Syrische Asylwerber: Die Flucht mit der Handy-Kamera aufgezeichnet.
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Flucht aus Syrien: Auszug aus einem Privatalbum

In einem Vereinshaus in Horn zeigte ein Syrer Fotos, die man fast nie zu sehen bekommt. profil veröffentlicht einen Auszug aus dem privaten Album seiner Flucht.

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Eine seltsame Magie geht von diesen Bildern aus. Murat Mohammed im Anorak vor dem elterlichen Anwesen. 2008, Schnee ist gefallen. Auf dem nächsten Bild steigen Rauchschwaden über Khan al-Shih auf. 2013, die Stadt seiner Kindheit, südwestlich von Damaskus, von Bomben zerstört. Und dann die handgezeichnete Route nach Europa: Tripolis, Izmir, Samos, Thessaloniki, Skopje, Belgrad, Traiskirchen.

Das Album von Mohammeds Flucht enthält Bilder, die man fast nie zu sehen bekommt. Der 29-jährige Syrer zeichnete seine Flucht mit der Handykamera auf, vielleicht, um die Erinnerung für seine Kinder zu bewahren. Er hatte nicht damit gerechnet, seine Fotos in einer Stadt im Waldviertel 400 fremden Menschen zu zeigen.

Klicken Sie sich durch die Fotostrecke:

Eine Familie steht auf einem Schiff mit dem Meer und Bergen im Hintergrund.
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Ein Mann in schwarzer Kleidung steht an einer Bushaltestelle in einer Stadt.
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Ein Mann mit Rucksack sitzt in einem grasbewachsenen Feld.
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Zwei Personen schlafen im Freien, zugedeckt mit einer blauen Plane.
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Eine Gruppe von Personen durchquert ein grünes Feld.
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Ein Mann steht im Schnee vor einem Haus.
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Eine Gruppe Wanderer geht einen Pfad entlang, im Hintergrund ein bewaldeter Hügel.
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Zwei Wanderer mit Rucksäcken gehen einen Pfad entlang durch dichtes Grün.
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Eine Moschee mit Minarett steht hinter einem grünen Feld.
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Eine Gruppe Wanderer geht durch einen grünen Wald.
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Ein beschädigtes, zweistöckiges Haus mit einem teilweise zerstörten Balkon.
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Ein Mann steht an einem Tisch voller Speisen und Getränke unter bunten Luftballons.
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Eine Person liegt in einem Schlafsack mit dem Logo „Ärzte der Welt“.
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Ein Mann sitzt im Wald auf dem Boden.
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Eine Gruppe von Menschen watet durch einen flachen Fluss.
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Eine Gruppe von Menschen sitzt im Gras unter Bäumen.
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Drei junge Männer machen eine Pause auf einem steinigen Weg in der Natur.
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Ein Mann kühlt eine Wasserflasche in einem Bach, während eine Gruppe im Hintergrund sitzt.
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Eine Gruppe junger Männer sitzt am Ufer eines Baches.
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Ein lächelnder Mann mit Stirnband und Rucksack steht in einer grünen Landschaft.
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Ein Mann mit dunkler Jacke und Jeans steht mit einem Getränk auf der Straße.
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Die handgezeichnete Route von Mohammeds Reise vom Libanon über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich. Sie dauert eineinhalb Jahre.
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Eine Gruppe von Wanderern füllt eine Wasserflasche in einem Bach auf.
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Eine Person schläft in einem blauen Schlafsack in einer Ecke.
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Eine Person mit rotem Tuch raucht im Freien, eine weitere Person liegt im Hintergrund unter einer Decke.
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Eine Gruppe junger Männer sitzt oder liegt auf einer Wiese.
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Mehrere Personen sitzen auf einem Bahngleis in einer ländlichen Gegend.
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Ein Mann, zwei verpixelte Personen und ein Hund stehen in einem hohen Feld mit Bergen im Hintergrund.
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Ein Mann posiert vor einer türkischen Flagge auf einem belebten Platz.
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Eine Gruppe von Menschen posiert vor einem Gebäude und geparkten Autos.
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Ein Mann sitzt mit gekreuzten Beinen auf einem Sofa in der Nähe eines Tisches.
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Mehrere Personen liegen auf einem Güterwagen und ruhen sich aus.
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Eine Gruppe junger Männer sitzt und steht auf einem Bahngleis in ländlicher Umgebung.
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Ein Mann mit einer schwarzen Nike-Mütze vor einer Wand mit Nieten.
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Es war Pater Albert, der den Syrer ermunterte, "den Flüchtlingen im Ort ein Gesicht zu geben“. Mit flatterndem Talar durchmisst der Stadtpfarrer den Innenhof seines Pfarrhauses. 13 Syrer hat er bei sich aufgenommen. Im ersten Stock wurde die ehemalige Kapelle zu einem Ein-Zimmer-Refugium. Hier wohnt nun Murat Mohammed mit seiner Familie.

