Pegida, wer steckt dahinter? Die islamkritische Bewegung kommt nach Österreich

Kulturkrieger: Pegida kommt nach Österreich - wer steckt dahinter?

Pegida. Wer steckt dahinter?

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Von Jakob Winter

Georg Immanuel Nagel befindet sich im Krieg. Der „Ethnomasochismus“ sei bei uns zur Staatsreligion erhoben worden und eine „Welle der Umvolkungspropaganda“ mache uns Masseneinwanderung aus dem rückschrittlichsten Teil der Erde schmackhaft. Doch der „deutsche Michel“ sei gut dressiert und würge deshalb den Döner hinunter. „Entweder wir halten diese Entwicklungen auf, oder wir gehen unter“, prophezeit Nagel. Dieses einschlägige Gedankengut gab der 28-jährige Wiener bisher in rechten Publikationen wie der FPÖ-nahen Wochenschrift „ZurZeit“ oder dem „Eckart“, der Zeitschrift der Landsmannschaften, zum Besten.

"Patriotische Europäer"
Vergangene Woche legte der „freisinnige Publizist“, wie er sich selber nennt, einen Karrieresprung hin: Er wurde zum Sprecher der österreichischen Pegida-Bewegung bestellt. Das Bündnis „patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ gründete sich im Oktober letzten Jahres in Dresden. Jeden Montag gingen bis zu 20.000 Menschen auf die Straße. Nachahmer schossen in vielen deutschen Städten wie Pilze aus dem Boden. Zumindest bei der Namensgebung wurde auf Alleinstellungsmerkmale geachtet: So kickte etwa der Leipziger Ableger die Europäer aus dem Namen und nennt sich Legida, die Kölner Truppe heißt Kögida und die Hamburger Hagida. Die Wiener Version des islamkritischen Bündnisses war allerdings weniger kreativ. Anstatt die Gruppierung Wigida zu taufen, klaute man einfach den Namen aus Dresden und heißt nun auch Pegida. Verwirrend. Nagel gesteht ein: „Es gibt zahlreiche verschiedene Gruppen, man blickt nicht mehr ganz durch.“

Wie groß die Bewegung in Österreich wird, ist nicht abzuschätzen. In Deutschland dominierte das rechte Phänomen über Wochen den innenpolitischen Diskurs. Doch mittlerweile kämpft Pegida mit einer schweren Krise: Bei der Leipziger Kundgebung am Mittwoch vergangener Woche kam es zu Ausschreitungen. Mehrere Journalisten berichteten von Angriffen durch Legida-Demonstranten. Die Dresdner Pegida distanzierte sich öffentlich von den Leipzigern. Aber auch der Gegenwind für das Gesicht von Pegida, Lutz Bachmann, nahm zu. Immer mehr Sünden aus der Vergangenheit holten ihn ein: Als die österreichische Fußballnationalmannschaft am 6. September 2013 gegen Deutschland antrat, twitterte er: „Mein Opa würde sich kaputtlachen. Deutschland spielt gegen Deutschland.“ Dann tauchte auch noch ein Bild von Bachmann auf, das ihn dabei zeigt, wie er als Adolf Hitler posiert. Er musste schließlich zurücktreten. Die Bewegung, die es anfangs geschickt verstand, den rechten Nerv vieler Deutscher zu treffen, ist führungslos und intern zerstritten. In den meisten Städten marschieren inzwischen mehr Menschen gegen Pegida auf als dafür.

Wiener Fußball-Hooligans als Initiatoren
Gerade in dieser Phase wollen ein paar unerschrockene Österreicher so richtig durchstarten. Bisher waren sie nur auf der sozialen Plattform Facebook aktiv – mit einem beachtlichen Auditorium von 10.000 Fans. Lange wurde spekuliert, wer dahintersteckt. Jetzt ist klar: Wiener Fußball-Hooligans dürften die Bewegung ins Leben gerufen haben. Das legt der Name jenes Mannes nahe, der die erste Kundgebung für den 2. Februar in Wien angemeldet hat: Arnold S. aus dem steirischen Bezirk Leoben. Seine Verbindungslinien in die Bundeshauptstadt führen zur Wiener Austria. Für die antifaschistische Fan-Initiative „Ostkurve statt Ustkurve“ ist der Austria-Konnex „eindeutig evident“.Der bullige, kahlrasierte Steirer ist eingefleischter Violetter und mit der radikalen Fanszene bestens vernetzt. Fangruppen wie „Unsterblich Wien“ nutzen den Sport schon länger, um ihr rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten. Auch wenn S. eine Mitgliedschaft nicht direkt nachgewiesen werden kann: Die Glatzköpfe im Fanblock kennen sich.

