Gift und Güte

Neuer ÖVP-Klubobmann: Reinhold Lopatka wird zum Spindelegger-Vertrauten

ÖVP. Die Wandlung des Reinhold Lopatka vom Gegner zum Vertrauten von ÖVP-Chef Spindelegger

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Die Atomkraft, in ihrer friedlichen und weniger friedlichen Nutzung, ist eine der thematischen Klammern der Karriere von Reinhold Lopatka. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 forderte der damalige Chef der Jungen Volkspartei Steiermark ÖVP-Obmann Alois Mock auf, im Parteiprogramm ein generelles Verbot der Kernenergie festzuschreiben. Außerdem solle die Bundesregierung beim sowjetischen Botschafter wegen allfälliger Schadenersatzforderungen der Republik Österreich vorstellig werden.

Vergangene Woche bot Reinhold Lopatka, seit September 2012 Staatssekretär im Außenministerium, dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif an, die nächsten Atomverhandlungen in Wien abzuhalten. Er habe bei seinen Gesprächen im Iran den Eindruck gewonnen, dass der neu gewählte Präsident Hassan Rohani "ernsthafte Schritte setzen möchte, um im Westen Vertrauen zu gewinnen", so Lopatka. Österreich könne dabei "eine besondere Rolle spielen".

Die Bedeutung, die der Polit-Rookie 1986 beanspruchte, hat der Routinier mehr als ein Vierteljahrhundert später erlangt. "Die Presse" spendete dem Staatssekretär in einem Leitartikel Lob: "So kann aktive österreichische Außenpolitik aussehen."

Während Lopatka sich in Weltpolitik versuchte, verhandelte Österreichs nomineller Außenminister in Wien eine neue Koalition - was auch mit einigem Aufwand verbunden ist. Michael Spindelegger dürfte den Staatssekretär dabei vermisst haben: Der ÖVP-Obmann, sein Büroleiter Jochen Danninger und Lopatka sind mit ihren roten Pendants - Kanzler Werner Faymann, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Staatssekretär Josef Ostermayer - die Höchstinstanz der rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen. In der sogenannten Koordinierungsgruppe sollen die Ergebnisse der Haupt-und Untergruppen im Idealfall in einem Koalitionsvertrag zusammengeführt werden.

"Das ist Kaffeesud-Leserei"
Gelingt die rot-schwarze Übung, wird Lopatka in den kommenden fünf Jahren an der Umsetzung des Pakts in zentraler Funktion beteiligt sein. Auch wenn es alle Beteiligten abstreiten (Lopatka: "Das ist Kaffeesud-Leserei"), wird der 53-jährige Steirer nach der Angelobung der neuen rot-schwarzen Bundesregierung als Klubobmann der ÖVP ins Parlament wechseln. Die Namen seiner mächtigen Vorgänger im Amte hallen in der Volkspartei noch immer nach: Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer, Andreas Khol.

Ein schwarzer Klubobmann ist der parlamentarische Willensvollstrecker seines Bundesparteiobmanns. Verlässlichkeit ist dabei das wichtigste Qualifikationsmerkmal. Bisher galt Lopatka nicht unbedingt als enger Freund von Michael Spindelegger. Im Gegenteil: Der Karriereschritt des einen zerstörte die Laufbahn des anderen. Als Spindelegger im April 2011 vom Obmann des schwarzen Angestelltenbunds ÖAAB zum Parteichef und Vizekanzler aufstieg, genehmigte er sich mit Wolfgang Waldner einen eigenen Staatssekretär im Außenamt und strich Lopatkas Job als Staatssekretär im Finanzministerium. Kurzzeitig machte sich Reinhold Lopatka Hoffnungen auf den Posten des ÖAAB-Obmanns - bis Spindelegger seine niederösterreichische Landsfrau Johanna Mikl-Leitner inthronisierte.

Loyaler Adjutant
Das Selbstvertrauen Lopatkas erlitt damals einen Knacks, auch wenn er wissen musste, wie schnell und unvorhersehbar ein Amt in der Spitzenpolitik abhanden, aber auch wieder zur Vergabe kommt. Nach der skandalbedingten Implosion der Kärntner Volkspartei schickte Spindelegger Waldner als Landesrat nach Klagenfurt - und Lopatka durfte wieder vom gemächlichen Nationalrat in die Regierung wechseln. Seit damals verdichtete sich die Kameradschaft des ÖVP-Chefs und seines stets loyalen Adjutanten zu einem echten Vertrauensverhältnis. Im Wahlkampf arbeitete Lopatka im engsten Führungszirkel mit.

Von Außenpolitik hatte er bis zu seiner Bestellung so viel Ahnung wie von Fiskalpolitik vor seiner Ernennung zum Finanzstaatssekretär 2008; der Job davor als Sportstaatssekretär in der Regierung Alfred Gusenbauer/Wilhelm Molterer setzte vergleichsweise wenig Sachkenntnis voraus. Reinhold Lopatka ist der Prototyp des multifunktionalen Berufspolitikers, der genau weiß, dass ein Regierungsamt vor allem Organisationsfähigkeit und Durchsetzungkraft verlangt. Für die Sachpolitik ist die kundige Ministerialbürokratie zuständig.

Die Machttechniken eignete sich Lopatka ab 1986 an -als damals jüngster Abgeordneter im steirischen Landtag und mit reichlich juvenilem Weltverbesserungseifer ausgestattet. Dass "die Politik sich dem Diktat der Wirtschaft unterworfen" habe, erregt heute Linksallianzen von Attac bis Occupy Wall Street. Reinhold Lopatka irritierte es schon damals. Mal wünschte er sich eine Verkürzung des Wehrdienstes, mal dessen Abschaffung. 1989 forderte er, den "kraftlosen Bruchpiloten Alois Mock" auszutauschen. Lopatka engagierte sich bei Amnesty International und demonstrierte als Sprecher der österreichischen Friedensbewegung mit Alfred Gusenbauer gegen amerikanische Aufrüstungspläne in Europa. Nach der Entscheidung der US-Behörden 1987, Bundespräsident Kurt Waldheim auf die Watchlist zu setzen, widersetzte er sich dem daraufhin in der ÖVP einsetzenden anti-amerikanischen Furor.

Wäre Lopatka Niederösterreicher, wäre er wahrscheinlich ein Grüner geworden. In der traditionell offenen steirischen ÖVP war für linkskatholische Liberale stets Platz. 1993 wurde er zum Landesgeschäftsführer. Aufgrund der Erfolge in der Steiermark machte ihn Wolfgang Schüssel im Jahr 2002 zum Wahlkampfleiter. Nach dem Erfolg bei der Nationalratswahl avancierte er zum Generalsekretär und zog sich als hammerharter Sozi-Fresser den Zorn der SPÖ zu. Dem Bundespräsidentschaftskandidaten Heinz Fischer unterstellte er Sympathien für die nordkoreanische und chinesische Nomenklatura, Grünen-Chef Alexander Van der Bellen stempelte er als "Haschtrafikanten", den steirischen SPÖ-Vorsitzenden Franz Voves als verkappten Kommunisten ab.

Im Wahlkampf 2006 versuchte er mit aller Gewalt, die Bawag-ÖGB-Affäre zum reinen Gusenbauer/SPÖ-Skandal umzudeuten. Schon 2003 hatte Wiens Bürgermeister Michael Häupl den Terminus diabolicus "Lopatkas Giftküche" für die Propagandaabteilung der ÖVP-Parteizentrale geprägt.

Lopatka nahm es in einem Interview im Jahr 2005 sportlich: "Als skrupellos und eiskalt hingestellt zu werden, ist nicht angenehm. Andererseits: Man darf nicht wehleidig sein. Als Generalsekretär besteht meine Aufgabe nicht darin, dem politischen Gegner Honig ums Maul zu schmieren: Wer austeilt, der muss einstecken können."

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.