Telefonüberwachung ohne Dienstvertrag
Lauschgift: Brisanter Prozess um Telefonüberwachungen

Lauschgift: Brisanter Prozess um Telefonüberwachungen

Vor dem Arbeitsgericht beginnt ein Prozess, der um eine politisch brisante Frage kreist: Lässt das Innenministerium Telefonüberwachungen von Scheinselbstständigen durchführen?

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Sie hören mit, wenn Drogenhändler sich absprechen, Rotlichtgrößen und Räuber ihre Coups planen oder Wirtschaftsverbrecher verschlüsselte Nachrichten austauschen. Bei den heikelsten Amtshandlungen der Republik sind sie unsichtbar und gleichzeitig mittendrin: die polizeilichen Telefonüberwacher.

Die erfahrensten Kriminalbeamten sollten hier am Werk sein. Doch weit gefehlt: In der Praxis obliegt die Telefonüberwachung – immerhin ein schwerer Eingriff in Persönlichkeitsrechte – mitunter Dolmetschern, die weder gerichtlich beeidet noch Vertragsbedienstete sind. Möglicherweise handelt es sich dabei sogar um Scheinselbstständige.

Das fliegt nun – eher zufällig – durch eine Causa auf, die am Wiener Arbeits- und Sozialgericht verhandelt wird. Auf den ersten Blick unscheinbar, birgt sie politisch einigen Sprengstoff. Innen- und Justizministerium boxen derzeit ein umfangreiches Sicherheitspaket durch: Mehr Überwachung ist das erklärte Ziel. Dabei zeigt der gerichtsanhängige Fall, dass die Polizei schon jetzt nicht mehr in der Lage zu sein scheint, diese hoheitliche Aufgabe ordentlich zu erfüllen.

E. muss von einem Tag auf den anderen gehen.

Zur Vorgeschichte: Aleksija E.*, die als Kind von Gastarbeitern aus Ex-Jugoslawien zweisprachig aufgewachsen ist, erfährt, dass die Polizei händeringend nach Leuten sucht, die bei Amtshandlungen dolmetschen. E. hat weder studiert, noch ist sie gerichtlich beeidet, aber sie wird sofort engagiert und lauscht jahrelang bei Telefongesprächen – vor allem im Suchtgiftmilieu – mit. Sie arbeitet zu fixen Zeiten, oft kommen über 40 Stunden in der Woche zusammen, die sie mit einer Honorarnote abrechnet. Sie ist einem Kriminalbeamten zugeteilt. Alle Arbeitsmittel – vom Überwachungszimmer bis zum Polizeicomputer und den Passwörtern – stellt der Dienstgeber. Irgendwann kommt es zu Konflikten in der Kollegenschaft; E. muss von einem Tag auf den anderen gehen.

Schreiben der Finanzprokuratur

Sie fällt aus allen Wolken und sucht Hilfe. Bei der Arbeiterkammer fühlt man sich für die selbstständige Übersetzerin nicht zuständig. Die Wirtschaftskammer schickt sie mit der Begründung weg, inzwischen sei sie ja nicht mehr selbstständig tätig. Bei der Gebietskrankenkasse hält man ihren Werkvertrag nicht für rechtens; so landet sie als vermeintliche Vertragsbedienstete bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA). Doch auch hier weiß man mit E. nichts anzufangen. Vielleicht ist man schlicht nicht darauf eingestellt, dass mitunter nicht nur private Unternehmen den Staat um Sozialversicherungsbeiträge bringen, sondern auch das Innenministerium, also der Staat selbst.

Handelt es sich bei den angelernten „Polizeidolmetschern“ um Scheinselbstständige, geraten die politisch Verantwortlichen in Erklärungsnöte.

Die gewerkschaftliche Initiative vida-flex, die sich um die wachsende Zahl der Einpersonenunternehmen (EPUs) in Österreich kümmert, nimmt sich der Frau schließlich an. Ihr Fall wandert zum Arbeitsgericht, wo sich nun klären soll, ob E.* selbstständig war, wie die Finanzprokuratur als Anwalt der Republik in ihrer Klagsbeantwortung behauptet, oder ob sie eine Vertragsbedienstete war – mit allen Urlaubs- und Gehaltsansprüchen, aber auch Verschwiegenheitspflichten, die sich daraus ableiten. Nicht nur Wirtschaftsanwalt und vidaflex-Vorsitzender Oliver Stauber dürfte dem Urteil mit Spannung entgegenblicken. E. sei kein Einzelfall, sagt er: „Es ist an vielen Dienststellen üblich, dass vor allem Telefonüberwachungen von Hilfskräften auf Werkvertragsbasis durchgeführt werden. Oft sitzt nicht einmal ein Beamter daneben.“

Handelt es sich bei den angelernten „Polizeidolmetschern“ (Variante eins) um Scheinselbstständige, geraten die politisch Verantwortlichen in Erklärungsnöte: Warum stellt die Republik nicht mehrsprachige Beamte ein oder zieht wenigstens gerichtlich beeidete Dolmetscher hinzu? Und warum fiel dem Rechnungshof, dessen Präsident der nunmehrige Justizminister Josef Moser bis vor Kurzem war, bis dato nicht auf, dass das Innenressort damit den Stellenplan des Bundes unterläuft?

Wertet das Gericht E.s Arbeit hingegen als Selbstständigkeit (Variante zwei), kommen auf die Republik vergabe- und wettbewerbsrechtliche Probleme zu. Die Leistungen für externe Übersetzungsleistungen müssten ausgeschrieben werden; die Honorare liegen oft weit über den Schwellenwerten. Für Stauber berührt E.s Fall auch „Fragen des fairen Wettbewerbs: Wie kommen beeidete Dolmetscher oder Übersetzungsbüros dazu, dass sie draußen bleiben, weil gar nicht ausgeschrieben wird? Da vermisse ich auch die Aktivität der Wirtschaftskammer.“

Wie immer das Urteil auch ausfällt – es wird einen Abhörskandal ans Licht bringen. So viel lässt sich schon sagen.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges