profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Im Namen des Herrn

Justizbeschimpfung, Migrationsaufguss und die Verleumdung von Klimaschutz als Anmaßung ahnungsloser Städter: Endlich widmet sich die ÖVP wieder voll der Sachpolitik!

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Leider wurde ja die ÖVP – und vor allem ihr Chef – jetzt über längere Zeit aufgrund widriger äußerer Umstände wie zum Beispiel in ihrer Harmlosigkeit von der Öffentlichkeit völlig verkannter Chats in der Ausübung ihrer eigentlichen Kernkompetenz schwer gestört: der Sachpolitik. Das ändert sich aber gerade zum Glück wieder. Und es lassen sich dabei vor allem drei Stoßrichtungen ausmachen.
Zum Ersten wird die überfällige Justizreform unbeirrt weiter vorangetrieben.

Diesbezüglich kann man die Arbeit eines Abgeordneten, dessen Bekanntheitsgrad vor seinen allesamt denkwürdigen Wortmeldungen rund um den Ibiza-U-Ausschuss unerklärlicherweise jenem des Rechtsverbinders des SC Stripfing glich, gar nicht laut genug rühmen. Möglicherweise kannte Andreas Hanger ja deshalb niemand, weil sein bevorzugtes Habitat im Unterirdischen liegt. Aber seine gerade im Laufen befindlichen fifteen minutes of fame zwingen einen fast dazu, ihm permanent Aufmerksamkeit zu schenken, stellt er doch einen Rekord nach dem anderen auf – sei es nun in puncto Anstands- oder aber auch Intelligenzbefreitheit.

Unterstützt wird er dabei dankenswerterweise von Karoline Edtstadler, jener Frau, die es auf dem Weg zu ihrem politischen Lebensziel, die österreichische Maggie Thatcher zu werden, immerhin schon bis zur österreichischen Sarah Palin gebracht hat. Den Vogel schoss aber jüngst, wie sich das ja auch gehört, der Kanzler persönlich ab, als er seine Kritik an der Justiz mit jener an der Kirche nach dem Bekanntwerden der zahlreichen dortigen Missbrauchsfälle gleichstellte. Das sorgt selbst auf der durchaus schon mit einigen eindrucksvollen Zacken geschmückten, nach oben offenen türkisen Niederträchtigkeitsskala für eine ausgesprochen fesche Amplitude. Aber unter Sebastian Kurz ist ja die ÖVP nicht zuletzt auch zur Partei des Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-Dürfens geworden.  

Das zweite Thema, dem sie sich jetzt endlich wieder inbrünstig widmen darf, ist die Migration. Flex Nehammer und die mit beeindruckendste Ministerin seit der wissenschaftlichen Erstbeschreibung von Inkompetenz, Klaudia Tanner, warfen sich jüngst quasi gemeinsam in die Tarnkleidung, um Österreich tapfer zu verteidigen. Vor allem gegen Afghanen, deren nicht stattfindende Abschiebung trotz vorhandener Bescheide ja bekanntlich die Schuld der EU ist – und nicht etwa die der doch schon wieder ein paar Jahrzehnte unter weiser ÖVP-Führung befindlichen heimischen Verwaltung.

Die dritte sachpolitische Stoßrichtung schließlich ist die Verhinderung des durch Klimaschutzmaßnahmen unmittelbar drohenden Rückfalls in die Steinzeit, zu der nach der Initialzündung durch den Kanzler die immer für gelinde gesagt interessante Argumente aller Art zuständige Elisabeth Köstinger auch ihren ruralen Senf dazu gab.

Sinngemäß meinte sie, dass man dem ländlichen Raum gar nicht mit dem Klimawandel kommen brauche – offenbar ist jener in der scharfen Wahrnehmung Köstingers weder davon betroffen noch irgendwie mitverantwortlich –, weil dort sei das schließlich schon was anderes als in einem klimatisierten Büro in der Wiener Innenstadt. Nun wäre zwar ein elaboriertes „Oida?!“ als Antwort auf diese beeindruckende Expertise an sich ausreichend. Aber es geht auch länger. Denn der ländliche Raum, dem sich die als Ministerin missverstandene Großbauern- und Adlerrundenlobbyistin Köstinger verpflichtet fühlt, fährt ja am Sonntag mit dem neuen Mercedes beim Frühschoppen vor.

Am Montag nimmt er dann den zwei Jahre alten, um damit am Feld nachzuschauen, ob es zufällig schon wieder einmal a) zu heiß b) zu kalt c) zu trocken d) zu feucht gewesen ist und man also endlich mit dem rituellen Wehklagen über die wie eigentlich jedes Jahr auch heuer wieder zu erwartende katastrophale Missernte beginnen kann. Für deren Abfederung mit allerlei Förderungen zu sorgen ist – von der Allgemeinheit natürlich.

Jener Allgemeinheit, die ohnehin schon mit von ihrem Steuergeld bezahlten Stützungen dafür sorgen muss, dass die Preise landwirtschaftlicher Produkte künstlich hoch gehalten werden können – denn auch die ländliche Bevölkerung hat schließlich das Recht auf den Traum vom vierten Mercedes, wenn beim dritten schon wieder der Aschenbecher voll ist. Aber das alles ist nur recht und billig, denn diese Allgemeinheit sitzt ja bekanntlich geschlossen in klimatisierten Räumen in der Wiener Innenstadt – und wählt zu einem sicherlich empörend hohen Prozentsatz nicht Türkis, hat es also nicht besser verdient.

Am Schluss bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen: Das ebenso ausgeklügelte wie subtile Erfolgsrezept des Kanzlers bei den letzten beiden Wahlen war ja, so gut wie alle Forderungen der FPÖ zu seinen eigenen zu machen – aber, im Gegensatz zu den Blauen, nicht nur den Anschein zu erwecken, mit Messer und Gabel essen zu können, sondern auch noch irgendwo so etwas wie Substanz zu haben.
Aber wo noch einmal schnell?

 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort