Wohnen

Mieten steigen schon wieder: „Das ist menschenverachtend“

Im Juli steht bei bis zu 140.000 Haushalten die vierte Mieterhöhung in 15 Monaten an. ÖVP und Grüne können sich weiter nicht auf eine Mietpreisbremse einigen. Dabei raten selbst liberale Ökonomen zu Markteingriffen.

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Die Mieten werden schon wieder teurer: Für eine Altbauwohnung mit 70 Quadratmetern bedeutet das eine Preissteigerung um 200 Euro ab Anfang Juli. Es wird die vierte Mieterhöhung innerhalb von nur 15 Monaten sein. Laut Berechnungen der Arbeiterkammer (AK) summieren sich die vier Inflationsanpassungen auf durchschnittlich 600 Euro jährlich pro Haushalt.

Jede Mieterhöhung treibt die Inflation weiter an. Längst ist eine Preisspirale in Gang gesetzt. Denn Kategoriemieten werden automatisch angepasst – und zwar immer dann, wenn die Inflation seit der letzten Erhöhung die Hürde von 5,5 Prozent überschreitet.

Wie gedenkt die Regierung, aus diesem Teufelskreis herauszukommen? Mietervertreter, die Arbeiterkammer und die Opposition drängen weiter auf eine Mietpreisbremse. Die Grünen sind dafür, können sich aber gegen die ÖVP nicht durchsetzen. Inzwischen sind selbst Ökonomen für Eingriffe in den Wohnungsmarkt.

So viel mehr kostet jetzt Ihre Wohnung

Betroffen von den Teuerungen sind – je nach Schätzungen – zwischen 51.000 und 140.000 Haushalte, der Mikrozensus der Statistik Austria bietet dabei eine Berechnungsgrundlage. Wenn der Mietvertrag einer Altbauwohnung vor März 1994 abgeschlossen wurde, greift der Kategorienmietzins. Die Arbeiterkammer geht von 130.000 betroffenen Haushalten aus, mitgerechnet sind auch Gemeindewohnungen, die durch den Kategoriemietzins reguliert sind. Interessant ist, dass die ÖVP, der größte Gegner der Mietpreisbremse, von den meisten betroffenen Mietverhältnissen ausgeht, nämlich 140.000.

Sowohl die Kategorie- als auch die Richtwertzinssatz sind an der Inflation gekoppelt. Richtwertmieten können nur alle zwei Jahre (jeweils per 1. April) um die Durchschnittsinflation in diesem Zeitraum angehoben werden – das gilt für neuere Verträge. Aber auch die privaten Mieten werden heuer zwei- bis dreimal erhöht.

24 Prozent mehr als vor 15 Monaten: Im Schnitt bedeutet das Mehrkosten von rund 600 Euro für die selbe Wohnung. Das können sich viele nicht mehr leisten. 80 und 120 Beratungsgespräche führt die Mietervereinigung laut eigenen Angaben allein in Wien täglich durch. Häufigster Grund der Hilferufe: Die Mietzinserhöhungen. Selbst die Mittelschicht bekommt die Teuerung zu spüren. Wer früher noch regelmäßig in den Urlaub fahren konnte, muss nun das Geld für Wohnkosten sparen, erzählt die Vorsitzende der Mietervereinigung (MVÖ) Elke Hanel-Torsch. Die Mieterhöhungen belasten laut AK rund eine Million Mieter:innen in Österreich mit mehr als 183 Millionen Euro. Indirekt treffe die Teuerung nicht nur Kategoriemieter, da sich eine Erhöhung der Kategoriemieten auf die Betriebskosten für fast alle Mieterinnen und Mieter auswirke – Verwaltungskosten für Hausbetreuer steigen nämlich auch mit dem Kategoriemietzins.

Wir erleben tagtäglich, dass die Menschen weinen und nicht mehr weiterwissen.

Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung

Ruf nach Mietpreisbremse

Angesichts der anstehenden Preissteigerungen im Juli erneuern die Arbeiterkammer, die Volkshilfe und die SPÖ-nahe Mietervereinigung ihre Forderung nach einer Mietpreisbremse.

Selbst das nicht für Klassenkampf bekannte Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) kann sich mit Preiseingriffen anfreunden – allerdings mit Einschränkungen.

WIFO-Ökonom Michael Klien erklärt, man könne sich beim Wohnen „nicht komplett auf die Selbstheilungskräfte“ des Marktes beruhen. Das tieferliegende Problem sei der Wohnungsmangel. „Den mit einer Mietpreisregulierung in den Griff zu kriegen, ist zum Scheitern verurteilt.“ Eine Mietpreisbremse könne aber trotzdem eine sinnvolle „Notmaßnahme“ sein, um die Inflation zu senken. Dem WIFO schwebt vor, die Mieterhöhungen auf die kommenden drei Jahre aufzuteilen und damit die Teuerung abzuschwächen.

