Ein Mann spricht vor Publikum, es ist FPÖ-Obmann Herbert Kickl
Bild anzeigen

Reportage: Wie Herbert Kickl zum Halali auf NGOs blies

Schlimmer als Heuchler sind NGOs: Im Parlament trafen sich EU-Rechtspopulisten unter FPÖ-Regie zur Teufelsaustreibung.

Drucken

Schriftgröße

Herbert Kickl ist ein begabter Polemiker: Für den FPÖ-Bundesparteiobmann sind NGOs: „Propagandainstrumente einer politischen Schattengesellschaft“; „Teil der Macht für Umerziehungsprogramme und betreutes Denken“; „Vertreter von Regenbogenkult und Klimaschutzreligion“; „Heuchler, die die Gesellschaft mit Moralin fluten“. NGOs sind also des Teufels, während die „wahre Zivilgesellschaft“ aus Menschen mit „Herzblut und Hausverstand“ bestehe – womit er die „Patrioten für Europa“ meint. 

Seinen Rant zu NGOs lässt Kickl Dienstagabend im „Kelsen“ ab, dem Restaurant im obersten Geschoß des Wiener Parlaments. Dorthin haben – unter freiheitlicher Regie – die „Patrioten für Europa“ geladen. Thema der Veranstaltung: „Der NGO-Komplex – Wie die EU ihre eigene Zivilgesellschaft finanziert“. Der Veranstaltungsraum ist gut gefüllt, was an seiner geringen Größe liegt und an den anwesenden FPÖ-Mandataren, FPÖ-Funktionären und FPÖ-Mitarbeitern. 

Die „Patrioten“ bilden die Fraktion der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien im EU-Parlament, der unter anderem die FPÖ, der französische Rassemblement National, die italienische Lega, der ungarische Fidesz und die polnische Konfederacja angehören.  

Nach Kickls Begrüßungsworten hält Fidesz-EU-Mandatar Csaba Dömötör (der im Ungarischen Dömötör Csaba heißt) ein Impulsreferat. Dömötör spricht gutes Englisch, allerdings mit ungarischem Akzent, so dass die Zuhörer nicht wissen können, ob er die Stadt Wien für „beautiful“ („wunderschön“) oder „pitiful“ („erbärmlich“) hält. Glaubt man Dömötör, wird Ungarn nicht von Ministerpräsident Viktor Orbán dominiert, sondern von „liberal and left-wing NGOs“, die allein schuld daran wären, dass der Europäische Gerichtshof gegen Ungarn eine Strafe von 200 Millionen Euro wegen Verstößen gegen das EU-Asylrecht verhängte.

Volksfürst der irdischen Heerscharen

Nach einer kurzen Pause – Herbert Kickl nutzt sie, um die Veranstaltung diskret zu verlassen – beginnt der Hauptact des Abends. Angekündigt ist eine Podiumsdiskussion, tatsächlich findet ein Abendkreis mit Teufelsaustreibung statt. Die Exorzisten: Krystian Kamiński, polnischer EU-Abgeordneter der Konfederacja, der in vortrefflichem Deutsch Umwelt-NGOs für die Flutkatastrophe 2024 in seiner Heimat verantwortlich machte, da diese den Bau von „Rückhaltebecken“ (selbst dieses Wort kennt Kaminski) verhindert hätten.

Der deutsche Journalist Björn Harms vom Online-Magazin „Nius“, Autor des Standardwerks „Der NGO-Komplex: Wie die Politik unser Steuergeld verprasst“, gibt Tipps, wie man „Mainstream-Medien vor sich hertreiben kann“.

Von der AfD ist der Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier, ein gebürtige Darmstädter, nach Wien gereist, der sogar über persönliche Erfahrungen mit NGOs verfügt: Als Zivildiener war er beim Mobilen Sozialen Hilfsdienst.

Für die Freiheitlichen sprechen Generalsekretär Michael Schnedlitz („Die Regierung fördert die NGOs und nimmt gleichzeitig Oma und Opa das Essen weg“); die FPÖ-EU-Mandatarin Petra Steger („Die EU hat an NGOs 17 Milliarden Euro ausgezahlt, während die Wirtschaft vor die Hunde geht“) und Roman Haider, ebenfalls EU-Mandatar, der begeistert erzählt, er habe gerade ein SMS von einem „Heute“-Redakteur erhalten, den er für einen Artikel über NGOs mit Infos gefüttert habe. Und siehe da: Die NGO-Story in der „Heute“ habe mehr Leser gehabt als „der Benkö“. 

Zum Abschluss sollen die Diskussionsteilnehmer kurz erläutern, wie die allumfassende satanische Macht der linken NGOs zu brechen wäre. Schwach fällt das Rezept von Petra Steger aus: „Transparenz“. Die richtige Antwort findet Michael Schnedlitz, der seine Hoffnungen in den Volksfürsten der irdischen Heerscharen setzt: „Das Zauberwort heißt Kickl.“ 

Hintergründe zu den Angriffen der FPÖ gegenüber NGOs lesen Sie in der am 18. Oktober erscheinenden profil-Printausgabe.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.