Offener Leichenwagen mit Sarg
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Komm teurer Tod: Deswegen lassen sich Migranten im Ausland bestatten

Viele Migrantinnen und Migranten lassen sich nach ihrem Tod lieber in Heimaterde bestatten als in Österreich. Für österreichische Unternehmen ist das ein sehr lukratives Geschäft.

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Erst kürzlich veröffentlichte die Statistik Austria neueste Zahlen zur Herkunft der österreichischen Bevölkerung in Österreich, der zufolge knapp 23 Prozent im Ausland geboren ist. Migrantinnen und Migranten leben hier und genauso sterben sie hier. Ihre letzte Ruhestätte jedoch suchen viele von ihnen dort, wo sie dereinst hergekommen sind. 

Erst vergangene Woche, sagt Kadir Etükoğlu, hat sein Unternehmen die Überführungen zweier Verstorbener nach Afghanistan organisiert. Etükoğlu stammt aus der Türkei und ist Bestatter in Wien. Unter den rund 30 Unternehmen, die die Wiener Wirtschaftskammer in der Liste der Bestatter führt – diese teilen sich die Innung mit den Rauchfangkehrern – gehört er zu jener Handvoll Unternehmer, die ihr Geschäft vor allem mit Überstellungen ins Ausland machen. Und dieses ist durchaus lukrativ. 

Wie viele Migrantinnen und Migranten sich lieber in Heimaterde begraben lassen als in Österreich, weiß niemand genau – dieser Zahl kann man sich aber aus mehreren Richtungen annähern: In Wien beispielsweise, wo die meisten Migrantinnen und Migranten leben, wurden vergangenes Jahr 1.228 sogenannte Leichenpässe ausgestellt, heuer waren es 973 (Stand gestern). Diese Dokumente braucht es, damit die sterblichen Überreste außerhalb der EU gebracht werden können. Für welche Zielländer die Pässe ausgestellt werden, erfasst die elektronische Aktenverwaltung der Republik (ELAK) nicht, die Zahlen der Verstorbenen nach Staatsangehörigkeit bieten jedoch gewisse Anhaltspunkte, wohin die letzte Reise vieler Einwanderer geht: Im Jahr 2024 sind in Österreich insgesamt 88.486 Menschen verstorben, 5.668 davon waren ausländische Staatsbürger. Die größte Gruppe der Einwanderer sind die Deutschen und sie sind auch die größte Gruppe unter den Verstorbenen (im Vorjahr waren es 1299); gleich danach folgen Personen aus Serbien (796), Türkei (462), Bosnien und Herzegowina (537), der Ukraine (216) – und das sind nur jene Menschen mit ausländischem Pass. Die Eingebürgerten wären noch dazuzuzählen, die sich ebenfalls vielfach in ihren Herkunftsländern begraben lassen – wie viele das sind, ist jedoch nicht erfasst. 

4.000 Euro für Überstellung nach Afghanistan

Vergangenes Jahr sind 45 afghanische Staatsbürger in Österreich verstorben. Wenn sie lieber in Kabul als am Zentralfriedhof ihre letzte Ruhestätte finden, müssen ihre Verwandten ordentlich in die Tasche greifen. Die Angehörigen jener beiden Afghanen, deren Überstellung kürzlich der Wiener Bestatter Kadir Etükoğlu organisierte, mussten jeweils 4.000 Euro berappen.

Überstellungen sind eine kostspielige Angelegenheit, für die trotzdem vielen Familien bereitwillig zahlen, und zwar aus gleich zwei Gründen, sagt Etükoğlu: „Einerseits haben viele Menschen ein tiefes Bedürfnis, in ihrem Geburtsland ihre letzte Ruhestätte zu finden. Andererseits lassen sie sich auch deshalb lieber nicht in Österreich bestatten, weil die Grabplätze hier lediglich verpachtet werden.“ Viele würden fürchten, dass ihre Gräber eines Tages aufgelassen werden könnten, sollte es dereinst niemanden aus der Familie mehr geben, der sich um die Graberhaltung und die Pflege kümmert – etwas, das in den Herkunftsländern vieler Migrantinnen und Migranten ein Tabu ist. „Dort bleiben Gräber für immer,“ sagt Etükoğlu. Auch Einäscherungen würden so gut wie nie vorkommen.

Etükoglu ist selbst Imam und nimmt auch die rituellen Waschungen vor, die es vor jeder islamischen Bestattung braucht, am Wiener Zentralfriedhof beispielsweise gibt es die Möglichkeit dazu. Danach wird die Leiche in einen Metallsarg gelegt, der verlötet und auch bei Grenzübergängen nicht geöffnet wird. Manche werden per Flugzeug überstellt, andere per Auto. Neben den hohen Kosten bringen die Überstellungen auch einen nicht zu unterschätzenden bürokratischen Aufwand mit sich: Man braucht einem Leichenpass, den Totenschein, die Sterbeurkunde und Genehmigungen des jeweiligen Konsulats – und von jedem Land außerhalb der EU, durch das der Leichenwagen fährt. Selbst, wenn der Wagen nur auf Durchfahrt ist, sagt Milan Mihajlović, Eigentümer des Bestattungsunternehmens Drnda. Für Serbien beispielsweise brauchen ausländische Verstorbene – egal ob später in Österreich eingebürgert oder nicht – zudem eine Bestätigung darüber, dass sie dort tatsächlich auch einen Grabplatz haben. 

Mihajlović ist mehr als 30 Jahre im Geschäft und organisiert weltweit Überstellungen, vor allem in die Länder des ehemaligen Jugoslawiens. Im Monat organisiert sein Unternehmen zwölf bis 15 solcher Leichentransporte, meist per Auto, sagt Mihajlović: der Kilometer kostet 50 Cent, 600 Euro die Administration. Wessen Angehöriger nicht im Spital verstirbt, sondern zuhause, zahlt weitere 500 Euro für die Überstellung in die Leichenhalle, in der die Überreste der Verstorbenen bis zur Abfahrt verbleiben. Zudem kommen Kosten für den Sarg hinzu – das geht von 600 bis 3.000 Euro, sagt Mihajlović. 

Langsam, sagt der gebürtige Serbe Mihajlović, würde sich zumindest bei den Ex-Jugoslawen ein Kulturwandel abzeichnen. Zwar wollen immer noch die meisten dort begraben werden, wo sie herkommen, aber immer mehr suchen nach einem Grabplatz in Österreich. „Auch wir reagieren darauf,“ sagt Mihajlović „und erweitern unser Geschäft, um uns in diesem neuen Markt zu positionieren.“

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.