Leopold Figl, selig

Als Studentenvertreter fiel Leopold Figl durch antisemtische Hetze auf. Eignet sich der Ex-Kanzler als göttlicher Fürsprecher?

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Leopold Figl (1902 bis 1965), ehemaliger Bundeskanzler, Außenminister und ÖVP-Landeshauptmann, wird – neben Maria Theresia und Bruno Kreisky – als Lichtgestalt des österreichischen Nationalbewusstseins verklärt. Geht es nach dem St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz, soll Figl bald in noch höhere Sphären aufsteigen. Vor Weihnachten verriet der Würdenträger den „Niederösterreichischen Nachrichten“, er wolle einen Seligsprechungsprozess einleiten. Und: Die Idee habe er „im Gespräch mit Vertretern des niederösterreichischen Bauernbunds“ geboren. Gelingt es Schwarz, die Bischofskonferenz dafür einzunehmen, ist Rom am Wort.

Beim jungen Figl müssten die Faktenchecker des Papstes gnädig sein. Als Student der Bodenkultur fiel er durch antisemitische Hetze auf, im Juni 1925 unterzeichnete der Bauernsohn aus Tullnerfeld - damals Vertreter der katholischen Minderheitsfraktion der „Deutschen Studentenschaft“ – mit 17 weiteren Mitstreitern ein Manifest, in dem es heißt: „(…) Alle bedeutenden deutschen Gelehrten warnen das deutsche Volk vor der sittlichen Orientalisierung und rassischen Judaisierung. Die Judenfrage ist ein ernstes wissenschaftliches Problem. Es ist daher nicht nur das Recht, sondern vor allem die Pflicht jedes deutschen Kulturmenschen, offenen und ungescheuten Judenabwehrkampf zu führen, es eine Kulturnotwendigkeit ist. Philosemitismus führt zum Rassenchaos und zum Kulturtod – ist daher Kulturschande! Die Judengefahr verschweigen hiesse die Wahrheit verhüllen und die Unwahrheit vortäuschen“.

Die Passage ist einem Buch über die Universität für Bodenkultur nachzulesen, das der ehemalige Rektor, Rechtsprofessor und ÖVP-Politiker Manfried Welan herausgegeben hat. Welan, Jahrgang 1937, war am 15. Mai 1955 im Belevedere, als Figl nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags im Marmorsaal die berühmte „Österreich ist frei!“-Rede hielt und verehrt Figl als Nachkriegspolitiker. Seine antisemitische Episode in jungen Jahren würde er angesichts seiner Läuterung in sechs Jahren Konzentrationslager und seiner späteren Verdienste nicht zu hoch bewerten, wie er auf profil-Anfrage erklärt: „Als Politologe bin ich Skeptiker und sehe, dass es auf Machtverhältnisse und Moden ankommt.“ Was sagt der bekennende Katholik zur etwaigen Seligsprechung Figls? Welan: „Das halte ich für überflüssig. Als Altrektor würde ich mich aber über eine Seligsprechung eines Absolventen und Ehrendoktors der BOKU freuen.“

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges