Großgrundbesitz: Wem Wolfgangsee, Großglockner und Floridsdorf gehören

Von Gernot Bauer
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Im Juni 2011 hielt Tirols Landeshauptmann Günther Platter mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg: Das geplante Vorhaben sei eine „Schnapsidee“. Diese wurde – wie hätte es auch anders sein können – im fernen Wien geboren. Dort plante die Bundesimmobiliengesellschaft eine Privatisierung der besonderen Art. Seit 2001 besaß die BIG zwei Berggipfel in den Karnischen Alpen, die 2689 Meter hohe Große Kinigat und den 2603 Meter hohen Roßkopf. Mit ihrem eigentlichen Geschäft, der Verwaltung der Bundesimmobilien, hatte der Besitz nichts zu tun, daher beschloss die BIG, die Berge zum Verkauf anzubieten. Der Mindestkaufpreis belief sich auf 121.000 Euro. 20 Interessenten meldeten sich, darunter eine deutsche Softwarefirma, die dem Vernehmen nach plante, die Gipfel für Werbezwecke in „Ashampoo 1“ und „Ashampoo 2“ umzubenennen. Die BIG verkaufte Große Kinigat und Roßkopf schließlich an die Bundesforste. Der angedrohte Tiroler Volksaufstand war damit abgewendet.
Es mag dem österreichischen Herz wehtun: Auch Berge sind nüchtern betrachtet nur grundbürgerlich erfasste Liegenschaften, die ver- und gekauft werden können. Dasselbe gilt für Wälder, Seen, Almen und geschichtsträchtige Immobilien wie Schlösser, Burgen und Paläste. In der Praxis kommen Berge und Seen selten auf den Markt. 2019 wurde der Kärntner Keutschacher See – vergeblich – um kolportierte 30 Millionen Euro über das Wiener Büro des Auktionshauses Sotheby’s angeboten. Aktuell steht die Burgruine Gösting in Graz – samt 180 Hektar Forstbesitz und einem Weingarten – auf der Plattform „willhaben“ zum Verkauf.
Die Eigentumsverhältnisse bei Premium-Liegenschaften spiegeln die Geschichte Österreichs – von der Habsburgermonarchie bis zur Zweiten Republik – wider. Großgrundbesitzer sind zum einen die öffentliche Hand, zum anderen wie ehedem Adel und Kirche. Allerdings: Ganz uneingeschränkt können sie ihr Eigentum nicht nutzen.
Kriegsanleihen statt Seebesitz
Eine Debatte um Großgrundbesitz und die damit verbundenen Rechte und Pflichten entbrannte jüngst um den Mondsee im oberösterreichischen Teil des Salzkammerguts. Der mit 14 Quadratkilometer Wasserfläche viertgrößte zur Gänze in Österreich liegende See ist Privatbesitz. Die Historie dahinter zeigt, wie lange einmal erworbene Rechte wirken. Einst gehörte der See dem Kloster Mondsee, das 1791 aufgelassen wurde. 20 Jahre später schenkte Napoleon Bonaparte nach seinem Eroberungsfeldzug durch Europa dem bayerischen Feldmarschall Carl Philipp von Wrede Kloster und See. Dessen Nachkommen, das Adelsgeschlecht Almeida, besitzen das geschenkte Gewässer bis heute. Wie die „Oberösterreichischen Nachrichten“ berichteten, will Eigentümerin Anna Mathyl die Pachtverträge für Bojen, Stege oder Hütten kündigen und neu verhandeln. Im Jahr 2009 hätte die Familie den See beinahe an die Länder Salzburg und Oberösterreich verkauft. Die Verhandlungen scheiterten am Kaufpreis. Die Länder boten drei Millionen Euro, die Eigentümer sollen bis zu 18 Millionen verlangt haben.