"Willkommen Mensch" gegen Hetze

Noch steht das Stephansheim leer, ein aufgelassenes Pflegeheim, in das Ende Juni weitere 100 Flüchtlinge kommen. Die Stimmung in Horn ist gespannt. Als ruchbar wurde, dass statt Grundwehrdienern Asylwerber in die Kaserne kommen, fielen in den sozialen Medien alle Hemmungen. Eine Initiative "Willkommen Mensch in Horn“ stellte sich der Hetze entgegen.

Von all dem bekam Mohammed bloß einen Widerhall mit: "Es ist normal, dass sich nicht alle freuen. Aber zu uns sind die Leute nett.“ Als er vor zwei Wochen mit seinem Schwager Eslam Hassan ins Vereinshaus spazierte, sah er Männer, Frauen und Kinder herbeiströmen. Hunderte waren gekommen, um etwas über Fremde wie ihn zu erfahren.

Am Eingang verteilten wütende Bürger Flugblätter, auf denen stand, dass Asylantenfamilien Unsummen abkassieren.

Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien, stand mit einem "mulmigen Gefühl“ im Saal. "Ich habe Angst“, sagte er, als er als Redner auf die Bühne trat: "Und vermutlich geht es Ihnen auch so. Sie wissen ja aus der Zeitung, dass die Flüchtlinge Smartphones haben und keine richtigen Flüchtlinge sind. Wissen Sie, was? Den Flüchtlingen geht es vielleicht genauso: Sie haben auch Angst.“

Versteck im Kornfeld

Im Publikum erhoben sich Mohammed und Hassan. Sie zitterten vor Aufregung, als der kurze Film startete, den Hassan aus Mohammeds Bildern zusammengefügt hatte. Die Bürger von Horn konnten den Syrer aus ihrem Pfarrhaus sehen, wie er mit einem Dutzend Männer über Eisenbahnschienen nach Mazedonien wanderte, sich in einem Kornfeld vor der Polizei versteckte, erschöpft im Gras saß, ein Flussbett durchquerte und in einem ausrangierten Waggon schlief, eingewickelt in die Schlafsäcke mit dem UN-Logo, den er in einem Camp bekommen hatte.

Die jüngsten Bilder zeigen Mohammed in einem Wald in Ungarn, und, im selben Gewand, vor Traiskirchen. In der Hand hielt er einen Becher: "Es war mein erster Kaffee nach einem Monat“, sagt er.

Es war nicht so, dass sämtliche Wut danach verflogen gewesen wäre. Schwertner erinnert sich an "superkritische Fragen“ aus dem Publikum. Der Caritas-Vertreter aber fuhr mit dem Gefühl nach Wien zurück, dass 80 Prozent der Menschen nach der Versammlung freundlich gestimmt waren. Wenn Mohammed und Hassan durch Horn schlendern, deuten neuerdings Unbekannte mit erhobenem Daumen "Super gemacht!"

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Edith   Meinhart

Edith Meinhart

war von 1998 bis 2024 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges.