Peter Pilz

Pilnacek, Pilz, Takacs – Prozess um den Tod des Justiz-Sektionschefs

Bundespolizeidirektor Takacs will das Pilz-Buch zum Tod von Sektionschef Pilnacek einziehen lassen. Nun begegnete man einander vor Gericht.

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Einer wie Peter Pilz begibt sich vor Gericht nicht in Gottes Hand, sondern zeigt Eigeninitiative. Mal lobt er den Richter, mal belehrt, mal ignoriert er ihn. Pilz snobbt den gegnerischen Anwalt ab und – Höhepunkt des Verhandlungstags – erleichtert dem eigenen die Arbeit, indem er die Befragung seines Prozessgegners gleich selbst übernimmt. Montagvormittag, Straflandesgericht Wien, Raum 303. Zur Verhandlung gelangt die Privatanklage von Bundespolizeidirektor Michael Takacs gegen die Zack Media GmbH, die Verlegerin des Pilz-Buchs „Pilnacek – Der Tod des Sektionschefs“. Takacs klagt wegen übler Nachrede und verlangt die Einziehung des Buches. Pilz kann keine Ehrabschneidung erkennen und behauptet einen Zensurversuch. 

Eigentlich ist die Ausgangslage ja einfach: In seinem Buch verbreitet Pilz die These, Pilnacek sei am 20. Oktober 2023 möglicherweise ermordet und die Umstände seines Todes seien vertuscht worden, und zwar von einer – wie er es nennt – „türkisen Polizeikette“, deren wichtigstes Glied Michael Takacs wäre. Vor Gericht muss Pilz nun den Wahrheitsbeweis antreten oder zumindest nachweisen, dass er die journalistische Sorgfaltspflicht befolgt hat. So einfach die Ausgangslage zu Prozessbeginn auch sein mag, so kompliziert gestaltet sich der Prozessverlauf, als die Befragung von Pilz durch Richter Daniel Potmesil beginnt. Als Beruf gibt Pilz „Pensionist“ an, als Beschäftigung „Journalist“. In Wahrheit ist Pilz der Aktivist, der er immer schon war – und dies vor allem in eigener Sache. Karin Wurm – jene Frau, bei der Pilnacek zuletzt im niederösterreichischen Rossatz wohnte – habe ihn auf Auffälligkeiten in Zusammenhang mit dem Tod des Justiz-Sektionschefs aufmerksam gemacht. Journalisten würden in solchen „Frühphasen“, so Pilz, die Wahrheit noch nicht erkennen – er aber schon: So sei es schon „in der Frühphase Noricum“ gewesen, „in der Frühphase Lucona“, „in der Frühphase Eurofighter“. Ist das noch Analogie oder schon Nostalgie? Die von Pilz mitaufgedeckten Skandale um die illegalen Exporte von Haubitzen der Voest-Tochter Noricum und die Versenkung des Schiffes Lucona liegen 40 Jahre zurück. 

Tarock mit Mitterlehner

„Meine Aufgabe ist es, Tatsachen festzustellen und sonst nichts“, sagt Pilz vor Gericht. Das meiste, was er vorbringt, beruht freilich nicht auf Tatsachen, sondern auf eigenen Spekulationen. Die Obduktion wurde nicht – wie von Pilz suggeriert – von der Polizei zu sabotieren versucht, sondern von der Staatsanwaltschaft Krems angeordnet. Die Ermittlung des genauen Todeszeitpunkts unterblieb, weil bei Wasserleichen nur Todeszeiträume feststellbar sind. Dass Takacs Karin Wurm und ihrer Bekannten P. geraten hätte, Pilnaceks Laptop verschwinden zu lassen, will Pilz sogar selbst nicht behaupten, sondern bezieht sich auf Äußerungen von Wurm. Am Ende stellt der Richter Pilz die wohl zentrale Frage: „Kann es nicht sein, Herr Doktor Pilz, dass man die Schlüsse, die Sie ziehen, nicht teilen muss, sondern dass man das auch anders sehen kann?“ Ein Journalist würde die Frage des Richters so zuspitzen: „Kann es nicht sein, Herr Doktor Pilz, dass Sie hier einer Verschwörungstheorie unterliegen?“ 

Nach Pilz wird dessen Prozessgegner, Michael Takacs, befragt, und dieser sorgt gleich für Verwunderung. Er habe das „Büchl“ von Pilz gar nicht gelesen, so der Bundespolizeidirektor. Wie er sich dann in seiner Ehre überhaupt verletzt sehen könne, will der Richter wissen. Ihm seien von Freunden und Verwandten einzelne Zitate zugetragen worden, so Takacs. Nach dem Richter stellt Pilz‘ Anwalt Volkert Sackmann ein paar Fragen an den Bundespolizeidirektor, ehe Pilz selbst übernimmt. Sofort stellen sich U-Ausschuss-Vibes ein, als säße Pilz nicht mehr im Saal 303 des Straflandesgerichts, sondern wie einst im Parlament als Fragesteller zu Eurofighter, Lucona und Noricum. Den Richter nimmt er nicht mehr wahr. Dem gegnerischen Anwalt kündigt er süffisant an, ihn demnächst als Zeugen zu laden. Schließlich wird es Richter Potmesil zu viel: „Jetzt mache ich weiter.“ Der Prozess wird am Nachmittag auf August vertagt.

Für den Sager des Verhandlungstages sorgte – natürlich – Pilz. Auf die Anmerkung des Richters, er sei nicht gerade bekannt dafür, der größte Freund der ÖVP zu sein, meinte Pilz: „Mit dem Mitterlehner spiele ich heute noch Tarock.“

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.