Jagd auf Banditen

Glücksspielverbot in Wien: Jagd auf Banditen

Glücksspielverbot. Die Finanzpolizei rückt in Wien zum Kampf gegen Glücksspielautomaten aus

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Von Jakob Winter

Josef S. versteht die Welt nicht mehr: "Kein Mensch ist zu mir gekommen und hat mir irgendetwas über das Verbot gesagt.“ Der Automatenbetreiber ließ deshalb auch nach dem Jahreswechsel zwei seiner Spielgeräte in Wien stehen. Vergangenen Mittwoch rückte die Finanzpolizei zu einem Großeinsatz aus. Dabei wurden insgesamt 52 Automaten beschlagnahmt, auch die von Herrn S. Er beruft sich darauf, gültige Konzessionen zu haben - das Standard-argument der Betreiber. Doch für Wilfried Lehner, Chef der Finanzpolizei, ist die Rechtslage "völlig klar“: Nach einer Übergangsfrist von über vier Jahren ist das Verbot mit Jahresbeginn für die Bundeshauptstadt in Kraft getreten und wird nun wie angekündigt exekutiert.

Strafen bis zu 30.000 Euro
Am Freitag der Vorwoche holt Lehner - mit 30 Finanzpolizisten im Schlepptau - zum zweiten Schlag aus: Um 10.30 Uhr greifen die Exekutivbeamten an vier Standorten gleichzeitig zu. So auch in der Taborstraße im 2. Bezirk. Im Hinterzimmer eines Cafés stoßen die Beamten auf zehn voll funktionsfähige Geräte. Die einarmigen Banditen sind veraltete Fabrikate aus dem Hause Novomatic. Sie gehören dem Lokalbesitzer. Auf einem Automaten wird während des Zugriffs sogar gezockt. Der Kunde darf sich den Gewinn noch auszahlen lassen, dann geht der Automat für immer vom Netz. Mindesteinsatz, Höchstgewinn, Seriennummer - die Beamten dokumentieren alles ganz genau, der Lokalbetreiber telefoniert inzwischen mit seinem Anwalt. Gegenüber profil will er nichts sagen. Die übrigen Gäste der schummrigen Absteige lassen sich vom Treiben der Beamten nicht irritieren. Sie schlürfen weiter an ihrem Kaffee - und schauen zu.

Beim Test der Geräte machen die Polizisten eine interessante Entdeckung: Die Automaten stellen höhere Gewinne in Aussicht als erlaubt. Das Gerät wäre demnach selbst mit aufrechten Konzessionen illegal.

Aufmerksam wurden die Finanzkontrolleure durch einen Tipp aus der Bevölkerung. Allein in den vergangenen Tagen seien bei der Finanzpolizei über 100 solche Anzeigen eingegangen, sagt Lehner. Den Betreibern drohen Strafen bis zu 30.000 Euro. Und trotzdem lassen es viele darauf ankommen. "Hätte ich nicht aufgesperrt, könnte ich nichts dagegen machen“, erklärt Aufsteller S. Erst wenn der Bescheid der Landespolizei Wien ins Haus flattert, kann der Automatenbetreiber dagegen Rechtsmittel einlegen. S. will jedenfalls alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen: "Mein Rechtsanwalt ist bereits verständigt.“ Außerdem bekam S. erst vor drei Wochen einen Brief von der Stadt Wien, in dem er aufgefordert wurde, die Steuer auf die Automaten für Jänner 2015 zu begleichen - 1400 Euro pro Gerät. "In welchem Staat leben wir da?“, zürnt S.: "Die eine Abteilung verbietet das Glücksspiel, die andere fordert dafür Steuern ein.“

"So unattraktiv wie möglich"
Im Büro der zuständigen Stadträtin Renate Brauner (SPÖ) wird argumentiert, dass "bloße Verbote allein nicht das konzessionslose Aufstellen von Geldspielapparaten verhindern“. Die Besteuerung sei jedenfalls rechtmäßig, der verbotene Betrieb der Spielgeräte soll damit "so unattraktiv wie möglich gestaltet werden“.

Nach etwa einer Stunde fährt in der Taborstraße der Lkw der Landespolizei vor. Die illegalen Spielgeräte werden verladen und abtransportiert. Sie bleiben für die Dauer des Verfahrens im polizeilichen Gewahrsam. Danach werden sie verschrottet. Während des Ladevorgangs bleiben immer wieder Passanten stehen. Einer ruft den Beamten zu: "Super - weiter so!“

Dass die Finanzpolizei nicht noch mehr Arbeit bekam, verdankt sie dem Platzhirschen auf dem Automatenmarkt. Novomatic, die den Behörden über die Medien ausrichteten ließ, ihre Geräte mit Sicherheit stehen zu lassen, lenkte im letzten Moment ein. Grund dafür dürfte die laufende Vergabe der Casinolizenzen sein, um die sich der Konzern bemüht. Mehrere illegale Standorte in Wien hätten die Chancen auf eine Lizenz deutlich reduziert.

Dennoch stieß die Finanzpolizei an beiden Einsatztagen auf besonders dubiose Konstruktionen: Mehrere Automaten waren mit Pfefferspray-Anlagen gesichert, die bei ruckartigen Bewegungen ausgelöst werden. Lehner war vorbereitet: "Beim Abtransport haben wir unsere Leute mit Atemschutzmasken reingeschickt - bei drei Geräten wurde der Reizstoff tatsächlich ausgesprüht.“ Ohne Maske hätte das für die Beamten sehr gefährlich werden können. Die Verantwortlichen - eine österreichische Herstellerfirma und der Betreiber - müssen mit einer Anzeige rechnen. Lehner: "Die Leute sind nicht zimperlich. Dagegen läuft der Rotlicht-Bereich geradezu problemlos.“

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.