Wald

Polit-Debatte um „Waldfonds“: Der undurchsichtige 350-Millionen-Euro-Topf

Werden große Waldbesitzer bei der Vergabe staatlicher Förderungen bevorzugt? Die SPÖ vermutet das. Eine öffentliche Kontrolle scheitert an mangelnder Transparenz.

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Ein „Zukunftspaket“ sollte es sein, ein Topf prall gefüllt mit 350 Millionen Euro an Fördergeldern der öffentlichen Hand, reserviert für Maßnahmen „von denen wir alle profitieren“. So heißt es zumindest auf der Internetseite des „Waldfonds“, den die Bundesregierung im Wege des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2020 ins Leben gerufen hat. Nun stellt sich die jedoch Frage, ob manche mehr davon profitieren konnten als andere.

Der „Waldfonds“, der in einer ersten Förderphase bis 2023 gelaufen ist und nunmehr bis 2027 verlängert wurde, soll unter anderem helfen, Österreichs Wälder fit für dem Klimawandel zu machen. Mit einem Teil der Förderungen soll Forstwirten aber durchaus auch beim Umgang mit „Schadereignissen“ finanziell unter die Arme gegriffen werden. 2019 ist die Holzernte schlecht ausgefallen. Dass 2020, als der Fonds initiiert wurde, gerade die Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen wütete, mag bei der Entscheidung, auch für Waldbesitzer Steuergeld locker zu machen, ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

86 Millionen Euro an die Top 100

Mit Hilfe einer parlamentarischen Anfrage hat die SPÖ versucht, der bisherigen Mittelverwendung auf den Grund zu gehen. Und die Sozialdemokraten üben heftige Kritik: 86 Millionen Euro, also rund die Hälfte des bisher ausgeschütteten Geldes soll demnach an Hundert Großgrundbesitzer fließen. Kleinere Waldflächen würden hingegen tendenziell außer Acht gelassen. profil ist der Angelegenheit näher nachgegangen.

Grundsätzlich freuen sich Waldbesitzer und Waldbesitzerinnen – ob groß oder klein – naturgemäß über die Förderung, die 2020 eingeführt wurde, um Forstwirte angesichts großer Schäden in Österreichs Wäldern finanziell zu entlasten. Die Probleme reichen von wetterbedingtem Schadholz bis hin zum Befall von Bäumen durch Krankheiten und Schädlinge. Der Waldfonds vergibt Förderungen für zehn verschiedene Maßnahmen wie etwa Schädlingsbekämpfung, Aufforstung und die Stärkung von Artenvielfalt.

Dass mit steigender Waldfläche, auch mehr Möglichkeiten entstehen, Projekte einzureichen, klingt logisch. Es ist aber möglicherweise nicht der einzige Erklärung für die tendenziell stärkere Vergabe von Fördermitteln in Richtung Großgrundbesitzer. Kleinbauern würden oft gar nichts von der Förderung wissen oder seien im Vorfeld bei Verhandlungen um Vergabekriterien nicht ausreichend involviert gewesen, monieren Kritiker. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Von rund 145.000 Waldbesitzern suchten laut nun vorliegender Beantwortung der parlamentarischen Anfrage bis zum Mai 2023 gerade einmal rund 14.700 um Förderungen an – in 13.008 Fällen wurden sie auch bewilligt. Ist die klimafreundliche Waldbewirtschaftung finanziell gesehen noch immer zu unattraktiv, fallen die wetterbedingten Schäden bei kleinen Waldbesitzern nicht genug ins Gewicht – oder ist die Förderung in der Praxis tatsächlich nur ein Fall für wenige Stakeholder mit den richtigen Connections?

Dass es einen strukturellen Nachteil für kleinere Waldbesitzer gäbe, bestreitet jedoch das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium auf profil-Anfrage: „Kleinere Waldbesitzer:innen werden über den Waldsfonds v.a. über die Einreichung gemeinschaftlicher Rahmenanträge unterstützt. Die Schaffung der Möglichkeit, gemeinschaftliche Rahmenanträge einzureichen, erleichtert besonders für kleine Waldbesitzer:innen die Antragsstellung und Abwicklung von Förderanträgen.“ Doch gemeinsame Anträge sind mit viel Bürokratie verbunden und kommen laut profil-Information weniger oft vor.

