Ein Mann im Anzug sitzt vor einer hölzernen Wand. Es ist Nationalratspräsident Rosenkranz.
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Sobotka und Bures erlaubten umstrittenes Dinghofer-Symposium

SPÖ und ÖVP kritisieren das Dinghofer-Symposium im Parlament. Als sie selbst den Nationalratspräsidenten stellten, verhinderten sie es nicht.

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Nationalratspräsident Walter Rosenkranz, FPÖ, äußert sich zur Aufregung um das von ihm veranstaltete Dinghofer-Symposium am 11. November auf profil-Anfrage vorerst nicht. Der Präsident weilt derzeit auf Dienstreise in Marokko. 

Das Symposium widmet sich dem Gedenken Franz Dinghofers (1873-1956).  Dieser war Mitglied des Abgeordnetenhauses, Linzer Bürgermeister, Nationalratsabgeordneter, Justizminister, Vizekanzler, Dritter Präsident des Nationalrates. In die Geschichte ging er mit dem Sozialdemokraten Karl Seitz und dem Christlichsozialen Jodok Fink als einer der Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung ein, die am 11. November 1918 die Gründung der Republik (damals noch „Deutschösterreich“) beschloss. Am 12. November 1918 proklamierte Dinghofer sie in einem symbolischen Akt vor dem Parlament. Die FPÖ verehrt ihn daher als einen der „Architekten der Ersten Republik“.

Nichts wissen will die FPÖ von der dunklen Seite des Franz Dinghofer: Deutschnationalist, NSDAP-Mitglied, Antisemit. In einem offenen Brief kritisieren renommierte Zeithistoriker die Rosenkranz-Veranstaltung heftig.  Dinghofer sei ein Vertreter der Großdeutschen Volkspartei gewesen, „deren Parteiprogramm einer aggressiven antisemitischen Hetzschrift gleicht“. Zudem sei er „auch persönlich bekennender Antisemit“ und mit seiner Partei „ein Wegbereiter des Holocaust“ gewesen. Die Veranstaltung sei daher „erschreckend und unverständlich“.

Der Zweite Nationalratspräsident Peter Haubner, ÖVP, und die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures, SPÖ, zeigten sich in einer Stellungnahme „mehr als befremdet“ von der Veranstaltung, die „äußerst zweifelhafte historische Signale“ aussende. Allerdings liege sie allein in der Verantwortung des Präsidenten. 

Wesentlich schärfer fällt die Reaktion von Wolfgang Sobotka, ÖVP, Nationalratspräsident von 2017 bis 2024, aus. Dieser wirft Rosenkranz eine „bewusste Provokation“ vor. Dinghofer eigne sich als „Großdeutscher, Antisemit und Gegner eines freien Österreichs“ in keiner Weise „zur Erörterung demokratischer Werte wie Freiheit“. Das Parlament dürfe „kein Ort für Geschichtsklitterung“ sein.

Dinghofer-Gedenktafel am Parlament

Allerdings: Das Dinghofer-Symposium findet seit dem Jahr 2010 statt. Mit Ausnahme des vergangenen Jahres, als der FPÖ-Klub dazu einlud, war das Symposium stets eine offizielle Veranstaltung des Parlaments auf Einladung des jeweiligen von der FPÖ gestellten Dritten Nationalratspräsidenten. Im Rahmen des Symposiums werden regelmäßig die Franz-Dinghofer-Medaille und der Franz-Dinghofer-Medienpreis verliehen. Unter den Preisträgern befinden sich Rechtsaußen-Medien wie „Der Eckart“ und „unzensuriert.at“.

Eine MEdaille mit dem Konterfei des Politikers Dinghofer
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Bemerkenswert ist, dass Sobotka in seinen Jahren als Nationalratspräsident – und damit als Hausherr des Parlaments – die Veranstaltung untersagen hätte können – dies aber unterließ. Auch Doris Bures hatte in ihren drei Jahren als Nationalratspräsidentin von 2014 bis 2017 offenbar keine gröberen Bedenken gegen das Symposium.

Gut möglich, dass der offene Brief der Historiker dazu führt, den Umgang mit der Person Franz Dinghofer zu überdenken, auch im Hinblick auf eine Gedenktafel beim Haupteingang des Parlaments. Diese ist laut ihrer Inschrift Seitz, Fink und Dinghofer „aus Anlass ihrer Verdienste um den Aufbau der Republik Österreich gewidmet“. Enthüllt wurde die Gedenktafel im März 1994 vom damaligen Nationalratspräsidenten und späteren Bundespräsidenten Heinz Fischer (SPÖ), der die drei Politiker als „Symbolfiguren für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit über die Grenzen der politischen Lager hinweg“ würdigte.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.