Dass Eigentumsverhältnisse – verhältnismäßig – rasch wechseln können, zeigt wiederum der nahe am Mondsee gelegene Irrsee. Dieser stand einst im Eigentum des deutschen Grafen Bodin, der ihn 1956 an den Sportanglerbund Vöcklabruck und 18 Privatpersonen um 250.000 Schilling verkaufte. Bis 1914 hatte der See der Gemeinde Zell am Moos gehört, doch diese veräußerte ihn, um den Erlös in Kriegsanleihen zu investieren.
Die meisten Seen des Salzkammerguts sind in öffentlicher Hand. So stehen Attersee, Traunsee, Grundlsee, Altausseer See, Hallstätter See und Fuschlsee im Besitz der Bundesforste, an denen die Republik Österreich 100 Prozent hält und somit formal Eigentümerin ist. Ein Sonderfall ist der Wolfgangsee. Die zum Land Salzburg zählende Wasserfläche, etwa 90 Prozent, gehört den Bundesforsten, der in Oberösterreich liegende, kleinere Teil der Forstverwaltung Herrschaft St. Wolfgang, die im Eigentum der Familie Scheidt steht. Ein Vorfahr, Tuchfabrikant aus dem Ruhrgebiet, hatte sich einst in St. Wolfgang niedergelassen, wo er 1927 zum Ehrenbürger ernannt wurde und 1929 starb. Kleine Anteile am Wolfgangsee besitzen auch die Gemeinde St. Wolfgang und ein Unternehmen des Mateschitz-Imperiums um Red Bull.
In Kärnten sind Wörthersee, Millstätter See, Ossiacher See (zu 80 Prozent) und Weißensee im Besitz der Bundesforste, die Erlöse aus der Verpachtung von Flächen für Stege, Bojen oder Bootshäuser erzielen. Rund 8000 Seen-Verträge haben die Bundesforste mit Privatpersonen, Gemeinden, Tourismusverbänden oder kommerziellen Unternehmen wie Schifffahrtsgesellschaften, Tauchschulbetreibern oder Bootsvermietern abgeschlossen. In Privatbesitz ist der Faakersee. Ab 1831 gehörte das Gewässer den Fürsten von Liechtenstein, ab 1918 dem Industriellen Ludwig Wittgenstein (dem Onkel des Philosophen), heute den Familien Catasta und Bucher, die auch Eigentümer der nur 15 Kilometer entfernten Burg Landskron sind.
Der österreichische Teil des Neusiedler Sees steht im Eigentum der Familie Esterházy, kleinere Anteile halten Anrainergemeinden. Eigentümerin der Donau – und der meisten großen Flüsse – ist ebenfalls die Republik Österreich, was sogar im Grundbuch feststellbar ist, in dem das Gewässerbett der Donau exakt erfasst ist.
Der Achensee in Tirol gehört der Stadt Innsbruck, die ihn im Jahr 1919 erwarb und zur Energiegewinnung nützt. Voreigentümerin war die Benediktinerabtei St. Georgenberg-Fiecht im unteren Inntal. Doch aller irdischer Besitz ist endlich, wie die Mönche der Klosters allzu gut wissen. 2018 gaben sie ihr zu groß gewordenes Stiftsgebäude im Tal auf und zogen an ihr ursprüngliche Stätte nach St. Georgenberg zurück. Neuer Besitzer wurde der Unternehmer Christoph Swarovski aus der Kristalldynastie.
Staatliche Mehrheit
Wie es sich für eine Republik geziemt, sind die staatlichen Bundesforste größter Grundbesitzer im Land. Insgesamt gehört diesen – von den Donauauen bis zum Bodensee – eine Fläche von 850.000 Hektar, was etwa einem Zehntel des Bundesgebietes entspricht. Ein Drittel der 946 Dreitausender gehört über die Bundesforste der Republik, ebenso die höchsten Berge in Oberösterreich und Tirol, der Dachstein (2995 Meter) und die Wildspitze (3768 Meter). Der Piz Buin (3312 Meter), wiewohl höchster Berg in Vorarlberg, steht aufgrund historischer Wegerechte im Eigentum der Tiroler Gemeinde Galtür.
