Alexander Wrabetz: "Es ist nicht so, dass ich ein unumschränkter Alleinherrscher bin"
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz „Das wäre das Ende des Rundfunks“

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz „Das wäre das Ende des Rundfunks“

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz „Das wäre das Ende des Rundfunks“

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profil: Herr Generaldirektor, warum sollte ein heute 20-Jähriger den ORF nutzen, wenn er über Netflix, Internet und YouTube ein breites Angebot seiner Wahl bekommt? Alexander Wrabetz: Zum Glück haben wir auch bei den 20-Jährigen 24 Prozent Marktanteil, ein starker Wert für einen öffentlich-rechtlichen Sender. Die Reichweite in dieser jungen Zielgruppe ist noch wesentlich höher, im TV und noch mehr im Radio und online. Was auf YouTube gesehen wird, sind oft ORF-Inhalte wie „Willkommen Österreich“. Auch unsere Informationssendungen werden von den Jungen multimedial konsumiert. Aber die Herausforderung ist groß, gar keine Frage.

profil: Sie sagten unlängst, bei Flüchtlingsbewegungen, Integration und sozialem Zusammenhalt würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk in ganz Europa eine große Rolle spielen. Ist das nicht Selbstüberschätzung? Wrabetz: Unsere Gesellschaften stehen vor unglaublichen Herausforderungen. Der Zusammenhalt ist bedroht. Die Frage, wie sich eine solche Gesellschaft informiert, ist eminent. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war das zentrale europäische Informationsmodell der Nachkriegszeit. Und er wird es auch in der jetzigen angespannten Zeit bleiben.

profil: Und warum sollte Alexander Wrabetz der richtige Mann sein, den ORF durch diese Zeiten des Umbruchs zu führen? Wrabetz: Ein öffentlicher-rechtlicher Rundfunk muss sich als klassisches Medium behaupten und die digitalen Herausforderungen meistern. Unter meiner Verantwortung hat der ORF die Marktführerschaft in Fernsehen und Radio behauptet und das Angebot etwa mit ORF III deutlich ausgebaut. Unsere Internet-Angebote wie orf.at, die Apps und die TVthek funktionieren. All das sollte jemand mit entsprechender Erfahrung weiterführen.

Das wäre allerdings das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

profil: Man könnte aber auch der Meinung sein, in Umbruchzeiten braucht man eine unverbrauchte Persönlichkeit mit neuen Ideen an der Spitze. Wrabetz: Das könnte man so sehen, wenn man eine komplette Abkehr vom bisherigen Geschäftsmodell des ORF plant. Das wäre allerdings das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Man muss bestehende Stärken bewahren und neue Felder entwickeln. Ich denke, das ist mir auch bisher schon gut gelungen.

profil: Sie selbst haben 2006 als Finanzdirektor gegen die amtierende Generaldirektorin kandidiert. Rechnen Sie mit Konkurrenz aus eigenem Haus? Wrabetz: Ich werde mich um die Verlängerung meines Geschäftsführermandats bewerben. Ich will jetzt aber keinen Wahlkampf führen.

profil: Aktuell wird wieder die Möglichkeit einer Doppel-Geschäftsführung diskutiert. Ihr Finanzchef Richard Grasl wäre dann gleichberechtigt mit Ihnen an der Spitze. Wrabetz: Das jetzige Modell mit einem Alleingeschäftsführer ist das klassische Modell für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in ganz Europa. Eine Doppelspitze gibt es nirgends. Wie sollte das aussehen? Machen dann beide das Gleiche? Wie Zwillinge? Das wäre nicht gut für die Unternehmensführung. Außerdem wäre es ein fatales Signal in Richtung einer Proporzlösung.

Es ist nicht so, dass ich ein unumschränkter Alleinherrscher bin.

profil: Man könnte schon der Meinung sein, dass ein Unternehmen mit einer Milliarde Euro Umsatz nicht von einem Alleingeschäftsführer geleitet werden sollte. Theoretisch könnten Sie nach London fliegen und mit Bernie Ecclestone allein über die Formel 1-Rechte verhandeln. Wrabetz: Es ist nicht so, dass ich ein unumschränkter Alleinherrscher bin. Es gibt genug Kontrollinstanzen: den Stiftungsrat, den Publikumsrat, Prüfungs-Kommissionen, die Medienbehörde. Die Checks and Balances im ORF funktionieren. Es gibt keine Einzelentscheidungen, aber sehr wohl eine Letztverantwortung.

profil: Die Boston Consulting Group hat um 500.000 Euro ein Organisationskonzept erarbeitet, in dem ein zentraler Informationsdirektor vorgesehen war. Dieser Funktion haben Sie nun eine Absage erteilt. Das Beraterhonorar war also hinausgeschmissenes Geld. Wrabetz: Nein. Die Funktion des Info-Direktors war nur ein kleiner Teil der ausgearbeiteten Strategie. Die Boston Consulting Group hat ein umfangreiches Papier unter Berücksichtigung internationaler Benchmarks vorgelegt.

profil: Wird es nun eine Position auf welcher Ebene auch immer geben, die zentral die Information steuert? Wrabetz: Ich habe immer gesagt, dass es keinen einzelnen Chefredakteur geben wird, der über alle Bereiche entscheiden kann. Die Frage ist, auf welcher Ebene und wie man konkret die journalistische Letztverantwortung gestaltet, die es ja auch geben muss.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.