Nagel ist erst später zu Pegida gestoßen. Über das Internet hat er sich mit den Hintermännern vernetzt und bald persönlich getroffen. So ist ein innerer Zirkel von etwa 15 Personen entstanden, die anonym bleiben wollen. Aus diesem verstohlenen Kreise wurde Nagel als Sprecher auserkoren. Besonders medienerfahren ist Nagel allerdings noch nicht. Zu Terminen mit Journalisten nimmt er deshalb einen „Berater“ mit, der ebenfalls anonym bleiben möchte.

Mit Anzug, Krawatte und grauem Flatcap gibt sich Nagel als braver Bürger. Vor seiner Tätigkeit als Journalist vertrieb sich der Philosophie-Student die Zeit als Techno-DJ. Unter dem Pseudonym „George Le Nagelaux“ produzierte er Songs mit Titeln wie „Genocidium“. Vor vier Jahren sei ihm schließlich klar geworden, wo er politisch hingehöre. Ob er FPÖ-Mitglied ist, will er nicht verraten.

Auch christliche Flüchtlinge nicht willkommen
Was hat dieser konspirative Zirkel namens Pegida vor? Wie der Name sagt, richtet sich das Bündnis vordergründig gegen den Islam. Doch ganz so eng nimmt es Nagel nicht: Auf christliche Flüchtlinge aus Afrika angesprochen, winkt er ab. Langfristiges Ziel der Bewegung ist es nämlich, das Asylrecht auf den jeweiligen Kontinent zu beschränken. „Wenn ein afrikanischer Flüchtling nur in Afrika Asyl beantragen könnte, würde er die Reise über das Mittelmeer nie antreten und nicht ertrinken“, glaubt Nagel. Zynismus? Nein: Die „Multikulti-Epigonen“ hätten „falsche Anreize für Wirtschaftsflüchtlinge gesetzt und seien damit „schuld an diesen schrecklichen Ereignissen“.

Die rechten Ideologen haben sich bereits konstituiert: Ein Verein wurde eingetragen. Neben Sprecher Nagel besteht der Vorstand noch aus einem zweiten Mann, der aber erst bei der Kundgebung am 2. Februar an die Öffentlichkeit treten wird. Er kommt aus der Steiermark und ist ein Freund von Arnold S..

Nagel: "Gutes Einvernehmen mit der Polizei"
Inzwischen machen auch linke Gegner mobil: „In Wien kriegt ihr keinen Meter“, kündigt etwa die „Offensive gegen Rechts“ an. Das Linksbündnis will die Kundgebung blockieren. Nagel vertraut auf die Exekutive: „Wir haben gutes Einvernehmen mit der Polizei. Es gibt ein Konzept.“ Aus Sicherheitsgründen werde man die offizielle Demoroute erst sehr spät bekanntgeben.

Ob der Islam in Österreich verboten werden solle? Nagel schaut fragend in Richtung seines Beraters. Der schüttelt hastig den Kopf und schiebt ihm einen Notizzettel zu: „Der Islamismus ist eine gefährliche Ideologie“, sagt Nagel. Jede islamische Einwanderung sei deshalb sofort zu stoppen. Rassismusvorwürfe lässt Pegida nicht gelten. „Wir sind Ethnopluralisten“, erklärt Nagel. Alle Völker hätten ihre Existenzberechtigung. Aber: „Es darf nicht sein, dass wir hier in Europa von einer anderen Kultur verdrängt werden.“ Natürlich gebe es „große Unterschiede zwischen den Völkern“. Was die österreichische Ethnie oder Kultur so besonders mache, kann er ad hoc nicht beantworten.

Foto von Sebastian Reich (www.sebastianreich.com)

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.