„Extrem praktizierender Moslem“

Fall Bakary J.: Gericht erkennt keine Anzeichen für Befangenheit des Gutachters

Folter. Fall Bakary J.: Gericht erkennt keine Anzeichen für Befangenheit

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Der Gutachter soll bleiben. Das ist kurz gefasst die Antwort des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, die Susanne Kurtev von der Wiener Anwaltskanzlei Rast fast die Sprache verschlagen hat: „Es ist kaum zu glauben, dass das Gericht zu dieser Entscheidung kommt.“ In einem mehrseitigen Schreiben hatte Kurtev vor wenigen Wochen dargelegt, warum sie den Sachverständigen Norbert Loimer wegen Befangenheit ablehnt. Die Vorgeschichte: Der Neurologe und Psychiater aus Horn sollte klären, welche Schäden Bakary J. von den Misshandlungen durch drei Wega-Beamte in einer Lagerhalle in Wien am 12. April 2006 davongetragen hat. J. hatte 385.000 Euro Schmerzensgeld und Wiedergutmachung verlangt. Der vom Gericht bestellte Gutachter aber interessierte sich weniger für die körperlichen Schmerzen und die Ängste, Depressionen und die Schlaflosigkeit des Mannes, als für sein Vorleben und seine „transkulturellen“ Eigenheiten. Loimer hatte den Gambier in dem Gutachten als „extrem praktizierenden Moslem“ bezeichnet und war zum Schluss gekommen, dass die Folter zwar „massiven Unbill“ hervorgerufen habe. Im Gegensatz zu bisherigen Gutachtern fand er jedoch keine Anhaltspunkte für eine schwere Traumatisierung.

Sämtliche Vorgutachten wischte er mit der flapsigen Bemerkung vom Tisch, jedes hätte „seine eigene Tendenz“. Die Psychiaterin und Neurologin Sigrun Roßmanith, die Bakary J. Monate nach der Quälerei als erste Gutachterin untersucht hatte, hatte ihm unter anderem eine Posttraumatische Belastungsstörung attestiert, so wie nach ihr auch die Psychiatrische Abteilung des SMZ Ost, die Schmerzambulanz der Rudolfstiftung, J.s Trauma-Therapeutin, der Gerichtsmediziner Christian Reiter, die Neurologin Katalin-Andrea Donner und der Wiener Uniprofessor Otto-Michael Lesch (profil berichtete darüber in der Ausgabe vom 13. Oktober 2014). „Keine Anzeichen für Befangenheit“, befand nun das Gericht für Zivilrechtssachen. Selbst der Ausdruck „extrem praktizierender Moslem“ sei nicht „unsachlich“, „weil Religion und Seele zusammenhängen, was schon der Begriff ‚Seelsorge‘ zeige“.

Foto: Michael Rausch-Schott

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges