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Wieso mir Kickl wurscht ist

Es hilft niemandem, dass sich mit dem FPÖ-Chef ein polternder Corona-Skeptiker infiziert hat.

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Kaum war die Meldung am Montag raus, spielte das Internet verrückt. Herbert Kickl war positiv auf das Coronavirus getestet worden – eigentlich kein Wunder, schließlich ist der FPÖ-Chef nicht geimpft. In den Sozialen Medien sorgte die Nachricht dennoch für unverhoffte Heiterkeit. Viele taten so, als sei Kickls Erkrankung ein erster Schritt im Sieg gegen die Pandemie, andere veranlasste sie zu Häme. Ich kann das nicht nachvollziehen. Was nutzt es, dass der FPÖ-Chef infiziert ist? Ich glaube nicht, dass seine Erkrankung jemanden zur Impfung bewegen oder er gar selbst daraus lernen wird. Das war auch bei anderen hochrangigen Corona-Skeptikern nicht der Fall.

Kickl nutzt die Pandemie, um sich als eine Art postfaktischer Medizinmann zu inszenieren. An Covid-19 Erkrankten hat er ein Medikament gegen Krätze empfohlen, auch zur Impfskepsis im Land hat er einiges beigetragen. Doch es sind nicht nur die Rechten, die gegen die Impfung mobilisieren. Die Skepsis gegenüber der Wissenschaft ist auch ein Erbe der sogenannten Anthroposophen um Rudolf Steiner und ihrer esoterisch-okkulten Weltanschauung. Es ist kein Wunder, dass die Impfrate in jenen Ländern besonders niedrig ist, in denen sich die Menschen verstärkt Esoterik und Homöopathie zuwenden. Was den Glauben an homöopathische Wundermittel betrifft, zählen Österreich und Deutschland zu den Spitzenreitern. Vielleicht hätten wir höhere Raten, wenn man sich den Impfstoff in Form von Globuli in den Rachen werfen könnte.

Wahn und Würmer

Gegen den Hang der Österreicher zur Esoterik fällt mir akut kein Heilmittel ein. Nur: Was die Skepsis gegenüber der Wissenschaft betrifft, hätte die Regierung durchaus gegenhalten können. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, den Glauben an die Wissenschaft zu stärken und Vertrauen aufzubauen. Anstatt die Warnrufe der Experten zu ignorieren und den Sommer einfach verstreichen zu lassen, hätten Kanzler, Minister und Landeshauptleute sich ihrer Aufgabe stellen und die Menschen direkt ansprechen sollen. Wieder und wieder hätten sie zur Impfung aufrufen sollen, jede Woche, in mehreren Sprachen. Anstatt abzutauchen und nur hie und da für verkrampfte Pressekonferenzen zu erscheinen, hätten sie den Menschen erklären müssen, wieso es wichtig ist, sich jetzt (im Juli und August) impfen zu lassen.

Sie hätten durch Österreich fahren und dafür werben sollen. Sie hätten sich auf den Marktplätzen und in den Heurigen dieses Landes dem Gespräch mit Zweiflern stellen müssen. Sie hätten ihnen erklären müssen, wieso es in einer Pandemie besser ist, Experten zu vertrauen anstatt einem ehemaligen Innenminister, der schon als solcher miserabel war und nun Entwurmungsmittel gegen eine Viruserkrankung empfiehlt.

Politik auf der Intensivstation

Aktuell könnte Gesundheitsminister Mückstein medienwirksam Ärzte und Pflegepersonal auf Intensivstationen besuchen. Sie wissen, wie desolat die Lage ist und wie tödlich das Virus für Ungeimpfte sein kann. Sie können ein Lied davon singen, wohin uns die politische Untätigkeit geführt hat. Wem Gespräche mit Leuten wie Karin Engl, leitende Krankenschwester einer Covid-Intensivstation in Linz, nicht die Augen öffnen, ist für jede Vernunft verloren.

Versuchen sollte man es allemal. Ein Gesundheitsminister Mückstein oder ein Kanzler Schallenberg zu Besuch auf der Intensivstation würden uns mehr helfen als ein ebendort intubierter Kickl.

Siobhán Geets

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Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.