Norbert Hofer: "Ich habe ein Dutzend muslimische Freunde"

FPÖ-Chef Norbert Hofer über seinen neuen Stil für die FPÖ und die niedrigen Hürden für eine Regierung mit der ÖVP. Auf einem blauen Innenminister beharrt er erst gar nicht.

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Interview: Clemens Neuhold, Christa Zöchling

profil: Sie sind Heinz-Christan Strache eng verbunden, er hat Sie vor 15 Jahren zum Stellvertreter gemacht. Ahnten Sie, er könnte einmal mit Staatseigentum schachern und die freie Presse mit Füßen treten? Hofer: Ich habe es nicht geahnt und ihn nie so erlebt. Von diesem Video erfuhr ich am Freitag, dem Tag der Veröffentlichung, durch Sebastian Kurz.

profil: War er nicht Manns genug, es Ihnen persönlich zu sagen? Hofer: Er hat es mir nicht gesagt, und das war besonders unangenehm, weil ich dann die Kastanien aus dem Feuer holen musste.

profil: Haben Sie das Ibiza-Buch der beiden Aufdecker von der "Süddeutschen Zeitung" gelesen? Hofer: Ich habe es quergelesen.

Nicht Strache, sondern die Republik ist das Opfer

profil: Strache stellt sich als Opfer hin und bewertet das Buch als Freispruch. Hofer: Dass hinter dem Video viel kriminelle Energie steckt, ist das eine. Das andere ist: Was wurde im Video gesagt. Nicht Strache, sondern die Republik ist das Opfer - und unsere Regierungspolitik. Das Video war der Anlass für Neuwahlen.

profil: Die stundenlangen Verhandlungen über Staatsaufträge und den Austausch unliebsamer Journalisten können nicht rein auf Alkohol zurückgeführt werden. Ist das für FPÖ-Politiker vielleicht doch Part of the Game? Hofer: Das kann niemals Part of the Game sein. Ich habe beim Antritt als FPÖ-Chef gesagt, dass ich ein anderes Verhältnis zum Journalismus aufbauen will. Der Punkt mit den Staatsaufträgen hat mich besonders betroffen gemacht, weil mein Infrastrukturministerium am meisten Staatsaufträge vergeben hat. Ich habe mich nie irgendwo eingemischt, weder bei der Asfinag noch bei den ÖBB. Der Bestbieter bekommt den Auftrag.

profil: Das eine ist der Verdacht auf Korruption, das andere der urösterreichische Proporz, also die Aufteilung von staatsnahen Posten zwischen den Parteien. Die FPÖ hat immer dagegen angekämpft - und sobald sie in der Regierung war, dem Proporz gefrönt. Hofer: In der ÖBB habe ich Aufsichtsräte entlassen, aber nicht den Vorstandsvorsitzenden umgefärbt. Finanzvorstand Arnold Schiefer kam wegen eines Krankheitsfalles zum Zug. Wie qualifiziert er ist, hat mir der frühere SPÖ-Kanzler und ÖBB-Chef Christian Kern persönlich bestätigt. Ja, bei der Asfinag wurde neu ausgeschrieben. Aber da war der neue Vorstand Hartwig Hufnagl der absolut Bestgereihte.

Bei mir haben viele Sozialdemokraten ihre Jobs behalten.

profil: Der war davor Ihr Vize-Kabinettschef. Das Strache-SMS über die Notwendigkeit eines vierten, blauen Direktors in der Nationalbank war doch zutiefst peinlich. Hofer: Das möchte ich gar nicht bestreiten. Ich rede von meinem Bereich. Bei mir haben viele Sozialdemokraten ihre Jobs behalten.

profil: Können Sie sich ein Anti-Proporz-Gesetz vorstellen? Oder öffentliche Hearings wie in den USA? Hofer: Es entscheidet ohnedies immer der Aufsichtsrat. Der oder die Bestgereihte soll den Job bekommen.

profil: Bei den Casinos Austria war der blaue Finanzvorstand Peter Sidlo nicht topgereiht worden. Hofer: Da hatte ich keinen Einblick.

profil: Im Ibiza-Video geht es um Parteispenden über den Umweg partnernaher Vereine. Warum haben Sie diese Lücke nicht geschlossen? Hofer: Wir wollen eine Lücke nach der andern schließen. Jede parteirelevante Tätigkeit eines Vereines oder einer Partei-Ortsgruppe muss eingerechnet werden.

