FPÖ: Johann Gudenus, die unheimliche Nummer zwei

FPÖ: Johann Gudenus, die unheimliche Nummer zwei

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Es liegt etwas in der Luft. Johann Gudenus kann es spüren. Man werde sich am Abend der Wien-Wahl noch wundern, orakelt der Wiener FPÖ-Klubchef Johann Gudenus, der Stadthalter Heinz-Christian Straches, die Nummer zwei hinter dem Parteichef.

Hasspostings gegen Flüchtlinge häufen sich. Bei öffentlichen Veranstaltungen tun sich Redner hervor, die meinen, eine diabolische Elite in Europa plane, die weiße durch die schwarze Rasse zu ersetzen, und sie bekommen Applaus dafür. Vor ein paar Jahren konnte man solch kranke Ideen nur auf Neonazi-Seiten im Internet finden. Doch so oder ähnlich denken mittlerweile auch Wutbürger, jedenfalls dort, wo die FPÖ ihre Stimmen fängt, wo Zuwanderung und Flüchtlinge das einzige Thema sind und wo man tatsächlich glaubt, die Regierung wolle die eigene Bevölkerung gegen eine fremde austauschen.

Schon vor einem Jahrzehnt hat Johann Gudenus vor "systematischer Umvolkung“ und gezieltem "Wähleraustausch“ gewarnt

Das Gift träufelt. Schon vor einem Jahrzehnt hat Johann Gudenus vor "systematischer Umvolkung“ und gezieltem "Wähleraustausch“ gewarnt. Da war er kein dummer Junge mehr. Er ging auf die 30 zu und war Obmann der FPÖ-Jugendorganisation (RFJ). In der "Tangente“, der Zeitung des RFJ, erschien damals ein Artikel von Andreas Zacharasiewicz, der von Europa als einer "Wiege der Weißen“ schwadronierte, die durch "Einwanderung aus dem Süden“ gefährdet sei. Gudenus selbst sorgte sich damals um die "Substanz“ Europas wegen der "Immunschwäche der europäischen Völker“.

Gudenus ist es im Gespräch mit profil peinlich, daran erinnert zu werden. Das rassistische Manifest in der RFJ-Zeitung ähnelt doch stark einem Nazi-Pamphlet. Die Jugend überspitze eben gern, hänge sich mehr raus, versucht er zu beschwichtigen.

Zacharasiewicz ist heute übrigens im Infrastrukturministerium beschäftigt, in jener Sektion, in der auch einige von Heinz-Christian Straches einstigen Wehrsportkameraden an führender Stelle tätig sind.

Wir sind in der Mitte der Politik angekommen!

Im Grunde hat sich nichts geändert. Seine Rolle als Einpeitscher auf öffentlichen Marktplätzen - "Jetzt heißt es ‚Knüppel aus dem Sack‘ für Asylbetrüger, illegale Ausländer, Islamisten und linke Schreier.“ Jetzt werde "aufgeräumt in unserem schönen Österreich“. Und: "Hatsch ma ham nach Pakistan.“ - kommentiert Gudenus amüsiert: "Wir sind in der Mitte der Politik angekommen!“

Gudenus beherrscht nicht nur den Rabaukenton. Er kann auch anders: höflich und zuvorkommend, wie es seiner Schulbildung am Wiener Gymnasium für die "besseren“ Leute, dem Theresianum, und seinen Kursen an der Diplomatischen Akademie entspricht.

"Systematische Umvolkung? - "Ach, ob man jetzt Ethnomorphose dazu sagt oder Bevölkerungsaustausch. In Wien haben über 45 Prozent Migrationshintergrund. Ich sage ja nicht, dass das schlecht ist. Ich weise nur darauf hin“, sagt Gudenus.

Sein Vater, langjähriger FPÖ-Politiker, äußerte einst Zweifel an Gaskammern und hatte deshalb ein Verfahren am Hals

Noch nicht einmal 40 Jahre ist er alt und schon ein Vollblut in der Politik. Familiär vorgeprägt. Gudenus stammt aus ehemals adeligem Haus. Sein Vater, langjähriger FPÖ-Politiker, äußerte einst Zweifel an Gaskammern und hatte deshalb ein Verfahren am Hals. Verhungernde im KZ? "Die schauen eh gut aus, da schau ich dagegen schlecht aus“, höhnte Gudenus senior im Schwurgerichtssaal, als ihm Fotos von der Befreiung des KZ-Mauthausen vorgelegt werden. Gudenus junior und seine Brüder saßen im Publikum und grinsten.

