Prozess gegen den "Bierwirt" am Montag 20. Dezember 2021
profil-Morgenpost

Was ist eigentlich ein Femizid?

Der Prozess gegen Albert L., besser bekannt als „Bierwirt“, hat uns eine Lektion gelehrt: Nie wieder soll jemand von Beziehungstaten sprechen.

Drucken

Schriftgröße

Ich dachte, ich wüsste alles über Frauenmorde und warum es angesagt sei, von einem Femizid zu sprechen und nicht von einer Beziehungstat. Beim Geschworenenprozess, der gestern im großen Wiener Schwurgerichtssaal zu Ende ging, habe ich wirklich begriffen. Ich habe gehört, gefühlt und gesehen: die Sorge der Angehörigen, durch Einschaltung der Polizei die Sache zu eskalieren; das mangelnde Vertrauen in staatliche Institutionen; die gesellschaftliche Erwartung, dass sich Frauen aufopfern und stillhalten.

Am Montag vergangener Woche saß Albert L. alias Bierwirt für den Mord an Marija M. auf der Anklagebank und sagte nicht viel. Den Kopf hielt er meist gesenkt,  bisweilen wippte er leicht mit den Füßen. Aus seinen wenigen Worten erfuhren wir, dass er es wohl gewesen sein musste, der seine Frau, die Mutter seiner Kinder, an einem lauen Frühlingsabend in ihrer Wohnung erschossen hatte, er könne sich nur nicht daran erinnern. Er habe sich in einem komatösen Rausch aus Alkohol und  Psychopharmaka befunden. Er konnte allerdings relativ exakt angeben, wie viel er tagsüber getrunken hatte bis alles dem Vergessen anheim fiel. 

Albert L. starrte durchgehend auf den Boden. Er hat guten Grund, nicht hinzusehen.

Seine Schwester, die seine Frau Marija seit Kindertagen kannte, die Tür an Tür mit ihr im selben Gemeindebau wohnte, legte schluchzend und geschüttelt vor Verzweiflung gegen ihn Zeugnis ab. Sein Bruder sagte zu seinen Ungunsten aus. Ebenso seine Schwiegereltern -  den Opa seiner Kinder hatte er eine Woche vor dem Mord auch schon mit einer Pistole bedroht und am Ende knapp an ihm vorbei, in den Türstock geschossen. Marija trennte sich daraufhin endgültig von ihm und verbot ihm die Wohnung zu betreten.

Ein Video von der Aussage seiner 13-jährigen Tochter und ihrer gleichaltrigen Freunde wurde den Geschworenen vorgeführt. Es wurde ganz still im Saal. Die Kinder, auch sein dreijähriger Sohn und sein Nachbar waren da gewesen und hatten alles mitbekommen.

Die Freundin seiner Tochter hatte gesehen wie der erste Schuss Marijas Oberschenkel traf, die Frau zu Boden ging und ein zweiter Schuss Marijas rechte Gesichtshälfte traf.  

So viel Leid ist selten im Zeugenstand. Nach und nach stellte sich heraus, welch panische Angst Marija in den Tagen vor der Tat hatte. Die Wohnung musste immer von innen zugesperrt werden. Gefahr lag in der Luft. Man hörte, Albert. L. sei im Keller des Gemeindebaus gesehen worden. Man wusste, dass er bewaffnet ist. SMS wurden hin- und hergeschickt. Keiner wagte es, die Polizei zu rufen. Die große Angst, Albert L. würde dies noch anstacheln, alles noch schlimmer mache. Was hätten Marija, ihre Angehörigen und Freunde auch sagen sollen -  dass sie Angst haben?

Albert L.s Verteidiger, ein sehr erfahrener Anwalt, redete den Geschworenen ins Gewissen und gab mit seiner Argumentation unfreiwillig eine Lektion in Sachen Feminismus: Der Angeklagte, ein ehemaliges Heimkind, könne Trennungen nicht gut verkraften und sei durch den Prozess gegen die Grün-Politikerin Sigrid Maurer komplett aus der Spur geraten. Generell seien „Beziehungstaten“ niemals durch die Härte des Gesetzes zu verhindern, dozierte der Anwalt.  

Und da kam mir der Gedanke: Ein Femizid ist nicht (nur) das, was ein Mann einer Frau antut, sondern das, wie die Gesellschaft damit umgeht.

Die Grün-Politikerin Maurer, die die obszönen Nachrichten vom Facebook-Account des „Bierwirts“ an sie einst öffentlich machte, hatte das später so begründet:  „Er sollte nicht glauben, er kann so etwas machen, und die betroffene Frau schweigt sich zu Tode“. Nachzulesen in einer profil-Titelgeschichte über den Bierwirt vom 27.6.2021.

Die Geschworenen entschieden gestern einstimmig: lebenslange Haftstrafe und Einweisung in eine Anstalt für  geistig abnorme Rechtsbrecher. Kein Einspruch. Das Urteil ist rechtskräftig.

Ein Paradigmenwechsel steht auch im Umgang mit dem Coronavirus an. Mein Kollege Wolfgang Paterno hat für die profil-Jahresausgabe ein Gespräch mit dem Mediziner und Impfexperten Herwig Kollaritsch geführt.

Auf die Frage: „Wie werden wir uns mit dem verdammten Virus noch herumschlagen müssen?“ sagt Kollaritsch: „Die Antwort darauf ist sehr einfach: Für immer.“

Einen gelassenen Vorweihnachtstag wünscht Ihnen,

Christa Zöchling

PS: Hat Ihnen die Morgenpost gefallen? Dann melden Sie sich jetzt an, um Ihren Werktag mit aktuellen Themen und Hintergründen aus der profil-Redaktion zu starten:

Christa   Zöchling

Christa Zöchling