profil: Sollen Vereine wie jene des Abgeordneten Markus Tschank weiter möglich sein? Hofer: Ich empfehle meiner Partei, erst gar nicht mit solchen Dingen zu beginnen.

profil: Würden Sie bei einer Neuauflage von Türkis-Blau fix Vizekanzler? Hofer: Das wird so sein.

profil: Auch wenn Herbert Kickl einen Vorzugsstimmen-Rekord hinlegt? Steht ihm dann nicht automatisch die Parteispitze zu? Hofer: Bei anderen Parteien kennt man den Zweiten gar nicht. Wir aber haben Herbert Kickl, der sehr beliebt ist. Wir verstehen uns blind, weil wir uns seit Mitte der 1990er-Jahre kennen. Kickl stärkt den Kern der Wählerschaft, ich versuche, darüber hinaus zu wirken.

profil: Kickl wirbt um Vorzugsstimmen mit dem Argument, so werde man an ihm als Innenminister nicht vorbeikommen. Das verbaut doch die Koalition mit der ÖVP? Hofer: Unsere Hand ist ausgestreckt. Die ÖVP baut Hürden auf. Ich wünsche der ÖVP eine gute Reise mit den Grünen oder Roten, und wir werden in Umfragen wieder rasch über 30 Prozent sein. Da bin ich wirklich entspannt.

Die Koalition hängt nicht daran, ob jemand Minister sein will.

profil: Hängen Sie persönlich an einem blauen Innenminister oder nicht? Hofer: Entweder gelingt es, ein vernünftiges Regierungsprogramm und Personalpaket auf die Beine zu stellen, oder eben nicht. Die Koalition hängt nicht daran, ob jemand Minister sein will.

profil: Warum setzen Sie ausschließlich auf eine Koalition mit der ÖVP und schließen sogar eine Regierung mit einer SPÖ unter Hans Peter Doskozil aus? Hofer: Das ginge sich rein rechnerisch gar nicht aus. Man braucht deutlich über 50 Prozent für eine stabile Regierung.

profil: Wie erklären Sie gemäßigt konservativen Wählern Aussagen wie: "Drogendealer sollen ihre Zelle mit dem Zahnbürstl putzen?" Erinnert Sie das nicht an etwas aus der Geschichte? An Juden, die man zum Straßenwaschen zwang? Mit Zahnbürsten? Hofer: Dieser historische Vergleich ist das Problematische, dass sofort daran gedacht wird aufgrund unserer Geschichte. Aber wenn man "Reinigung des Badezimmers mit einer Zahnbürste" googelt, gibt es viele Fliesenhersteller, die das zur Fugenreinigung empfehlen. Das ist keine Entschuldigung. Beim historischen Konnex müssen wir viel, viel sensibler sein als andere Parteien. Das gilt auch für den Kollegen Klinger in Oberösterreich.

Ich werde der Partei weiter meinen Stempel aufdrücken.

profil: der Landesrat, der von "nicht vorteilhaften Mischkulturen" gesprochen hat. Hofer: Es geht nicht um Mischkulturen, sondern um Parallelgesellschaften. Er hat sich schon entschuldigt. Mir ist es schon im Präsidentschaftswahlkampf gelungen, in der Partei etwas in der Kommunikation zu verändern. Ich werde der Partei weiter meinen Stempel aufdrücken. Ich muss die Partei insgesamt modernisieren. Wir verabschieden uns nicht von Inhalten, aber unser Auftritt muss moderner werden. Wir müssen auch in Städten die Wahlen gewinnen, sonst sind wir nie ganz vorne.

profil: Ein anderer Parteifreund spricht von Flüchtlingen als "Lieferung", 2015 sei ein "Lieferfehler" vorgelegen, denn es sei Testosteron statt Qualifikation geliefert worden. Finden Sie diese Sprache okay? Hofer: Dass viel Testosteron im Spiel war, ist schon ein Faktum.

profil: Aber Menschen als Lieferung bezeichnen? Hofer: Sogenannte Einzelfälle passieren in allen Parteien. Hätte die FPÖ ein Dosenschießen mit den Konterfeis von Rendi-Wagner oder Kurz veranstaltet, aber hallo! Linke Chaoten haben einen Balkon von uns mit bengalischem Feuer angezündet. Es wird oft mit zweierlei Maß gemessen.

profil: Die entmenschlichende Sprache von der "Lieferung" fiel bei einem Wahlkampfauftritt von Ex-Innenminister Herbert Kickl. Hofer: Ich verwende eine andere Sprache, das habe ich im Präsidentschaftswahlkampf gezeigt.

