HISTORISCH BETRACHTET: Ex-Sozialminister Herbert Haupt sieht für die FPÖ heute mehr Spielraum als im Jahr 2000.

Herbert Haupt: "Der ÖVP Paroli bieten"

Herbert Haupt, FPÖ-Obmann und Sozialminister der ersten schwarz-blauen Regierung, über den schwierigen Spagat der FPÖ und seinen Ärger über Justizminister Josef Moser.

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INTERVIEW: CLEMENS NEUHOLD

profil: Welche Parallelen und Unterschiede sehen Sie heute zu Schwarz-Blau I? Haupt: Die ÖVP stellt diesmal nicht als Dritter den Bundeskanzler, sondern als klarer Gewinner. Und auch die FPÖ hat deutlich zugelegt. Zwei Gewinner in einer Regierung sichern ein ruhigeres Fahrwasser als einer.

profil: Hat die FPÖ unter Kanzler Sebastian Kurz mehr oder weniger Spielraum als einst unter Wolfgang Schüssel? Haupt: Mehr. Wir hatten damals ausschließlich ehemalige SPÖ-Ressorts übernommen, mit devastierten Ministerbüros. Dort bekamen wir es nicht nur mit dunkelroten Parteisoldaten zu tun, sondern mit schwarzen Aufpassern, die Schüssel geschickt eingeschleust hatte. Die ÖVP hingegen behielt ihre Ressorts. So konnte sie viel stärker ihre Handschrift und ihr Tempo aufdrücken.

profil: Nun hat die FPÖ von der ÖVP das Innenministerium übernommen, und eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz sorgt für Turbulenzen. Könnte Innenminister Herbert Kickl über die Affäre stolpern? Haupt: Kickl hält sich an den Rechtsstaat. Auffallend ist, dass Justizminister Josef Moser von den Angriffen gänzlich verschont bleibt. Jeder, der sich auskennt, weiß, dass die Staatsanwaltschaft die Führerin des Verfahrens ist. Wenn es Fehler gab, dann seitens der Justiz. Ich habe den Eindruck, dass alte rot-schwarze Seilschaften Kickl dabei behindern wollen, mit den Missständen aufzuräumen, die sich ab dem ÖVP-Minister Ernst Strasser im Jahr 2000 über Günther Platter bis hin zu Johanna Mikl-Leitner aufgebaut haben. Es müssen auch Ex-Rechnungshof-Präsident Moser und andere Rede und Antwort stehen, warum sie dem Treiben jahrelang zugesehen haben.

profil: Moser stand den Blauen stets nahe. Haupt: Er war nie ein Blauer. Er war unabhängiger Personalvertreter bei der Finanz, ein persönlicher Freund von Jörg Haider. Später stellte er als Rechnungshofpräsident Finanzminister Karl-Heinz Grasser eine Art Blankoscheck durch die RH-Überprüfung nach der Buwog-Privatisierung aus.

Nötigenfalls muss man der ÖVP auch Paroli bieten.

profil: Die FPÖ leitet heute wieder das Sozialressort. Scheitert die FPÖ am Spagat zwischen Partei des kleinen Mannes und Partner der konzernfreundlichen ÖVP? Haupt: Der Fokus auf jene, die arbeiten und Steuern zahlen, ist richtig. Die FPÖ muss ihren Mitgliedern die neue Politik wie den 12-Stunden-Tag nur gut und rasch erklären. Denn der Österreicher hat es am liebsten, wenn alles so bleibt, wie es ist. Der 12-Stunden-Tag im Bedarfsfall ist in vielen Betrieben ja längst Realität. Die FPÖ muss außerdem intern geschlossen sein. Das schafft Heinz- Christian Strache ganz gut. Wenn Haider nicht deiner Meinung war, suchte er sich einen Zeitungsjournalisten und verstärkte den Druck öffentlich.

profil: Trotzdem erntet Strache auf seiner Facebook-Seite wütende Kommentare. Haupt: Nötigenfalls muss man der ÖVP auch Paroli bieten. Beim Durchrechnungszeitraum für den 12-Stunden-Tag schießen die Schwarzen übers Ziel. Das entscheidende Atout einer sinnvollen Flexibilisierung ist doch, dass ich dank 12-Stunden-Schichten dann drei Tage am Stück bei meiner Familie bin oder mehr Gehalt beziehe. Es kann nicht sein, dass ich eine 60-Stunden-Woche nach der anderen schiebe und erst zum Sankt Nimmerleinstag die gewonnene Freizeit oder die Bezahlung für die Überstunden konsumieren darf. Das wird sicher geändert, und die Freiwilligkeit wird dank FPÖ ins Gesetz geschrieben.

profil: Die Kürzung der Mindestsicherung auf 560 Euro trifft nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Österreicher ohne Pflichtschulabschluss. Haupt: Den Pflichtschulabschluss sollten sie mithilfe des AMS rasch nachholen, um die Zukunftschancen zu steigern.

profil: Wer kann von 560 Euro leben? Haupt: Das ist schwer, aber es geht, wenn Leistungen fürs Wohnen und sonstige Vergünstigungen hinzukommen. Es geht um Gerechtigkeit und den Abstand zu Menschen, die jahrelang hart gearbeitet und Kinder großgezogen haben. Manche Bauern und viele Frauen könnten mit ihrer Mini-Pension außerhalb des Familienverbandes nur schwer überleben.

profil: Sie sind schlagender Burschenschafter. Wie lange wurden auf ihrer Bude Nazi-Lieder gesungen? Haupt: Nie. In meiner Verbindung war Gott sei Dank schon früh klar, dass diese Lieder dem Geist der Korporation nicht entsprechen.

profil: War die Einsetzung der parteiinternen Historikerkommission richtig? Haupt: Ja. Ich erwarte, dass das eine oder andere noch aufgeklärt und der Trennstrich zwischen "National" und Nationalsozialismus noch deutlicher und breiter gezogen wird. Die Partei ist hier auf einem guten Weg.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.