„Man müsste zumindest wissen können, wer diese 100 sind“, fordert Franziskus Forster, Sprecher der Österreichischen Berg- und Kleinbäuerinnen Vereinigung Via Campesina (ÖBV). Um wen es sich bei den Top 100 handelt, können Kenner der forstwirtschaftlichen Gegebenheiten nur spekulieren: ehemalige Adelsfamilien, Erben großer Waldflächen vermutlich. Wer tatsächlich dahintersteckt, darüber herrscht großes Rätselraten. Auf Nachfrage konnte das Bundesministerium für Wald nicht einmal Auskunft über die Bewilligungssummen pro Bezirk erteilen – dazu müssten 7.000 Datensätze händisch ausgewertet werden, so die Begründung.

Keine Sozialförderung

profil hat sich bei kleineren Waldbesitzern umgehört. Die Meinungen sind gespalten. Während manche betonen, auf die Großgrundbesitzer „nicht neidisch“ zu sein, wünschen sich andere mehr Unterstützung bei der Umsetzung klimafreundlicher Projekte. Auf wenig Verständnis stößt die Kritik hingegen bei Felix Montecuccoli. Mit etwa 960 Hektar Waldfläche zählt der Vorstand der Vereinigung der österreichischen Land- und Forstbetriebe zu den großen Waldbesitzern des Landes. Die Kritik der SPÖ am Waldfonds sei „rein ideologisch“, behauptet Montecuccoli. Es gehe beim Waldfonds nicht darum, ob die Förderung gerecht sei, sondern ob sie richtig ausbezahlt würde – mit dem Ziel nämlich, möglichst viel Waldfläche klimafit zu machen: „Das ist keine Sozialförderung“. Die Maßnahmen würden für die Waldbesitzer keinen finanziellen Ertrag bringen, sagt Montecuccoli, denn für mindestens 20 Prozent der Kosten müssten die Förderwerber selbst aufkommen. Es würde nicht mehr Geld ausgeschüttet, als Kosten anfallen.

Laut Franziskus Forster von der ÖBV wurden kleinere Forstbetriebe bereits bei den Verhandlungen um die Einführung des Waldfonds benachteiligt. „In der Ausgestaltung der Förderungen haben sie nur eine untergeordnete Rolle gespielt.“ Zu den Verhandlungen hätten die Großbetriebe einen privilegierten Zugang gehabt, Kleinbesitzer hätten die Informationen nur aus zweiter Hand mitbekommen. Dadurch hätten sie sich einen Startvorteil gesichert: „Es gibt ein doppeltes Transparenzproblem: Bei den Verhandlungen und bei der Verteilung. Der adlige Wald darf nicht bevorzugt werden. Gerechtigkeit ist eine Grundvoraussetzung für ökologischen Wandel.“

Mit Steuergeld finanzierte Gewinne?

Die SPÖ wiederum verweist darauf, dass seit 2020 die Gewinne der heimischen Forstwirtschaft insgesamt angestiegen seien – von 2020 auf 2021 betrug der Zuwachs des Nettounternehmensgewinns im forstwirtschaftlichen Bereich laut Statistik Austria rund 80 Prozent. Julia Herr sieht darin ein Indiz, dass „große private Waldbesitzer bevorzugt werden und mit den Förderungen ihre steigenden Gewinne finanziert werden.“ Wo die Gewinne so stark steigen, könnten viele Maßnahmen aus der eigenen Tasche statt mit Steuergeld finanziert werden, meint die SPÖ. Die Oppositionspartei fordert deshalb eine degressive Auszahlung der Gelder, also dass kleinere Waldbauern und -bäuerinnen pro Hektar Förderfläche in Relation mehr Ausgleich erhalten als Großbesitzer.

Das Argument, dass große Waldbetriebe viel Gewinn erwirtschaftet hätten, hält Montecuccoli nicht für gerechtfertigt. Durch die Klimaschäden in den vergangenen Jahren habe auch er viel Geld verloren. Durch die 100.000 Festmeter Holz, die er verkaufen konnte, hätte er bloß die Erntekosten decken können: „Es ist, als wäre ein Dieb zuhause eingebrochen.“ Waldbesitzer machen jedoch nicht nur Geschäfte mit Holz, auch die Jagd hat eine große Bedeutung: „Das sind hohe Gewinne, die nicht berücksichtigt werden“, sagt Franziskus Forster von „La Via Campesina“.

