Österreich

ÖVP soll U-Ausschuss zu SPÖ, FPÖ und Grünen vorbereiten

Die ÖVP will mutmaßliche Korruption bei anderen Parteien untersuchen – schickte das Dokument aber irrtümlicherweise an die Neos. Die ÖVP dementiert, dass ein U-Ausschuss geplant ist.

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Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu, die To-Do-Liste der Regierung ist noch lang: Ein Klimaschutzgesetz, die Besetzung des Bundesverwaltungsgerichts sowie ein Informationsfreiheitsgesetz sind unter anderem noch ausständig. Die ÖVP will das Arbeitspaket jetzt offenbar um noch einen Punkt verlängern: Wie Montagnachmittag bekannt wurde, bereitet die Volkspartei einen Antrag auf einen U-Ausschuss vor.

Bekannt wurde dies aber nicht etwa durch die ÖVP, sondern durch die Neos: Beate Meinl-Reisinger lud am Montagnachmittag zu einer eilig einberufenen Pressekonferenz zu aktuellen Entwicklungen in der Bundesregierung. Das ist ein Frontalangriff auf den eigenen Koalitionspartner, so die pinke Parteichefin, die die Koalition am Ende verortet.  

Die Neos hatten wiederum durch ein falsch verschicktes E-Mail von den Plänen der ÖVP erfahren, der Antrag war irrtümlicherweise im Postfach des Nationalratsabgeordneten Helmut Brandstätter gelandet, wie Der Standard zuerst berichtete.

Die ÖVP will laut dem Dokument untersuchen, ob Regierungsmitglieder oder Staatssekretär:innen oder Mitarbeiter:innen von SPÖ, FPÖ und Grünen im Zusammenhang mit Umfragen, Beauftragungen von Werbeagenturen oder Inseratenschaltungen aus „sachfremden Motiven“ gehandelt haben. Und ob dem Bund oder anderen Rechtsträgern „dadurch Schaden entstanden ist“. Erfasst werden sollen mögliche “zweckwidrige Verwendungen” im Zeitraum von 11. Jänner 2007 bis jetzt; das genaue Datum wurde noch offengelassen. Während dieser Zeit war freilich auch die ÖVP in der Regierung.

In einer Aussendung dementiert die ÖVP allerdings, dass ein entsprechender U-Ausschuss geplant sei. „Das Dokument ist nichts Neues, sondern Teil der üblichen parlamentarischen Arbeit“, so ÖVP-Klubchef Wöginger. Es sei „eine von vielen Überlegungen, die laufend angestellt werden, für den Fall, dass Oppositionsparteien einen weiteren UsA planen, damit Einseitigkeiten in der parlamentarischen Aufklärungsarbeit vermieden werden.“ Aufgrund der „SORA-Affäre“ sei der Entwurf nun überarbeitet worden. 

Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen – und als größte Partei im Nationalrat könnte die ÖVP beide Wege nutzen. Der U-Ausschuss kann von einer Mehrheit beschlossen werden, dazu müsste die Volkspartei den Koalitionspartner, die Grünen überzeugen. Oder aber der ÖVP-Klub beschließt den U-Ausschuss selbst: Ein Viertel der Abgeordneten, also 46 Stimmen, braucht es dafür. Die ÖVP besetzt derzeit 71 Sitze im Parlament. 

Formal ist die Einsetzung also kein Problem. Realpolitisch könnte es aber heikel werden: Immerhin galt für ÖVP und Grüne bei U-Ausschüssen ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn es um die Einsetzung und Verlängerung geht, stimmen die beiden Parteien gemeinsam ab. Daher waren die Grünen auch, schweren Herzens, gegen eine Verlängerung des U-Ausschusses zur mutmaßlichen Korruption der türkis-blauen Regierung. Nur innerhalb des U-Ausschusses, sobald es um interne Angelegenheiten wie den Fahrplan ging, galt sozusagen ein koalitionsfreier Raum. Die Vorsitzenden der jeweiligen Fraktionen im U-Ausschuss, Andreas Hanger für die ÖVP und Nina Tomaselli für die Grünen, teilten auch ordentlich gegeneinander aus. 

Der U-Ausschuss würde übrigens, sollte es überhaupt so weit kommen, recht kurz ausfallen: Er muss rechtzeitig vor einer Nationalratswahl beendet werden. 

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.