Heinz-Christian Strache war auf den Politikersohn aufmerksam geworden, da war Gudenus erst 16 Jahre alt und im RFJ Niederösterreich aktiv. Die Wiener waren zu liberal für Gudenus und seine Gefährten. Dazu gehörte Christian Böhm-Ermolli, ein reaktionärer Grenzgänger, und intellektueller Wirrkopf, Weininger- und Nietzsche-Narr, der sich später drei Kugeln durch den Kopf jagte; Nikolaus Amhof, der - so Beobachter - seinen Scheitel damals wie der "Führer“ trug und noch immer - jetzt schon 50 Jahre alt - als Bundesgeschäftsführer des RFJ fungiert. Die Gruppe trat 1995 kollektiv der FPÖ-Alsergrund bei und putschte - mit Unterstützung von Strache aus dem 3. Wiener Gemeindebezirk - die liberale Bezirksparteiführung hinweg. Das war in Gudenus’ Maturajahr. Er wurde Bezirksrat im Alsergrund, der jüngste, den es je gab.

Leibfux bleibt man sein Leben lang

Er folgte Strache in die Pennälerverbindung Vandalia, wurde Straches Leibfux und nannte sich fortan "Wotan“. Später heuerte Gudenus auch bei einer richtigen, akademischen Verbindung (Aldania) an, focht drei Mensuren und bewies Geschick. Der einzige Schmiss, den er hat, stammt von einer Attacke am Opernball. Da hatte jemand ein Glas nach ihm - oder nach Strache - geworfen. "Leibfux bleibt man sein Leben lang“, sagt Gudenus.

Auch im RFJ war Gudenus mit Straches Hilfe an die Spitze gekommen. In der FPÖ-Jugend hatte es schon lang vor der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ im Jahr 2005 gebrodelt. Die liberaleren Geister gaben auf, als Gudenus 2003 Bundesobmann wurde, "vermehrte ideologische Schulung“ anordnete, um der Hegemonie von "freiem Warenverkehr, Marktwirtschaft und Multikultur“ zu widerstehen und eine ganze Reihe blutjunger Skinheads in den RFJ strömte. "Sie sahen aus wie Nazis, sie sprachen wie Nazis und sie machten Witze, dass einem schlecht wurde“, schilderte einer der Ausgeschiedenen die Atmosphäre auf einem RFJ-Seminar in Kärnten 2003.

Zwei Seiten einer Medaille

Bisher halten Strache und Gudenus zusammen wie Pech und Schwefel. Früher fuhren sie mit ihren Ehefrauen gemeinsam nach Ibiza, heute urlauben sie gemeinsam mit ihren jeweils aktuellen Freundinnen auf den Malediven. Gudenus macht in Wahlkämpfen den Einheizer für Strache, der dann etwas weniger aggressiv den Staatsmann mimt. Der eine (Gudenus) bezichtigte etwa Israel des "Staatsterrorismus“ und äußerte für den islamischen Terror eher Verständnis ("Gegenwehr“). Der andere (Strache) biederte sich einstweilen an reaktionäre Juden in Israel an und trat mit seiner Burschenschafter-Kappe, dem "Biertönnchen“, in Yad Vashem auf. Zwei Seiten einer Medaille.

2005 kam Gudenus in den Gemeinderat, 2006 sprach er bei einer Sonnwendfeier von "unserer deutschen Heimat“, 2007 wollte er das NS-Verbotsgesetz lockern, 2010 war er beim Wahlkampfauftakt der rechtsextremen ungarischen Jobbik-Partei, 2012 beim tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow, den er in einer gemeinsamen Pressekonferenz lobte. "In Tschetschenien gibt es keine Anzeichen von Krieg oder Diskriminierung.“ Im vergangenen Jahr war Gudenus Wahlbeobachter auf der Krim und befand, das umstrittene Referendum sei ohne "Druck oder Zwang“ vonstatten gegangen. Gläserne Wahlurnen und das offene Ausfüllen der Stimmzettel seien dort eben "ortsüblich“.

Ich schaue immer, dass ich den Ton so treffe, dass ich mit dem Gesetz nicht in Konflikt komme.

Gudenus ist ein Putin-Versteher und Russland-affin. Er hat ein Russisch-Sprachzertifikat erworben, Sommerkurse an der russischen Diplomatischen Akademie belegt und ein Handelsunternehmen mit russischen Partnern geführt, das im Jahr 2010 allerdings stillgelegt wurde. Da wurde Gudenus Klubobmann der Wiener FPÖ.

Als Kernthema der Politik sieht er heute - wie könnte es anders sein - "das Asylthema: eine der großen Selbstbelügungen der Gesellschaft“. Er mache nicht den Menschen, sondern das System verantwortlich, sagt er. Doch wen genau? "Die Menschen werden mit der Karotte vor der Nase hierhergelockt. Von der Politik. Von NGOs. Von Schleppern.“ Eine Lösung hat er nicht. Will er vielleicht auch gar nicht. Gudenus’ Aussagen unterscheiden sich nur im Stil von diversen Hasspostings. "Ich schaue immer, dass ich den Ton so treffe, dass ich mit dem Gesetz nicht in Konflikt komme.“

Christa   Zöchling

Christa Zöchling