„Der Waldfonds ist sinnbildlich für die Politik dieser Regierung“, urteilt Julia Herr. Damit meint sie die Förderungen der staatlichen Coronahilfen-Agentur COFAG, bei denen der Rechnungshof ein „beträchtliches Überförderungspotenzial“ festgestellt hat. Wieder einmal, so Herr, sei nicht auszuschließen, „dass Steuergeld in Millionenhöhe an Unternehmen fließt, obwohl diese gerade besonders hohe Gewinne verzeichnen.“

Mehr Transparenz gefordert

Auch Forster ist skeptisch, aber aus einem anderen Grund: Für ihn stellt sich die Gerechtigkeitsfrage angesichts der fehlenden Transparenz in der Ausbezahlung der Waldförderungen. Dass es möglich ist, diese Informationen öffentlich transparent zu machen, zeige die Transparenzdatenbank der GAP, der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Dort seien Förderungen bis auf den Cent genau auf die Personen zurückzuführen. Dort müssen die Mitgliedsstaaten seit 2009 Informationen über die Empfänger von Agrar-Fördergeldern öffentlich machen. Jedoch nicht jene, die gegebenenfalls auch noch Geld aus dem Waldfonds beziehen.

Aus dem Ministerium heißt es auf profil-Anfrage: „Um den verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln sicherzustellen, werden Doppelförderungen über den Waldfonds ausgeschlossen.“ Diese Behauptung könne man nur schwer kontrollieren, meint wiederum Forster. Wirklich sicher könne man nur dann sein, wenn die Namen der Förderempfänger bekannt wären. Hierbei ist festzuhalten, dass es durch den Waldfonds prinzipiell möglich ist, für dieselbe Waldfläche mehrere Förderungen zu erhalten – jedoch nicht für dasselbe Projekt. Doch die Förderprogramme der GAP klingen sehr ähnlich, so Forster: „Transparenz bei den Förderempfängern des Waldfonds würde hier helfen, um konkret geförderte Maßnahmen zu unterscheiden.“

Forster betont, dass auch auf kleineren Waldflächen sehr viel in Sachen Klimaschutz getan werde, „aber weniger durch öffentliche Gelder finanziert“. Er fordert Förderobergrenzen, damit die Fördersumme auf mehr Waldbesitzer aufgeteilt werden kann, und mehr Transparenz. Denn: „Kleine Waldbesitzer müssen auch die Möglichkeit bekommen, mit öffentlicher Unterstützung die Wälder nachhaltig und zukunftsorientiert zu bewirtschaften.“

Neue Verhandlungen? 

Der Rechnungshof merkte bereits Ende 2022 kritisch an, dass weniger als die Hälfte der Waldfonds-Mittel direkt auf Waldflächen zum Einsatz kam und empfahl dem Landwirtschaftsministerium, in künftigen Förderprogrammen die Mittel für Maßnahmen, die unmittelbar eine flächenbezogene Wirkung für den Wald aufweisen, nicht zugunsten von Maßnahmen mit indirekter Wirkung zu kürzen.

Zumindest bis Jänner 2027 sollen Waldbesitzer von den Förderungen profitieren, eine Verlängerung des Waldfonds darüber hinaus wirkt derzeit wahrscheinlich – eine Anpassung der Kriterien jedoch nicht. „Einerseits wird uns der Klimawandel noch sehr lange beschäftigen, und die Waldeigentümer werden Unterstützung benötigen. Andererseits setzt der Waldfonds Anreize für eine breitere Verwendung des Klimaschützers Holz“, sagte Andreas Ludwig, Vize-Obmann des Fachverbands der österreichischen Holzindustrie vor kurzem bei einer Pressekonferenz. Im Ministerium für Landwirtschaft ist man sich der großen Nachfrage nach weiteren Fördermitteln bewusst. Auf profil-Anfrage heißt es: „Die Verlängerung eines derartigen Erfolgsprojektes ist komplex und bedarf einer eingehenden Abstimmung mit allen beteiligten Entscheidungsträger:innen.“

Ob auch die Interessen kleinerer Waldbesitzer am Verhandlungstisch entsprechend Gehör finden werden, bleibt abzuwarten.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.