Das würde Zeit gewinnen – die Lasten der Teuerung bekämen dann auch die Vermieter zu spüren.

Juristisch ist es gar nicht so einfach, eine Mietpreisbremse einzuführen. Sie wäre ein starker Eingriff ins Privateigentum, geben Immobilienexperten zu bedenken. Klien warnt vor „Nebenwirkungen“: Vermieter würden – ähnlich wie in Berlin, wo die Mietpreisbremse 2015 eingeführt wurde – Schlupflöcher finden. Die deutsche Hauptstadt wird von Gegnern der Mietpreisbremse gerne als Negativbeispiel angeführt. Vermieter funktionierten Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen um oder schrieben bereits möblierte Apartments um das Doppelte aus. Auswirkungen auf das Angebot am Markt fürchtet die Hanel-Torsch von der Mietervereinigung nicht: „Die Vermieter wollen ja nicht, dass ihre Wohnungen leer stehen.“

ÖVP und Grüne im Clinch

Schon einmal sind die Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen zu einer Mietpreisbremse gescheitert. Lediglich zu einer einmaligen Wohnkostenhilfe konnte sich die Regierung durchringen, die Betroffenen im Schnitt etwa 225 Euro bringt – das gelte die Preissteigerungen nur unzureichend ab, kritisierten Hilfsorganisationen wiederholt.

Wie stehen die Chancen, dass die Regierung doch noch in den Wohnungsmarkt eingreift? Die Grünen haben offenbar nicht mehr viel Hoffnung und sind bereits mit der Schuldfrage beschäftigt: „Die Mietpreisbremse, die an der ÖVP gescheitert ist, wäre eine Antwort auf die Sorge der Menschen nach leistbarem Wohnen gewesen“, heißt es aus dem Parlamentsklub der Grünen gegenüber profil. Weiter: „Die ÖVP muss den betroffenen Mieter:innen erklären, warum sie sie mit der Kostenbelastung im Regen stehen lässt.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) stellt die Erhöhung der Richtwertmieten primär als regionales Problem dar: „Das sind großteils Wohnungen in der Wiener Innenstadt und innerhalb des Gürtels. Auf dem Land und in den Bundesländern ist das kaum ein Thema“, sagte er im Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zu wenige also, um eine Mietpreisbremse zu rechtfertigen? Das emotionalisiert noch immer. „Das ist menschenverachtend. Wir erleben tagtäglich, dass die Menschen weinen und nicht mehr weiterwissen“, sagt Mietervertreterin Hanel-Torsch. Erstens rede Brunner nur von Altbau- und Richtwertwohnungen, zweitens gebe es sie nicht nur in den inneren Bezirken, sondern in allen größeren Städten in Österreich. Davon will man im ÖVP-Klub nichts hören: „Kategoriemieten betreffen nur einen sehr geringen Teil aller Mietverhältnisse und zählen derzeit zu den günstigsten Mietverhältnissen“, heißt es auf profil-Anfrage.

Müssen Betroffene sich also möglicherweise mit weniger Quadratmetern zufriedengeben, wenn die Preise nicht günstiger werden? Auch das sei laut Volkshilfe und Mietervereinigung zu einfach gedacht: Viele Verträge seien schon älter, und bei den aktuellen Preisen finde man auch keine kleinere Wohnung, die im Vergleich zur aktuellen Wohnung signifikant günstiger ist. Dazu würden noch Umzugskosten kommen.

"Ohne weitere Maßnahmen wird es zu einer verstärkten Obdachlosigkeit kommen."

Judith Ranftler, Volkshilfe

Die Volkshilfe befürchtet jedenfalls, dass es ohne weitere Maßnahmen zu einer verstärkten Obdachlosigkeit kommen werde. Die ÖVP hält in ihrer schriftlichen Anfragenbeantwortung an den Einmalzahlungen fest, aus dem Klub heißt es: „Insgesamt stellen wir für Mieter Hilfen in der Höhe von 750 Millionen Euro zur Verfügung.“ Diese aber, so Hanel-Torsch, kommen direkt den Vermietern zugute – und das aus öffentlicher Hand.

Die Grünen wollen weiterverhandeln, wie sie gegenüber profil betonen. Die ÖVP sieht allerdings keinen Bedarf mehr für Gespräche. Für alle Betroffenen der anstehenden Inflationsanpassung bedeutet das: Weitere Preissteigerungen.

Die Volkshilfe geht davon aus, dass es ohne weitere Maßnahmen zu einer verstärkten Obdachlosigkeit kommen werde. Judith Ranfltler von der Volkshilfe weist im Gespräch mit profil darauf hin, dass die Bundesregierung eine Halbierung der Betroffenen von Armut und Ausgrenzung in ihrem Regierungsprogramm schrieb. „Das sehen wir damit in ganz weiter Ferne.“

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.