Alpiner Großgrundbesitzer ist auch der Österreichische Alpenverein, der die in Osttirol gelegenen Flächen des Großvenedigers, die Dreiherrenspitze sowie die Krimmler Wasserfälle sein Eigen nennt. Im Juli 1918 erwarb der Alpenverein von den Schwestern Aicher von Aichenegg die Pasterze und den Großglockner. Doch ausgerechnet der Gipfel des höchsten Berges Österreichs (3798 Meter), insgesamt bloß 114 Quadratmeter, gehört der kleineren Konkurrenz: dem Österreichischen Alpenklub, dessen Mitglieder keine Hobby-Wanderer, sondern leistungsstarke Bergsteiger. Alpenklub-Kletterer errichteten am 2. Oktober 1880 zur Silberhochzeit von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth das imposante, unter Denkmalschutz stehende Gipfelkreuz, unter dem Rainhard Fendrich 110 Jahre später für das Video zu „I am from Austria“ an der Gitarre zupfte. Versuche des Alpenvereins, den Gipfel gegen eigene Flächen rund um die – dem Alpenklub gehörende – Erzherzog-Johann-Hütte auf der Adlersruhe zu tauschen, schlugen fehl. Der Bergkameradschaft der zwei Organisationen tat dies keinen Abbruch.
Der Alpenverein ist auch ohne Glocknergipfel mit genug Besitz gesegnet. Insgesamt gehören ihm 33.000 Hektar Land, vor allem im Nationalpark Hohe Tauern. Die meisten Grundstücke erhielt er durch Schenkungen oder gezielten Kauf. Kommerzielle Absichten verfolgt er nicht. 1988 erwarb der Alpenverein acht Quadratkilometer Grund an der Hochalmspitze bei Mallnitz und verhinderte so die Errichtung eines Gletscherskigebiets.
Naturgemäß hat ein Berg vom Gipfel bis ins Tal mehrere Eigentümer. Wenn ÖSV-Star Vincent Kriechmayr sich aus dem Starthaus der Streif katapultiert, über die Mausefalle springt und danach vom Steilhang in den Brückenschuss schneidet, rast er über Grundbesitz der Gemeinde Kitzbühel. Die Fläche oberhalb der Seidlalm befindet sich im Besitz der Bundesforste. Am Oberhausberg gleitet Kriechmayr wieder über gemeindeeigene Parzellen. Unterhalb der Hausbergkante überquert er ein Grundstück der Familie Feiersinger. Der Zielschuss samt Zielsprung steht im Besitz der Metzger-Familie Huber, der Familie Staffner und der Familie Reisch, den Nachfahren des Kitzbüheler Skipioniers Franz Reisch – all das absolviert Kriechmayr in einer Zeit von 1:56,16 Minuten, wie bei seinem Sieg 2023.
Bergbahnen pachten die Grundstücke für ihre Anlagen und Pisten meist von den lokalen Landwirten. Manche Liftgesellschaften besitzen sie auch selbst. So steht die Schmittenhöhe bei Zell am See im Salzburger Pinzgau im Eigentum der Schmittenhöhebahn AG, deren größter Aktionär mit 58 Prozent die Porsche GmbH ist. Die Milliardärsfamilie ist in der Region verankert. Familiensitz ist das „Schüttgut“ in Zell am See. Der See gehört der Gemeinde.
Einer der prominentesten Bergbesitzer eines der bekanntesten Felsen im Land war der im Dezember des Vorjahres verstorbene Hannes Androsch. Dem Ex-Politiker und Industriellen gehörte eine Mehrheit an den Loser Bergbahnen, in deren Eigentum der Loser steht. Nur ein kleiner Teil gehört der Gemeinde Altaussee. Im Jahr 2012 hatte das Land Steiermark seinen 20-Prozent-Anteil an den mit 14 Millionen Euro verschuldeten Bergbahnen an Androsch übertragen.
Irdische Güter
Die Veräußerung von öffentlichem Grund bietet Gemeinden eine rasche Möglichkeit, ihre Finanzlage zu verbessern. Anfang des heurigen Jahres verkaufte die Stadtgemeinde Judenburg den sogenannten Ochsenboden in den Seetaler Alpen an das Bundesheer, das dort einen Truppenübungsplatz betreibt. Kaufpreis: 3,5 Millionen Euro.
