Analyse

Günther Platter: "Es ist einmal genug."

Warum die schwarz-grüne Ära in Tirol auf ihr Ende zusteuert und was der Rückzug des ÖVP-Landeshauptmanns für die Bundespartei bedeutet. Drei Thesen.

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"Es ist einmal genug", sagte Günther Platter. 14 Jahre lang war er Landeshauptmann von Tirol gewesen. Das Gerücht, sein Rückzug könnte unmittelbar bevorstehen, war in den vergangenen Wochen immer wieder aufgeflackert. Für den 68-Jährigen war einiges zusammengekommen: Persönliche Belastungen, nicht nachlassende Anfeindungen und Drohungen, eine Serie von Affären und Pannen in der eigenen Partei im Bund. Und dann einigten sich die Grünen im Land, die seit 1989 im Tiroler Landtag und seit 2013 in der Landesregierung sitzen, auch noch auf eine Doppel-Spitze, mit der viele in der ÖVP ihre Probleme haben.

Zwar bemüht Platter sich redlich, den Eindruck zu zerstreuen, die grünen Personalrochaden hätten ihm die Entscheidung leichter gemacht. Auch die Probleme in der Bundespartei sollen keine Rolle gespielt haben. Doch sie gehören zur Gemengelage dazu. Und: Im Unterschied zu den schwarzen Parteistrategen in Tirol ist der grüne Juniorpartner auf einen vorgezogenen Wahlkampf nicht wirklich gut vorbereitet.

Der Zeitpunkt, den schwarz-grünen Pakt aufzukündigen, und das Amt zu übergeben, kommt also gelegen. Rasch hatte sich der Landesparteivorstand der Tiroler ÖVP auf einen Nachfolger verständigt. Wirtschaftslandesrat Anton Mattle soll der Spitzenkandidat der kommenden Landtagswahl sein. Dass Platters Wunschtermin dafür – der 25. September – in einem noch einzuberufenden Sonderlandtag abgesegnet wird, gilt als wahrscheinlich. Man darf es fast schon als Geste der Höflichkeit werten, dass der abtretende Landeshauptmann darüber noch mit den Grünen beratschlagen will. Sowohl SPÖ als auch FPÖ und Neos sind für vorgezogene Neuwahlen. Um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit muss die ÖVP nicht mehr bangen.

Drei Thesen, wie Platters Rückzug einzuordnen ist.

Zum einen könnte er das Ende der schwarz-grünen Ära in Tirol einläuten. Eine Fortsetzung der Koalition nach dem Herbst der Entscheidung wäre eine Überraschung. Für politische Beobachter hat der Grund einen Namen: Gebi Mair. Der Klubobmann der Tiroler Grünen war erst am Samstag zum Spitzenkandidaten bestimmt worden. Die grüne Soziallandesrätin Gabriele Fischer war ihm unterlegen. Sie gilt in Regierungskreisen als paktfähig und berechenbar. Die Lust, mit einem Grünen-Landesrat Mair weiterzuregieren, ist enden wollend, gelinde gesagt.

Zweitens: Aus Sicht der Tiroler ÖVP ist Mattle, 59, keine schlechte Wahl.  Zwar ist der Wirtschaftsbündler jenseits der engen Landesgrenzen ein eher unbeschriebenes Blatt. Zu kurzer, österreichweiter Bekanntheit hatte es der Ex-Bürgermeister des Bergdorfes Galtür im Paznauntal gebracht, als hier eine Lawine 38 Menschen in den Tod riss. Doch das ist mehr als zwanzig Jahre her.  In Tirol gilt der gelernte Radio- und Fernsehtechniker als leutselig und über die Grenzen der eigenen Partei geachtet. Bei der Landtagswahl 2018 holte er in seinem angestammten Wahlkreis Landeck über 8000 Vorzugsstimmen, und ließ damit sämtliche Persönlichkeits-Wahlkämpfer hinter sich. Wer sich im Land umhört, erfährt, dass der „Mattle-Toni“ auch mit den in Tirol immer noch gewichtigen Bauern gut kann, was auch daran liegt, dass er selbst eine kleine Landwirtschaft betreibt.

Drittens: Was der Platter-Rücktritt für die Bundes-ÖVP bedeutet. Mit Platter tritt der letzte ÖVP-Veteran aus der Ära des Wolfgang Schüssel ab. In dessen Zeit als Bundeskanzler diente Platter von 2003 bis 2007 als Verteidigungsminister, danach unter SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer als Innenminister. Von Schüssel konnte Platter lernen, dass eine Koalition der Großparteien – ob im Bund, ob in den Ländern – nicht in Stein gemeißelt ist, und man die Sozialdemokraten durchaus von der Macht entfernen und fernhalten kann. Daher war es für Platter auch kein Neuland, als Sebastian Kurz 2017 zunächst die SPÖ-ÖVP-Koalition sprengte und nach gewonnener Wahl mit Hilfe der FPÖ Bundeskanzler wurde.

Neben Johanna Mikl-Leitner ist Platter der einzige aus der ÖVP-Landeshauptleute-Riege, der als Minister Erfahrungen in der Bundespolitik sammelte – was ihn nicht davon abhielt, als Landeshauptmann zum Wohle Tirols den Bund komplett zu ignorieren. Wenn auf Bundesebene allerdings etwas komplett schiefläuft, können es die Länder nicht ausblenden. So wie derzeit: Die Mega-Inflation sorgt auch bei den ÖVP-Landeshauptleuten für Nervosität. Peinliche Chat-Serien und eine Serie größerer und kleinere Skandale – von der Kritik des Rechnungshofs an den ÖVP-Finanzen bis zu den Turbulenzen um den Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner – sind unangenehm. Wirklich gefährlich wird für die Volkspartei die Teuerung – und zwar nicht nur die derzeitige, sondern vor allem diejenige, die erst im kommenden Jahr mit Verspätung schlagend wird, etwa bei den Energiepreisen.

Daher wird in den ÖVP-Landesparteien hinter den Kulissen heftig debattiert, die für kommendes Jahr fälligen Landtagswahlen nach dem Vorbild Tirols vorzuziehen. Vor allem in Sankt Pölten wird an Neuwahlen gedacht. Die Überlegung: Je länger die Teuerung anhält, desto verdrossener werden die Bürger. Noch dazu droht über den Winter eine weitere Corona-Welle, die den Wählerinnen und Wählern die Stimmung noch mehr verdirbt und der Impfgegner-Partei MFG hilft. Dennoch will Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer vorerst am Frühjahrstermin 2023 festhalten. Verluste sind jedenfalls für alle ÖVP-Landesparteien programmiert. Günther Platter hätte im Vergleich zu 2018 mit zweistelligen Verlusten rechnen müssen – auch deswegen zog er den Abschied vor. Zurück bleibt sein Bundesparteiobmann. Eine Niederlagenserie in den Ländern wird auch Karl Nehammer schwächen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges