es gäbe genügend Personal und Ressourcen, allerdings schlecht verteilt.

Vorarlberg will elf Millionen Euro jährlich mit unbeliebtem Schritt sparen

Wie also raus aus dem Schlamassel? Einerseits geht es darum, die finanzielle Situation in den Griff zu bekommen, andererseits darum, die Versorgungsqualität zu garantieren. Finanziell hoffen Steiermark und Niederösterreich durch die unpopulären Maßnahmen auf langfristige Einsparungen, auch wenn sie nicht beziffern können, wie viel ihnen die Umstrukturierung bringen soll. Vorarlberg liefert zumindest für einen Teil des Projekts Zahlen: Um die Abteilungen Gynäkologie und Pädiatrie an einem Standort sowie die Orthopädie und Traumatologie an einem anderen Standort zusammenzuführen, rechnet das Land mit einer Investition von rund zwölf Millionen Euro. Diese Investition soll sich innerhalb von drei bis dreieinhalb Jahren amortisieren. Das Einsparpotenzial über alle Maßnahmen hinweg liegt bei bis zu 10,9 Millionen Euro pro Jahr.

Rund 400 Menschen demonstrierten vor dem Landhaus in Bregenz gegen die Spitalsreform.
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Expertinnen: Gemeinden aus Finanzierung rausnehmen

Die Finanzierungsströme im österreichischen Gesundheitssystem sind hochkomplex. Es gibt viele Player, die mitmischen und teils sogar gegeneinander arbeiten. Auf der einen Seite stehen die Länder, die für die Spitäler zuständig sind, auf der anderen die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern „selbstverwaltete“ Sozialversicherung für den niedergelassenen Bereich der Fach- und Kassenärzte. Wie viele Stellen hier ausgeschrieben werden, bestimmt die ÖGK. Darüber steht das Gesundheitsministerium, das nur den gesetzlichen Rahmen vorgibt, aber mangels Zuständigkeit kaum echten Gestaltungsspielraum hat. 

Am Beispiel der Finanzierung der Spitäler zeigt sich die Schwäche des Systems besonders: Neben den Ländern, die das Geld dafür vom Bund bekommen, zahlen nämlich auch die Sozialversicherung und die Gemeinden für die Spitäler mit. Die Länder zwacken den Kommunen dafür eine sogenannte „Umlage“ ab. Die Höhe legen die Länder selbst fest, am höchsten ist sie in Oberösterreich. Das ist ein Mitgrund dafür, warum die Gemeindebudgets so unter Druck geraten.

Gesundheitsökonomen empfehlen deswegen schon länger eine Vereinfachung der Finanzierungsströme. Ein Vorschlag, dem auch die auf Gemeindefinanzen spezialisierte Ökonomin Mitterer etwas abgewinnen kann. Sie empfiehlt, die Gemeinden aus der Finanzierungs-Verantwortung zu nehmen. Denn ihre Mittel sollten sie eigentlich für kommunale Aufgaben verwenden, nicht für regionale. Offen ist allerdings, wer für die Summen aufkommen soll, die bisher von den Gemeinden an die Spitäler zugeschossen werden.

Hofmarcher-Holzhacker hat ein Modell erarbeitet: Dabei geht das Geld mit klaren Vorgaben und Steuerungszielen vom Bund an die Länder. Die sollen dann gemeinsam mit den Sozialversicherungen beide Säulen des Systems finanzieren – also den niedergelassenen Bereich und die Spitäler. Die Finanzierung könnte aus einem Pool kommen, in einer Simulation hat Hofmarcher-Holzhacker kalkuliert, dass sich dieser zu 70 Prozent aus den Mitteln der Sozialversicherungen und zu 30 Prozent von den Ländern speisen könnte. „Es braucht endlich eine kooperative, transparente Zusammenarbeit zwischen Sozialversicherung und Ländern – und klare Vorgaben vom Bund“, fasst sie ihre Forderungen zusammen. Zusammen sollen sie sich überlegen, was der „Best Point of Service“ sei.

Wenn Ökonominnen wie Hofmarcher-Holzhacker vom „Best Point of Service“ sprechen, dann meinen sie: Jede Patientin und jeder Patient sollte in der richtigen Einrichtung behandelt werden. Aktuell werden zu viele Krankheiten in den Spitälern behandelt, obwohl es oft um vergleichsweise kleine Leiden geht. Dort ist die Behandlung aber mit Abstand am teuersten, im niedergelassenen Bereich am billigsten. 

Die Einsparungen bei den Spitälern seien zwar unumgänglich, meint Hofmarcher-Holzhacker doch: „Wir haben bereits eine zunehmende Ambulantisierung, aber sie geht nicht mit einem strategisch orientierten Umbau der Spitalslandschaft einher”. Wie so oft fehlt also die Abstimmung zwischen den Akteuren. 

Wer abbaut muss Alternativen bieten

Denn das Wichtigste, wenn in den Spitälern gekürzt wird: Es muss die Versorgungssicherheit an anderer Stelle gegeben sein. Zum Beispiel durch Primärversorgungseinheiten (PVE), Community Nurses oder andere Einrichtungen. In Gmünd soll etwa statt dem Landeskrankenhaus eine neue Gesundheitsklinik mit PVE und Fachärztezentrum kommen. In der Steiermark sollen die tagesklinischen und ambulanten Plätze von 225 auf 528 angehoben werden. Und auch Wien will seine tagesklinischen Plätze verdoppeln.

Doch diese Versprechen scheinen bei der Bevölkerung auf taube Ohren zu stoßen. Vorfälle wie jener der 55-Jährigen, die in Rohrbach verstarb, weil kurzfristig kein OP-Saal verfügbar war, befeuern die Angst. Mitterer versteht das einerseits, schließlich geht es bei all diesen Entscheidungen „ums Leben“. Andererseits zeigen eben diese Fälle, dass es viel mehr Abstimmung braucht und echten strukturellen Wandel. Es sei Aufgabe der Politik, die Maßnahmen sinnvoll zu kommunizieren, sagt die KDZ-Expertin. Hofmarcher-Holzhacker kritisiert speziell, wie hier in der Steiermark vorgegangen wurde: „Ich halte es für einen schweren Fehler, dass die Politik es nicht geschafft hat, den Menschen ihre Verunsicherung zu nehmen.“ 

Das ist einfacher gesagt als getan. Denn besonders viel Zeit bleibt angesichts der Budgetsituation nicht für Erklärungen. Und welcher Gemeindebürger lässt sich schon gerne das Spital vor der Haustüre streichen, während gleichzeitig die Landarzt-Praxen zusperren. Selbst wenn ihm versichert wird, dass die Qualität ein paar Ortschaften weiter deutlich angehoben wird.

Maria Prchal

Maria Prchal

ist seit 2025 Redakteurin im Digitalteam. Sie ist seit über zehn Jahren im Journalismus engagiert und hat Empirische Kulturwissenschaften sowie Moderne Südasienkunde studiert. Sozialpolitik, Klima, und nerdige Themen interessieren sie besonders.