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Tunnelblick

Kurze Röcke, dunkle Gassen, aggressive Ausländer. Geht es um Gewalt gegen Frauen, wird allem Möglichen die Schuld gegeben. Dabei gibt es nur ein Problem: gewalttätige Männer.

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„Wo, Herr Laschet, glauben Sie, fühlen sich Frauen am unsichersten?“ Diese Frage stürzt CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet beim TV-Triell der Kandidat:innen der Bundestagswahl in Deutschland am Sonntag in eine lange Nachdenkpause. Im Hintergrund wird das Foto einer Frau eingeblendet, die durch eine Unterführung geht. „Wenn Sie die Bilder zeigen wahrscheinlich in Unterführungen…Tunneln…. und in Parks.“ Laschet antwortet zögerlich. Er antwortet auf eine Art und Weise, die mutmaßen lässt, er hätte bisher nicht allzu viele Gedanken an diese Frage verschwendet. Er antwortet - und verfehlt den Punkt. Nicht finstere Tunnel sind es, die Frauen am nächtlichen Heimweg Angst haben lassen. Unser Problem sind gewalttätige Männer. Der gefährlichste Ort für Frauen ist in Deutschland sowie Österreich das eigene Umfeld und Zuhause. Erst vergangenen Sonntag hat ein 81-jähriger Österreicher seine 71-jährige Ex-Frau durch einen Kopfschuss ermordet. Sie war heuer die 19. Frau, die in Österreich Opfer eines Femizides wurde.

Nicht nur Armin Laschet schrammt am Kern der Debatte vorbei. Bundeskanzler Sebastian Kurz diskutiert öffentlich lieber über importiertes misogynes Gedankengut als über das länderübergreifende und dezidiert männliche Gewaltproblem. Den grausamen Mordfall der 13-jährigen Leonie im Juni ordnete der Kanzler unter anderem mit folgenden Worten ein: „Mit mir wird es einen Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan und eine Aufweichung der Asylgesetze gegenüber straffälligen Asylwerbern niemals geben.“

Während Männergewalt fortlaufend weibliche Leben bedroht und Regierungsstimmen fortlaufend dasselbe sagen, wird die Kritik der Opferschutzeinrichtungen lauter. Der Verein Autonomer Österreichischer Frauenhäuser forderte vergangenen Mittwoch neben mehr finanziellen Mitteln etwa eine verpflichtende Fort- und Weiterbildung zum Thema Gewalt an Frauen für Polizei und Justiz. Für profil hat Elfriede Hammerl erst kürzlich die institutionalisierten Täterschutz-Praktiken in österreichischen Polizeiinspektionen kritisiert.

Und angesichts all dessen, Herr Laschet, sind die Tunnel unser geringstes Problem.

Bitte kommen Sie sicher durch den Tag!

Magdalena Riedl

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