Zweitgrößter Grundbesitzer nach den Bundesforsten ist – mit geschätzten 250.000 Hektar – die katholische Kirche. Allein: Exakte Zahlen liegen schon deshalb nicht vor, weil es „die katholische Kirche“ so nicht gibt, sondern diese aus Tausenden eigenständigen Rechtsträgern besteht. Wirkliche Großgrundeigentümer innerhalb der Kirche sind Klöster, Stifte, Diözesen und Bistümer. Diese besitzen weniger Berge, sondern Wälder. Davon gibt es hierzulande genug. Österreich ist mit einem Anteil von 48 Prozent an der Staatsfläche eines der waldreichsten Länder Europas. Etwa 80 Prozent des heimischen Waldes stehen in Privatbesitz von 137.000 Eigentümern. Historische Zäsur war das Revolutionsjahr 1848, als die jahrhundertelange Untertanenschaft der Bauern aufgehoben wurde und diese das Eigentum an dem von ihnen bestellten Flächen von ihren bisherigen Gutsherren zu einem günstigen Zins erwerben konnten.
Prominente Immobilien und ihre Eigentümer
Etwa 20 Prozent des gesamten Waldbestands in Österreich gehört Großbetrieben mit über 200 Hektar Grund. Zu den größten kirchlichen Waldbesitzern zählt das Benediktinerstift Admont, das 17.800 Hektar Waldfläche und insgesamt 25.500 Hektar Land besitzt. Das Zisterzienserstift Lilienfeld in Niederösterreich besitzt 11.000 Hektar Grund und Boden. Besonders bunt ist das Besitzportfolio des Stifts Klosterneuburg. Neben 9500 Hektar Forstfläche vermietet der Wirtschaftsbetrieb des Stifts 700 Wohnungen, Büros und Geschäftslokale mit einer Gesamtfläche von 87.000 Quadratmeter in 73 Gebäuden in Niederösterreich und Wien, etwa an der Alten Donau. Dazu verwaltet es 5500 Pachtverträge für Liegenschaften im Raum Wien. Im Jahr 2023 erwarb das Stift Bauflächen in Floridsdorf um zehn Millionen Euro, 2021 um 23,6 Millionen Euro Gründe in Anif bei Salzburg.
Großgrundbesitzer sind auch Stift Kremsmünster, Stift Heiligenkreuz und Stift Melk. Das Stift Schlägl im Mühlviertel hält dazu auch Anteile am Skigebiet Hochficht. Über Geld spricht man freilich nicht – so hält es auch die katholische Kirche, auf deren Web-Portal zu lesen ist: „Der eigentliche Reichtum der Kirche sind das Evangelium Jesu Christi und die Gläubigen, die sich als Christen im Alltag bewähren.“
Neben der Kirche sind es hohe und niedere Adelige, die über ausgedehnte Ländereien und Forstbetriebe verfügen. Mit dem Adelsaufhebungsgesetz nahm die junge Republik den Fürsten, Grafen und Baronen 1919 zwar Titel und Würden, ließ ihnen aber ihre Besitztümer.
Größter adeliger Grundbesitzer ist die Familie Esterházy beziehungsweise deren Privatstiftungen. Sie besitzt neben dem österreichischen Teil des Neusiedler Sees 40.000 Hektar Land – eine Fläche, die der Größe Wiens entspricht – sowie das Schloss Esterházy in Eisenstadt, weitere Schlösser und Immobilien und ein Weingut. Die Liste der Schloss- und Großgrundbesitzer liest sich wie ein Auszug aus dem Genealogischen Taschenbuch der adeligen Häuser Österreichs: Liechtenstein (Burg Riegersburg), Hoyos (Schloss Rosenburg), Czernin-Kinsky, Schwarzenberg, Sachsen-Coburg und Gotha, Hannover, Starhemberg, Auersperg, Thun und Hohenstein – und auch Habsburg.