profil: Ihre Distanzierung ist nicht sehr glaubwürdig, solange es nur eine Rollenaufteilung ist und Sie auf der radikalen Welle nach oben schwimmen. Hofer: Wahlkämpfe sind immer aufgeheizt. Ich will niemandem vorschreiben, wie er formuliert. Die Spitzenkandidaten gehen auch dieses Mal fair miteinander um.

profil: Was genau war eigentlich falsch am "Mischkultur"-Sager? Hofer: Die Formulierung.

profil: Und der Inhalt? Hofer: Die Sprache und der Inhalt. Aber die rasche Veränderung der Gesellschaft ist Fakt. Wir haben jetzt 800.000 Muslime

profil: Eher 700.000 Hofer: Wir sind schon bei 800.000. Es geht in diese Richtung.

profil: Sie haben auch einmal von 30.000 tschetschenischen Mindestsicherungsbeziehern in Wien gesprochen - und es waren 4000. Hofer: Gut. Dann schauen wir nach. Vielleicht sind es 760.000 Muslime im Land. Die Probleme, die es gibt, sind evident. Wir sollten das Richtige dagegen tun, aber nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen.

profil: Sehen Sie eine Höchstgrenze an Muslimen, die Österreich noch integrieren kann? Hofer: Das ist nicht eine Frage der Zahl, sondern welche Muslime das sind. In manchen Gebieten der Türkei oder im arabischen Raum wird der Glauben streng gelebt und geht ins Politische. Die Muslime in Istanbul sind hingegen sehr modern. Ich habe selbst ein Dutzend Freunde, die Muslime sind.

Ich kann nicht sagen, du darfst ein Haus nicht kaufen. Das ist nicht mit unserem Recht vereinbar.

profil: Wie sehen Sie den Fall von Weikendorf, wo ein Bürgermeister einer palästinensischen Familie den Zuzug verweigert, mit dem Argument, die passen nicht zu uns? Hofer: Das geht natürlich nicht. Ich kann nicht sagen, du darfst ein Haus nicht kaufen. Das ist nicht mit unserem Recht vereinbar.

profil: Beim FPÖ-Wahlkampfauftakt in Niederösterreich wurde das gefeiert. Hofer: Ein bissel Verständnis muss man für die Menschen in der Gemeinde zeigen, die sich überfordert fühlen. Wir haben Schulen mit einer Mehrheit an Kindern, die kaum noch der Unterrichtssprache folgen können. Ich habe gelesen, in Wien ist jedes fünfte Kind in einer Privatschule. Der Rest bleibt auf der Strecke.

profil: Das könnte man mit mehr Geld für Brennpunktschulen lösen. Hofer: Damit ändert sich die Zusammensetzung auch nicht.

profil: Wie dann? Hofer: Indem man Tempo herausnimmt bei der Zuwanderung. In einem so hohen Ausmaß schafft das die Gesellschaft nicht.

profil: Im "Handbuch freiheitlicher Politik", das Sie wesentlich mitverfasst haben, fordern Sie ein eigenes, schlechteres Sozialsystem für Ausländer. Das ist nicht integrationsfördernd. Hofer: Es sollte niedrigere Leistungen für Menschen geben, die noch nichts ins System eingezahlt haben. Es gibt Luxus-Leistungen, wo dieses getrennte System anzudenken wäre.

profil: Werden Sie dem Antrag auf das Verbot der türkischen Islam-Vereine Millî Görüş und ATIB von Peter Pilz zustimmen? Hofer: Ich weiß es noch nicht. Was extrem ist, soll keinen Platz haben. Bei den Identitären ist es nachvollziehbar, dass die ein Wahnsinn sind. Aber selbst Bundespräsident Van der Bellen meinte, ein Verbot sei wegen der Vereins-und Menschenrechte nicht so einfach.

profil: Wie sozial ist die selbst ernannte soziale Heimatpartei? Unterstützen Sie die SPÖ-Forderung nach einer Erbschaftssteuer ab 1 Million oder einem Mindestlohn von 1700 Euro? Hofer: Ich habe nichts von 1700 Euro, wenn dann die Arbeitsplätze nicht mehr leistbar sind. Mir geht es eher um mehr Netto vom Brutto. Und neue Steuern lehnen wir generell ab – egal ob Vermögens-, Erbschafts-, CO2- oder Fleischsteuer.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.