Ein Smartphone zeigt ein Online-Casino, umgeben von Spielchips, Würfeln und einem Vierling Asse.
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Koalitionskonflikt um Online-Glücksspiel? Neos für Liberalisierung

Die Neos stellen sich gegen einen Gesetzesentwurf des roten Finanzministeriums: Sie wollen den Online-Casino-Markt für mehrere Anbieter öffnen, derzeit gibt es nur eine Lizenz. Davon erhoffen sie sich höhere Steuereinnahmen.

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In der Vorwoche passierte etwas, das ganz und gar untypisch für die Dreierkoalition ist: Der Entwurf für ein neues Glücksspielgesetz, ausgeheckt vom roten Finanzministerium (BMF), wurde geleakt. 

Wer den Vertrauensbruch beging, ist unklar. Fest steht: Der Gesetzestext ist nicht mehr als eine Verhandlungsgrundlage, die Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ und Neos starten erst.

Das steht im Glücksspiel-Gesetzesentwurf

Das Gesetzesvorhaben sieht die Einrichtung einer unabhängigen Glücksspielbehörde vor, die in Zukunft über die Vergabe der Lizenzen entscheidet. Was die Konzessionen angeht, zementiert der Entwurf den Status quo ein: Es soll weiterhin zwölf Casinos im Land geben. Und: die einzige Online-Lizenz soll weiterhin an die Lotto-Lizenz gebunden sein. Derzeit wird sie von den Österreichischen Lotterien und ihrer Tochter win2day gehalten – ein Monopol also, das künftig strenger überwacht werden soll. Illegale Anbieter, die derzeit zu Dutzenden österreichische Spieler in ihre Online-Casinos locken, sollen mittels IP-Blocking und Zahlungssperren vom Markt ausgeschlossen werden.

Die Sperren sind unter den Koalitionären unstrittig, sie gelten als wichtige Spielerschutzmaßnahme. Bereits Türkis-Blau und Türkis-Grün hatten sich das IP-Blocking vorgenommen, es wurde aber nie umgesetzt. 

Doch insbesondere im Bereich des Online-Glücksspiels gibt es offenbar noch Diskussionsbedarf. Die Neos wagen sich in Gestalt von Nationalrat und Glücksspiel-Sprecher Christoph Pramhofer aus der Deckung. Er rüttelt an der bisherigen Architektur des Glücksspielmarktes. 

Neos: Mehr Online-Casino-Anbieter bringen mehr Einnahmen

Sein Argument: „Die Glücksspielabgabe ist eine wichtige Einnahmequelle. Wenn es um so große mögliche Einnahmenströme geht, ist unsere Aufgabe als Regierung, dass man das offen und wertoptimierend ausschreibt.“

Was der Neos-Nationalrat „wertoptimierend“ nennt, bedeutet nichts anderes als: Mehr Anbieter, mehr Spieler, höhere Spielverluste und damit ein höheres Aufkommen an Glücksspielabgabe für den Staatshaushalt. Das Unglück der Spieler soll das Budget mitsanieren. Tatsächlich will die Regierung bis 2031 fast eine Viertelmilliarde Euro zusätzlich aus der Glücksspielabgabe generieren.

Dafür wollen die Neos die Online-Lizenz von den Lotterien entkoppeln. Pramhofer: „Das sind vom Business Case ganz andere Dinge. Aus unserer Sicht hat das nichts miteinander zu tun und sollte getrennt ausgeschrieben werden. Dann könnten im Online-Bereich andere Anbieter kommen, die das viel attraktiver machen.“

Das Online-Monopol soll durch mehrere Lizenzen abgelöst werden, findet Pramhofer und reitet eine subtile Attacke auf die teilstaatliche Casinos Austria AG: „Das nur so auszuschreiben, dass ein teilstaatliches Unternehmen den Zuschlag kriegt, wird unserem Job nicht gerecht. Es gibt keinen guten Grund dafür, dass es nur eine Online-Lizenz gibt. Strenger Spielerschutz ist wichtig, über Anbieter hinweg. Wenn der gewährleistet ist: Warum sollte es nur ein Anbieter sein?“

Ob es künftig eine fixe Obergrenze an Lizenzen geben solle oder jeder Anbieter eine Bewilligung bekommen könne, der die Kriterien erfüllt, dazu sind die Neos noch diskussionsbereit, wobei sie eher zweiteres favorisieren – das sogenannte dänische Modell.

Ähnlichkeiten zu Wunschliste einer Glücksspiel-Lobby?

Auffällig ist: Die Neos-Positionierung ähnelt jener der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG), unter deren Dach sich auch jene Anbieter versammeln, die Online-Casinos ohne österreichische Konzessionen betreiben – und im Hintergrund für eine Liberalisierung des Marktes lobbyieren.

Hat sich die Überzeugungsarbeit bezahlt gemacht? Neos-Mann Pramhofer verneint: „Wir haben diese Linie schon weit vor den Regierungsverhandlungen gebildet und lassen uns da von Interessensvertretungen nicht beeinflussen. Wir hören uns deren Argumente an, aber die Meinung bilden wir uns selbst.“ 

SPÖ-Verhandler Kai Jan Krainer will seinen Verhandlungspartnern vorab nichts über die Medien ausrichten. Ihm sind der Spielerschutz und die Zahlungssperren das größte Anliegen, mehr sagt er noch nicht. Ähnlich ÖVP-Verhandler Andreas Ottenschläger: „Wir stehen erst am Start der Meinungsbildung.“ Die Volkspartei ist dem Vernehmen nach, anders als die Neos, eher für eine fixe Obergrenze an Online-Anbietern.

Erleichtert wird die Positionierung bei den Neos durch den Abgang von Stephanie Krisper. Die Ex-Nationalratsabgeordnete war in ihrer aktiven Zeit eine laute Stimme für strengeren Spielerschutz. 

Neuerdings gehen die Neos betriebswirtschaftlicher an das Thema heran. 

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.