Mitgliedern der Großfamilie (600 Angehörige auf allen Kontinenten) gehört das Habsburg-Lothringen’sche Gut Persenbeug mit 13.700 Hektar und das Gut Schütte mit 3600 Hektar Grund im Kärntner Lavanttal, das allerdings erst Jahrzehnte nach dem Ende der Monarchie erworben wurde. Die Kaiservilla in Bad Ischl steht im Eigentum von Markus Emanuel Habsburg-Lothringen, einem Urenkel von Kaiser Franz Joseph.
Zwar regelte das Habsburgergesetz vom April 1919 „die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen“. Dies betraf aber nur die regierende Linie des Geschlechts. Mehrfach scheiterten dessen Nachfahren mit Anträgen auf Rückgabe des konfiszierten Vermögens, darunter Schloss Laxenburg und Schloss Eckartsau sowie diverse Ländereien und Güter, an den österreichischen Höchstgerichten. Das Schloss Schönbrunn stand nicht im Besitz der Habsburger, sondern des Staates und fiel nach dem Ende der Monarchie an die Republik. Die zweitwichtigste Attraktion der Bundeshauptstadt, das Riesenrad, ist Privatbesitz der Familie Lamac.
Die Innsbrucker Hofburg steht heute noch im Eigentum der Republik. Die Festung Hohensalzburg dagegen wurde dem Land Salzburg im Jahr 2016 vom Bund geschenkt. Anlass war das Jubiläum „200 Jahre Salzburg bei Österreich“. Die Grundstücke am Linzer Pöstlingberg gehören der Stadt Linz, der Diözese Linz sowie privaten Eigentümern. Der Grazer Schlossberg und der Uhrturm stehen seit 1885 im Eigentum der Stadt Graz.
Eine Sonderstellung unter Österreichs adeligen Großgrundbesitzern nimmt die Familie Mayr-Melnhof ein. Der Forstbetrieb Franz Mayr-Melnhof-Saurau in der Steiermark ist mit 32.000 Hektar Waldfläche der größte Privatforstbetrieb Österreichs. Dazu hält die Familie Mehrheitsanteile an der Mayr-Melnhof Karton AG und ist Alleineigentümerin der Mayr-Melnhof Holz Holding. Dem Salzburger Zweig der Familie um Maximilian Mayr-Melnhof gehören Teile des nahe der Landeshauptstadt gelegenen Untersbergs. Die Vorfahren der Mayr-Melnhofs gingen im Vergleich zu prominenteren Adelsgeschlechtern den umgekehrten Weg: Sie wurden erst reich und dann geadelt.
Neben Kirche und Adel zählen Industrielle zu den größten Grundbesitzern im Land, etwa die Familie der Papier-Industriellen Vater Thomas und Sohn Cord Prinzhorn. Zwischen 2018 und 2019 erwarb die Familie von den Nachkommen des österreichischen Zweigs der Rothschilds 12.400 Hektar Waldbesitz in Gaming im Bezirk Scheibbs um kolportiert knapp 200 Millionen Euro. Im Jahr 2009 erwarb Ernst Wilhelm Ferdinand von Baumbach – seiner Familie gehört der deutsche Chemie-Riese Böhringer-Ingelheim – die Alwa Güter- und Vermögensverwaltung – mit einer Fläche von 23.500 Hektar Mitteleuropas größtes Jagdgebiet – um kolportierte 120 Millionen Euro.
Roter Reichtum
Doch der ansehnliche Besitz von Kirche, Adel und Industrie wird flächenmäßig von einer öffentlichen Institution übertroffen, die in der Hand des Klassenfeindes ist: der SPÖ-dominierten Gemeinde Wien, derzeit unter Bürgermeister Michael Ludwig. In und um Wien werden über 9000 Hektar Wälder vom Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt betreut, darunter der Lainzer Tiergarten, die Lobau, der Wienerberg und Teile der Donauinsel und des Wienerwaldes.
Zudem besitzt die Stadt zwei besonders wertvolle Exklaven: die Quellgebiete der beiden Wiener Hochquellenleitungen im Rax- und Schneeberggebiet sowie im Hochschwab-Massiv. Die Fläche umfasst insgesamt 33.500 Hektar Wald, Almen und Wiesen mit rund 70 natürlichen Quellen. Von den Ländern reicht da nur die Steiermark heran. Die Steiermärkischen Landesforste bewirtschaften eine Gesamtfläche von 27.700 Hektar.
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, heißt es im Artikel 14 des deutschen Grundgesetzes. Verpflichtet großes Eigentum umso mehr? Auf jeden Fall, sagt Carl Philip Clam-Martinic, 50, Eigentümer eines Forstbetriebs mit 400 Hektar und der Burg Clam im Bezirk Perg im Unteren Mühlviertel: „Ich kann nichts dafür, dass ich diesen Besitz geerbt habe. Aber ich trage die Verantwortung für meine Mitarbeiter und den Erhalt des Vermögens. Wenn ich mich im Schaukelstuhl zurücklehne und für mein Auslangen alle paar Jahre etwas Grund verkaufe, würde ich etwas falsch machen im Leben.“
Ihre Eigentumsrechte können Großgrundbesitzer nicht uneingeschränkt ausüben. Anna Mathyl und ihre Erben müssen auch in Zukunft das Baden, Segeln, Tauchen oder Rudern im Mondsee erlauben. Dies ist durch eine Regelung garantiert, die bis ins Jahr 1888 zurückreicht. Bei den meisten anderen privaten Seen benötigt man zum Baden die Erlaubnis des Eigentümers. In Seen im öffentlichen Besitz ist Schwimmen, Rudern und Stehpaddeln laut dem Wasserrechtsgesetz 1959 erlaubt – so man einen öffentlichen Zugang zum See findet, was etwa am Wörthersee, dessen Ufergrundstücke durchwegs in Privatbesitz sind, schwerfällt.
Das Forstgesetz aus dem Jahr 1975 legte eine Waldöffnung fest und bestimmt, dass jede Person grundsätzlich privaten oder öffentlichen Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten darf. Zelten, Mountainbiken oder Reiten ist nur mit Zustimmung des Waldeigentümers zulässig. Aus forst-, jagd- und wasserrechtlichen oder militärischen Gründen können Betretungsverbote erlassen werden. Das Betreten von Wiesen, Äckern und Weiden ist ohne Einverständnis der Grundeigentümer im Allgemeinen verboten.
Der heimische Föderalismus verschont auch nicht Grund und Boden. Während für Wälder der Bund zuständig ist, liegt die Kompetenz für Almen und alpines Ödland bei den Ländern. Entsprechend vielfältig sind die Regelungen. Doch in allen alpinen Bundesländern ist die „Wegefreiheit im Bergland“ oberhalb der Waldgrenze gegeben. Grob vereinfacht zusammengefasst: In Wäldern und am Berg existiert de facto für jedermann ein Grundrecht auf Zugang zur Natur. Die Eigentumsrechte von privaten Besitzern sind eingeschränkt.
Gegen angemessene Gegenleistungen stehen Bergbesitzer Eingriffen in ihr Eigentum ohnehin offen gegenüber. Im Jahr 2007 beschloss der Gemeinderat von Prägraten in Osttirol einstimmig, den früheren Mullwitzkogel in „Wiesbauerspitze“ umzubenennen, aus Dank gegenüber dem Wiener Wurstfabrikanten, der auf einer Schleife um seine Bergsteigerwurst Werbung für Prägraten machte. Dazu finanzierte Wiesbauer einen Wanderweg auf den „Wurstberg“ und stiftete 2013 ein vier Meter hohes und 450 Kilo schweres Gipfelkreuz aus Eisen und Edelstahl. Der Alpenverein weigert sich bis heute, den Berg unter seinem neuen Namen in den Karten einzutragen.
Ex-Landeshauptmann Günther Platter bezeichnete die Umbenennung des Mullwitzkogels zu Marketingzwecken ausdrücklich nicht als eine „Schnapsidee“.

Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.